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Ich stelle mich neben meinen Vater und betrachte das Symbol vor uns an der Wand. Es sieht edel und machtvoll, aber auch bedrohlich aus. Wie eine Warnung, die ich nicht begreife. Ich habe keine Ahnung, was dieser goldene Adler mit seinen weit gestreckten Schwingen zu bedeuten hat. Ich blicke zu Papa. Er hingegen scheint zu wissen, was dieses Symbol zu bedeutet. "Was ist das?" , frage ich neugierig.
„Bei Thors Hammer..." Nur langsam scheint die Bedeutung der beiden Worte bei meiner Freundin durch zu sickern. Angriff. Thursen. Mit bleichem Gesicht starrt sie mich an. "Was...? Wie... ?" Ob diese Frageansätze auf die Tatsache gerichtet sind, dass gerade ein Drache vor ihren Augen Runen in den Sand geschrieben hat oder wegen der Worte, die diese Runen ergeben, kann ich nur raten. Eona schafft es nicht ihre Fragen auszusprechen, die ihr zweifellos zuhauf im Kopf rum schwirren. Ich kann sie ja verstehen, aber wir haben keine Zeit für so etwas. Konzentration aufs Wesentliche! Je schneller wir das Dorf warnen können, desto besser. Die Zeit drängt! Energisch stampfe ich mit einer Pfote auf den Boden, direkt neben den zwei Worten im Sand. Eona schüttelt den Kopf und hebt die Hände, entweder als Zeichen, ich solle warten oder als wolle sie alle unwichtigen Fragen beiseite schieben. Ich warte ungeduldig bis sie erneut zögerlich zu einer Frage ansetzt: „Du willst, dass wir die Thursen angreifen?“ Es klingt wie eine Frage, von der sie genau weiß, dass die Antwort ihr nicht gefallen wird. Ich bemerke einen schwachen Hoffnungsschimmer in ihr aufkeimen, aber sie glaubt nicht wirklich daran, dass das meine Absicht ist. Allerdings ist die Alternative einfach zu ... beängstigend. Ich senke den Blick und schüttle den Kopf. „Uns steht ein Angriff her Thursen bevor.“ Keine Frage. Ihrer Stimme fehlt jegliche Kraft, als sie ihre Erkenntnis ausspricht. Ich wäre in Jubelsprünge ausgebrochen, dass ich es geschafft habe jemanden zu warnen, dass sie mir glaubt, aber angesichts dieser schrecklichen Nachricht, stehe ich eher kurz vor einer Panik. Eona weicht geschockt mehrere Schritte vor den im Sand geschriebenen Worten zurück, als wären sie ein gefährliches Tier und könnten sie angreifen. Oder ich bin die, vor der sie zurückweicht. Abrupt wendet sie sich ab und läuft vor dem Waldrand auf und ab. Auf und Ab. „Verdammt, verdammt, verdammt. Was mache ich hier eigentlich? Bei den Göttern, ich bin drauf und dran ernsthaft auf einen Drachen zu hören. Einen Drachen!“ Ihre Stirne wird immer schriller, während sie wild mit ihren Händen gestikuliert. „Ich rede mit einem Nachtschatten... Ich bin doch nicht mehr ganz bei Sinnen.“ Ruhelos tigert sie vor mir auf und ab. Auf und Ab. Überfordert mache ich einen Schritt auf sie zu und versuche einen beruhigenden Laut von mir zu geben. Sie hebt mahnend ihre Hand: „Was soll das überhaupt?“ Damit wirft sie mir eine weitere Frage an den Kopf, die ich nicht beantworten kann. Sie stockt als ihr bewusst wird, dass sie gerade den Drachen angepflaumt hat, der mutmaßlich ihre Freundin gefressen hat. Ein paar Augenblicke vergehen, ohne dass sich jemand von uns rührt. Ich erwidere abwartend ihren Blick. „Okay...“ Eona atmet tief ein, wahrscheinlich um sich selbst zu beruhigen. „Sagen wir mal, ich glaube dir und dabei übergehe ich, dass ich keine Ahnung habe, woher du das weißt, warum es dich interessiert oder weshalb du uns warnst. Und nehmen wir weiterhin an, du sagst die Wahrheit. Wie soll ich das meinem Stamm erzählen?“ Sie schaut mir direkt in die Augen. Langsam scheint sie ihre Angst zu überwinden. „Sie werden mich fragen, woher ich dass weiß. Sie werden mich nicht für voll nehmen, wenn ich ihnen keinen Grund gebe, mir zu glauben. Mal ganz davon abgesehen, dass du mir auch noch keinen geliefert hast.“ , fängt sie an aufzuzählen. Sie fährt fort: „Und wenn ich ihnen erzähle, dass ich das von einem Drachen weiß, der mich merkwürdigerweise noch nicht versucht hat zu töten und obendrein jedes einzelne Wort versteht, das ich sage, dann halten sie mich doch erst recht für verrückt!“ Verzweifelt wirft sie ihre Arme in die Luft und beginnt wieder ihre Runden auf und ab zu tigern. Einfach nur erschöpft lasse ich mich auf den Boden fallen. Eona hat ja Recht. Niemand wird auf sie hören. Allerdings auf mich ebenso wenig, wenn ich selbst zu ihnen gehen würde. Langsam hebe ich den Kopf. Eine Idee beginnt sich darin zu formen. Eine Idee, von der ich noch nicht weiß, ob ich erleichtert wäre, wenn sie funktioniert oder ob ich vor dem Ausgang ... Angst habe. Mein Vater würde nie auf mich hören, wenn ich so, wie ich bin, zu ihm gehe. Viel wahr-scheinlicher ist, dass er seine Waffe zieht und versucht mich zu erledigen. Vielleicht würde er auch das gesamte Dorf auf mich hetzen. Ich habe keine Chance an ihn oder jemand anderen heran zu kommen. Nein, so kann ich meine Familie sicher nicht warnen, aber... Auf mich - also mein altes Ich, mein Wikinger-Ich - auf das würden sie hören. Falls, und das ist ein großes Falls, meine Vermutung stimmt und der Stein nicht nur wie ich glaube meine Verwandlung ausgelöst hat, sondern mich auch wieder zurück verwandeln kann. Ich sollte mich freuen über die Gelegenheit meine Theorie zu prüfen und vielleicht - nur vielleicht- mein altes Leben wieder zu bekommen, doch bei dem Gedanken daran drückt ein Gewicht auf meine Brust, das ich mir nicht erklären kann. Ich wollte das doch. Von der ersten Sekunde an, wollte ich nichts dringender. Auch wenn ich davon abgelenkt wurde. Wieso also erscheint es mir jetzt weniger wie eine Erlösung zu sein? Wenn es doch bedeutet, nach Hause zurück zu kehren, warum fühlt es sich nicht richtig an? Eine leise Stimme, die ich am liebsten tief in meinem Inneren weggesperrt hätte, beantwortet meine Frage: Weil ich es inzwischen nicht mehr hasse ein Drache zu sein. Völlig verwirrt schüttle ich den Kopf. Aber es hilft nicht dabei meine Gedanken zu ordnen oder sie gar Sinn ergeben zu lassen. Nichts davon ergibt Sinn. Entschlossen verdränge ich all diese zwiespältigen Gedanken. Bevor ich darüber nachdenken kann, sollte ich diesen Stein zuerst einmal wieder finden. Ansonsten bringt all das hier erdenklich wenig. Ich blicke zu meiner besten Freundin. Sie starrt mich komisch an, als wäre sie selbst in ihren Gedanken versunken; oder als wäre ihr etwas Merkwürdiges aufgefallen. Es gibt keine andere Lösung. Ich muss diesen Stein finden, damit ich mein Dorf warnen kann, bevor es zu spät ist und die Thursen hier eintreffen.
Knurrend weiche ich vor den Wikingern zurück. Anaks Männer drängen mich in die Enge, anstatt mich weiter an zu greifen. Der Häuptling will vielleicht nicht, dass ich weiter verletzt werde, aber ich habe kein Problem damit weitere Schläge ein zu stecken. Es wäre ein vergleichsweise geringer Preis für meine Freiheit, sollte ich endlich fliehen können. Umringt von den vier übrigen Wikingern, habe ich allerdings auch kein Interesse daran, sie zu attackieren. Von sich aus werden sie mich nicht weiter angreifen. Einen Kampf zu provozieren würde das Risiko beinhalten, mich weiter zu verletzten, eventuell sogar ernsthaft, und damit gegen die direkten Befehle ihres Oberhauptes zu handeln. Also habe ich kaum noch etwas von ihnen zu befürchten. Mit einem weiten Sprung setze ich über sie hinweg. Nun stehen sie zwischen mir und dem Ort, an dem sie mich eigentlich haben wollen. Während ich sie aus den Augenwinkeln heraus weiter im Auge behalte, mustere ich die schwere Eisengittertür, welche mich von meiner Flucht abhält. Dahinter stehen noch immer die beiden Wikinger. Am Rande höre ich das Gespräch zwischen Anak und Fjell mit, während ich weiterhin den Versuchen der Wikinger ausweiche, mich in meine Zelle zurück zu treiben. Der Kapitän wollte schon geschäftig die Höhle verlassen, wird jedoch von Fjell aufgehalten: „Du kannst den Nachtschatten nicht für den Angriff benutzen.“ Anak lacht kurz und verächtlich auf. „Ich kann und ich werde. Nichts Geringeres wird von mir erwartet.“ „Was ich meine, ist, der Drache wird sich nicht von dir oder irgendjemand sonst benutzen lassen.“ , erklärt der Kerkermeister mit bestimmten Worten. „Hast du den Nachtschatten denn nicht beobachtet? Wie er gekämpft hat?“ Der Kapitän wirft Fjell einen zweifelnden Blick von oben herab zu, obwohl der Befehlshaber über die Flotte kaum größer ist, als der alte Wikinger. „Ich sag dir, was ich beobachtet habe: Dieser Drache ist schnell und gefährlich, wenn er auch leider seine tödliche Seite noch nicht gezeigt hat.“ Ein hinterlistiges Grinsen breitet sich auf dem ohnehin schon verschlagenem Gesicht des Wikingers aus, „und dieser Drache wird mir zur rechten Hand des Häuptlings verhelfen, ob du damit einverstanden bist oder nicht.“ Fjell schaut sein Gegenüber grimmig an. „Noch mal. Dieser Drache wird sich nicht benutzen lassen,“ wiederholt er sich, diesmal bestimmter, „weil er zu schlau dafür ist. Sieh es ein, du hast hier keinen gewöhnlichen Drachen vor dir.“ „Nein, absolut ein außergewöhnlicher Drache, denn der hier, mein lieber Fjell, wird auch als der ruchlose Spross von Blitzschlag und des Gevatter Tod bezeichnet.“ , unterbricht Anak den älteren Wikinger altklug. „Dies ist kein gewöhnlicher Drache,“ fährt Fjell ärgerlich fort: „,weil er viel cleverer gekämpft hat, als die übrigen Drachen. Das hättest du gemerkt, wenn du dem Kampf aufmerksamer beobachtet hättest. Wie der Nachtschatten den Angriffen deiner Männer entgangen ist, wie er ihre Schläge erahnte und seine eigene Offensive. Die Art wie der Drache gekämpft hat war … anders alles was ich bisher gesehen hatte. Berechnend, mit Verstand. Vor allem aber schien er zu erahnen, was deine Männer vorhatten.“
In der Zwischenzeit habe ich mir endlich etwas Freiraum erkämpft, genug um an den Wikingern vorbei zu stürmen und mit einem weiten Sprung auf die große Tür zu zu hechten. Es ist nicht ideal, aber wenn ich fliehen will, muss ich es jetzt versuchen, bevor meine Chance endgültig vertan ist. Sonst bietet sich mir wahrscheinlich so schnell keine Gelegenheit mehr. Mit aller Kraft, die ich nach diesem kräftezerrenden Kampf noch aufbringen kann, und mit der vollen Wucht des Sprunges werfe ich mich gegen das Gitter. Gerade mal ein paar Zentimeter gibt das Eisen nach, nicht genug um es zu verbiegen oder dem Schloss auch nur den geringsten Schaden zu zufügen. Nein. Ohne jede Aussicht und fürchterlich ratlos stehe ich vor dem einzigen Weg nach draußen und starre auf das Schloss. Nein! Kochende Wut steigt in mir auf. Irgendwie muss ich doch hier raus kommen. Irgendwie... In rasender Wut bäume ich mich auf und lasse in meiner vollkommenen Verzweiflung meine Krallen auf den Riegel niederfahren. Hinter dem undurchdringlichen Eisengitter erschallt ein hämisches Lachen. Zu Fjell gewandt deutet Anak mit ausgestrecktem Arm auf meinen verzweifelten Versuch das Schloss zu öffnen. „Das nennst du intelligent? Ich sage dir, was ich sehe. Eine rasende, kopflose Bestie, die jeden angreift, der ihr zu nahe kommt; und ich werde eine Waffe aus ihr machen, um sie auf unsere Feinde zu richten. Wenn auch nur der Funke von Intelligenz in diesem schwarz geschuppten Schädel vorhanden wäre, würde dieser Drache erkennen, dass es nichts bringt sich auf zu lehnen und gegen das alles an zu kämpfen. Er würde sein Schicksal akzeptieren.“
Nein, in gewisser Weise hat Anak Recht, so erreiche ich rein gar nichts. Nur wild drauf ein zu schlagen, bringt absolut nichts. In meinen Überlegungen vertieft halte ich inne und wende mich von der Tür ab. Ich muss schlauer vorgehen. Langsam lasse ich meinen Blick durch die Höhle schweifen auf der Suche nach irgendetwas, das mir vielleicht helfen könnte aus diesem Kerker zu entfliehen. Mir sollte lieber schnell etwas einfallen, sonst bin ich schneller zurück im Käfig als mir lieb ist. Mein Blick bleit an den immer näher kommenden Wikingern hängen; genauer gesagt an einem der Wikinger. In meinen Kopf beginnt eine Idee Form an zu nehmen. Mir bleibt allerdings kaum noch Zeit. Fauchend weiche ich abermals zurück, stoße jedoch schnell mit dem Rücken gegen die Wand hinter mir. Es ist ein eilig ersonnener, nicht durchdachter Plan, aber immerhin etwas. Ich setze an, um erneut über die Männer zu springen. Ein stechender Schmerz durchzuckt meine gesamte linke Seite und ich knicke mit dem Vorderbein ein. Ein rascher Blick auf meine Wunde verrät mir, dass weiterhin Blut herausströmt und dickflüssig auf den Boden tropft. Mühsam richte ich mich auf. Ich taxiere die Männer mit ihren Waffen vor mir und horche in mich hinein. Trotz meiner Wunde muss ich es jetzt wagen, ansonsten habe ich meine Chance endgültig vertan. Also jetzt oder nie.
Kapitel 27 – Aussichtslos?
Entschlossen stürme ich vorwärts, kämpfe weiter einen hoofnungslosen Kampf ohne Ausweg. Aber ich habe einen Plan. Vielleicht ist er aussichtslos und rührt aus Verzweiflung, aber er ist alles, was ich habe; alles, auf das ich noch setzen kann, um von hier zu fliehen. Schnell werfe ich einen Seitenblick auf den einen Wikinger, der mich auf eine Idee gebracht hat. Mit einem Schrei springe ich auf einen der anderen Wikinger und werfe ihn um, als ich mich sofort wieder abstoße. In ein paar Sprüngen bin ich um die weiteren Männer herum, ohne sie näher zu beachten. Meine Aufmerksamkeit gilt dem einen Wikinger, den ich zu meinem Ziel auserkoren habe. Dieser hat keine Zeit mehr sich umzudrehen, als ich knapp neben ihm zum Stehen komme und ich schnappe nach seinem breiten Gürtel. Leider hat es nicht so einen großen Effekt, wie ich gehofft hatte, und der Wikinger kann sich mit einem Ruck losreißen. Gleich darauf schlägt er mit seiner Keule nach meinen Kopf. Nicht imstande dem Hieb auszuweichen, wird mir als Folge kurz schwarz vor Augen und ich taumle zurück. Von hinten kommen jetzt die anderen Wikinger und bilden einen Halbkreis um mich. Dieser Schlag muss mich ziemlich fies getroffen haben, mein Sichtfeld ist irgendwie verschwommen und die Geräusche um mich herum höre ich nur wie durch Schafswolle. Ohne klare Sicht oder Gedanken, weiche ich vor den Bewegungen um mich zurück. Ich blinzle mehrmals hintereinander und schüttle leicht den Kopf. Endlich klärt sich mein Blick. Doch bevor ich noch etwas anderes tun kann, als nur zurück zu weichen, ergreift ein Wikinger das Gitter neben ihm und schlägt es vor meiner Nase zu. Erst nachdem der Riegel vorgeschoben ist, wird mir klar, dass ich zu weit zurück gewichen bin. Sie haben mich in meine Zelle getrieben. Perplex starre ich das Eisengitter vor meiner Nase an. Dahinter stehen noch immer die fünf stämmigen Wikinger und feixen. Am liebsten hätte ich sie noch einmal ordentlich angebrüllt, ich lasse jedoch nur ein verhaltenes Knurren hören. In diesem Moment kommt auch Fjell mit grimmiger Miene angestapft und scheucht Anaks Schläger fort. Seufzend schließt er meine Zelle ab.
Ungeduldig warte ich am Abend darauf, dass sich die Gefängnishöhle langsam leert. Schließt brennt nur noch in der kleinen Höhle von Fjell nahe des Eingangs Licht, die wohl auch als eine Art Besprechungsraum dient. Darin befinden sich Fjell und Anak, welcher vor einiger Zeit mit ein paar Plänen unter dem Arm in die Höhle spaziert ist und lautstark und unwirsch nach Fjells Mithilfe verlangt hat. Endlich verlässt auch er die Höhle und Fjell beendet seinen abendlichen Rundgang. Nachdenklich bleibt er vor meiner Zelle stehen und beobachtet mich. Ob er sehen will, ob ich ernsthafte Ver¬letzungen von dem Kampf davon getragen habe oder nur aus Neugierde, kann ich nicht sagen. Ruhelos tigere ich in meinem begrenzten Raum auf und ab. Offensichtlich fasst der Kerkermeister meine Nervosität falsch auf, denn er hebt beruhigend die Hände. "Ich will dir nichts tun.", leiser murmelt er: "Es wäre kein Wunder, wenn du jetzt bei jedem Wikinger nervös wirst, dieses brutale Yakhirn." Erbballt seine Hände zu Fäusten und seine Züge verhärten sich kurz. Bei der Beleidigung, die offensichtlich auf Anak bezogen ist, bleibe ich belustigt stehen. Kaum hörbar fange ich an zu brummen, bis Fjell mir einen entschuldigenden Blick zuwirft und sich zu seiner Höhle begibt. Ich tripple von einem Bein aufs andere, während ich darauf warte, dass endgültig das Licht erlischt und die Höhle endlich verlassen ist. Erst nach einem letzten misstrauischen Blick aus meiner Zelle, wage ich es mein Maul zu öffnen und die Früchte meines Plans auf den Boden gleiten zu lassen. Leise klirrend landet der Schlüssel auf den nackten Stein. Ein triumphierendes Lächeln stielt sich auf mein Gesicht. Niemand hat es gemerkt, als ich dem Wikinger während des Kampfes den Schlüssel vom Gürtel geklaut habe! Dieser dämliche Wikinger hatte überhaupt nicht mehr daran gedacht, dass er den Schlüssel hatte, um am Anfang des Kampfes meine Zelle aufzuschließen. Rasch vergewissere ich mich noch einmal, ob die Höhle auch tatsächlich menschenleer und verlassen ist. Ich kann mir jetzt nicht erlauben, erwischt zu werden. Dieser Schlüssel ist buchstäblich mein Schlüssel zur Freiheit; mein Weg hier raus. Schnell senke ich meinen Kopf, um behutsam den eisernen Schlüssel an Schlüsselring hoch zu heben und ihn zum Gitter zu tragen. Die Schmerzen in meiner Schulter sind fast ver¬gessen. Nur ganz am Rande zieht der Schnitt bei jedem Schritt, den ich tue. Vorsichtig versuche ich den Schlüssel zwischen zwei Krallen meiner rechten Klaue einzuklemmen. Ich darf ihn bloß nicht fallen lassen.
Ich knurre in mich hinein, als ich den Schlüssel bereits zum dritten Mal nicht richtig zu fassen bekomme und er auf den Boden fällt. Das leise Klimpern hallt durch die weitläufige Höhle. Ich empfinde dieses wahrscheinlich dezente Geräusch, wie einen Donnerschlag, der in den Gängen explodiert. Ich halte zum dritten Mal inne, während ich inständig hoffe, dass niemand dieses verräterische Geräusch gehört hat. Zum Glück scheint Fjell nicht davon aufgewacht zu sein. Mein Knurren wird ungehalten und ich kicke den verdammten Schlüssel mit meiner Pfote gegen die Wand dieser dämlichen Höhle. Mit meinen Krallen kann ich den Schlüssel einfach nicht halten, geschweige denn das Schloss draußen aufschließen. Ich starre wütend auf den Schlüssel. Plötzlich wird meine Wut von Verzweiflung überlagert, als mir die Ironie dieser Situation auffällt. Ich hab mir den Schlüssel erkämpft. Ich besitze den Schlüssel zu meiner Zelle und kann doch nicht raus. Und warum das alles? Ich sitze hier, weil ich kein Mensch mehr bin und ich komme hier nicht mehr weg, weil ich verflucht nochmal Krallen habe, keine Hände. Was würde ich gerade jetzt für meine Hände geben... Ich hatte versucht, meine Gedanken, meinen Ärger über die Verwandlung erst mal zurück zu stellen. Ich musste mich doch auf das konzentrieren, was vor mir lag und mich zu beschweren hätte doch auch nichts gebracht. Ach scheiß drauf! All das wäre niemals passiert, wäre ich nicht plötzlich mit Flügeln und Krallen aufgewacht. Ich bohre letztere in den harten Untergrund der Höhle. Ich könnte jetzt bei meinen Freunden auf meiner Insel sein, stattdessen sitze ich hier fest, im Besitz des Schlüssels und doch nicht in der Lage mich zu befreien, weil ich ein verfluchter Drache bin. Vielleicht hat Anak ja Recht und es ist tatsächlich dumm weiterhin gegen etwas anzukämpfen, was ich offensichtlich, trotz meiner Mühen, nicht ändern kann. Es wäre doch einfacher schlichtweg aufzugeben; auf zu hören zu kämpfen und mein Schicksal zu akzeptieren. Dann kam ich immerhin auch niemanden mehr verletzen, der mir wichtig ist. Wut steigt in mir aus. Nein! Anan ist ein Idiot und ein Schleimer. Keine Chance, dass er mit diesem Geschwätz richtig liegt. Bei den Göttern, ich bin eine Wikingerin! Wir sind stur. Nachgeben zählt nicht zu unseren Stärken und Aufgeben schon mal gar nicht! Und ich bin sicher, das trifft auch auf Nachtschatten zu. Heiße Wut auf die Thursen und besonders Anak strömt durch meine Venen. Ich stoße ein verhaltenes Brüllen aus, als mein Blick erneut auf den nutzlosen Schlüssel fällt. Inzwischen hat sich die Hitze des Zorns in meinen ganzen Körper ausgebreitet. Vergessen sind die Verletzungen und die Hilflosigkeit. Plötzlich brodelt die Hitze auch in meiner Kehle und ich brauche ein paar Augenblicke, um zu begreifen. Ich nehme das vermaledeite Schloss ins Visier und nehme die Hitze bereitwillig an. Erlaube ihr sich weiter in meinem Rachen auszubreiten. Nun halte ich mich nicht mehr zurück und ich schicke ein lautes Brüllen durch die Höhle. Blitzhell leuchtet der Funke auf, der mein Feuer entzündet und einen gleißenden Ball aus Flammen auf das Schloss loslässt. Ich schließe schützend meine Augen, als die darauffolgende Druckwelle über mich hinweg rollt. Als ich sie wieder öffne, ist von dem Gitter, welches mich eingesperrt hat, nur noch eine verkohlte Hälfte drei Meter entfernt übrig.
Kapitel 28 – Bloß weg von hier
Ich zögere nur eine Sekunde aus Verblüffung, doch dann ergreife ich die Chance, auf die ich so lange gewartet habe. In dem Wissen, dass ich ziemlichen Krach gemacht und wahrscheinlich sämtliche Wärter in den Höhlen geweckt habe, beeile ich mich aus der Zelle heraus zu kommen und auf den Ausgang zu zustürmen. Doch auf einmal wird mein Weg versperrt. Es wäre ja auch zu schön gewesen, hätte dieser Krach Fjell in der benachbarten Höhle nicht aufge¬weckt. Nun steht ebenjener direkt vor mir und blickt erschrocken und verblüfft von der rauchenden Tür vor meinem Gefängnis zu mir. Er ist unbewaffnet, trotzdem spanne ich meine Muskeln an, bereit zu kämpfen. Mich hält jetzt nichts mehr auf! Doch Fjell mach keine Anstalten mich an zu greifen. Stattdessen bleibt er regungslos stehen. Vielleicht ist ihm mehr als deutlich bewusst, dass er zwischen einem wütenden Nachtschatten und dessen Weg in die Freiheit steht. Kurz scheint er hin und hergerissen zu sein, dann hebt er die Hände, wie um zu zeigen, dass er tatsächlich unbewaffnet ist, und macht einen Schritt zur Seite, nur einen kleinen, doch dieser gib mir den Weg frei. Ich gebe meine Angriffshaltung auf und für einen Moment stehen wir uns stumm gegenüber. In Gedanken korrigieren ich mich: Nicht alle Thursen sind grausame Yakhirne. Ich senke den Kopf zu einem dankbaren Nicken. Nach einem letzten Blick auf den Kerkermeister, laufe ich los in Richtung Freiheit. Mir ist bewusst, dass außerhalb der Höhle wahrscheinlich mehr Hindernisse auf mich warten, und diese sind im Gegensatz zu Fjell wohl durchaus bewaffnet. Wie soll ich blo... Ich stolpere fast über meine eigenen Füße, als ich von einem Moment auf den anderen mitten im Lauf stoppe. Gerade als ich an Fjells kleinen Höhle vorbeihassten wollte, entdeckte ich etwas aus den Augenwinkeln. Trotzdem beanspruchte es sofort meine volle Aufmerksamkeit, riss mich aus meinen Überlegungen und zwang mich stehen zu bleiben. Langsam gehe ich auf die Abzweigung in die Nebenhöhle zu und werfe einen genaueren Blick darauf. Und hat mein Blut eben noch vor Wut gekocht, lässt dieser Blick es mir in meinen Adern gefrieren. Dieses ganze Gerede der Thursen über einen nahenden Angriff, das Aufstocken der Waffen und ihrer Flotte. Hier hängen die Pläne an den Wänden. Vermutlich sind es die Pläne, die Anak am Abend unter dem Arm getragen hatte. Auf diesen sind deutlich die beeindruckende und erschreckende Ausmaßen der Streitkräfte von den Thursen gezeigt. Zusammen mit ein paar Strategieplänen und einer Insel. Und dieser Teil lässt mich erstarren. Diesen Umriss würde ich jederzeit wiedererkennen – Fallow... Es ist mein Zuhause! Die darauffolgende Erkenntnis lässt mich auf keuchen und entsetzt nach Luft schnappen. Die Thursen planen einen Großangriff auf meine Heimat. Ich hab die Flotten im Hafen gesehen und mir wird das Ausmaß der Gefahr bewusst. Die Thursen haben die Streitkräfte um gut und gerne unsere Flotte auseinander zu nehmen und auf Fallow ist sich wahrscheinlich niemand im Klaren über dieses drohende Unheil. Sie werden völlig unvorbereitet getroffen und dann... Ich wage es nicht diesen Gedanken zu Ende zu denken. Ich weiß nicht wie lange ich regungslos in dieser Höhle stand, doch nun löse ich mich aus meiner Starre und weiche entgeistert zurück. Ich muss sie warnen! „Svenja! Ein Glück hab ich dich gefunden. Ich dachte schon, ich müsste alle Gänge absuchen.“ Verwirrt drehe ich mich um, reiße meinen Blick geradezu von der Abbildung meiner Insel und blicke in Richtung Ausgang, von wo der Ausruf gekommen ist. Dort vor dem sternenklaren Nachthimmel zeichnet sich die Gestalt eines kleinen Drachens deutlich ab. „Rhao?“ frage ich ungläubig. „Was – was machst du denn hier?“ Immer noch stehe ich wie angewurzelt mitten in dem Gang und habe das Gefühl keinen klaren Gedanken fassen zu können. „Es ist jetzt nicht die Zeit für Fragen. Komm, wir müssen jetzt los, er wird sie nicht ewig ablenken können.“ Der Schreckliche Schrecken schaut nach draußen und blickt mich dann durchdringend an. „Komm!“ Erst jetzt bemerke ich die Rufe und Schreie von außerhalb der Höhle und plötzlich flammt ein Licht auf, welches kurz die Nacht erhellt und schnell wieder verschwunden ist. Es ist als würde ich mich jetzt auch erst wieder erinnern, wo ich bin und dass ich eigentlich fliehen sollte. Endlich reagiere ich auf die Aufforderung und setzte mich in Bewegungen. Rhao wartet geduldig bis ich bei ihm angelangt bin und bedeutet mir dann, ihm zu folgen. Leise schlüpfen wir in das nächtliche Dunkel vor den Gefängnishöhlen und mein Herz macht einen Satz als ich erkenne, was da draußen los ist. Mehrere von den Wachen halten kampfbereit Schwerter und Äxte in den Händen, doch ihr Gegner lässt sich auf keinen Nahkampf ein. Ein kurzer Angriff, eventuell ein schneller Feuerstoß und der Drache ist wieder in der Nacht verschwunden. Freude und Erleichterung breitet sich in meiner Brust aus, als für weniger als eine Sekunde Wolkensturms Drachengesicht vom Fackelschein erhellt wird und sich sein triumphierendes Brüllen in das Geschrei der Wikinger mischt. Ich muss wohl stehen geblieben sein, um die Kämpfenden zu beobachten, denn auf einmal stößt Rhao mich energisch an. „Wir hatten eigentlich gehofft, wir könnten ohne aufsehen zu erregen, hier rein schleichen, doch bedauerlicherweise wurden wir entdeckt. Los weiter!“ Mit diesen Worten flattert er los, fort von dem Gefängnis und dem Kampf, Richtung offenes Meer. Ich beeile mich, ihm zu folgen und habe ihn bald darauf eingeholt. Es ist vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt, doch ich genieße es meine Flügel wieder anständig auszustrecken und zu fliegen. Ich habe in der Tat auch nicht lange Zeit es auszukosten, denn plötzlich erklingt dumpf das Läuten der Alarmglocke über dem Hafen der Thursen. „Wir müssen uns wohl beeilen, sonst sind bald alle Wikinger der Insel hinter uns her.“, rufe ich dem Schrecken vor mir zu und drehe mich besorgt zu Wolkensturms Scharmützel mit den Gefängniswachen um. Doch ich brauche mir keine Sorgen zu machen, offensichtlich hat dieser gesehen, wie wir uns aus der Höhle geschlichen haben und hält nun mehr Abstand, beschäftigt die Wikinger aber weiterhin. Mit einem Schlag kommt Bewegung in das Dorf der Thursen und dem Hafen. Aufgeweckt durch den Lärm der Glocken wuseln Wikinger unter uns herum und Fackeln werden entzündet. Rhao nimmt eine Position direkt über meinem Rücken ein, vermutlich weil meine Schuppenfarbe am Nachthimmel weniger auffällt als seine. Ich schlage einen leichten Bogen nach rechts, damit wir nicht direkt über das Dorf hinweg fliegen, und schaue noch mal zurück zum Höhleneingang. Inzwischen ist es dort ruhig geworden. Die Wikinger stehen ratlos rum und starren in den tiefschwarzen Himmel. Wolkensturm hat sich zurückgezogen und ich entdecke ihn ein Stück hinter uns, ungesehen von den Thursen. Beruhigt lege ich einen Zahn zu, um diese Hölle endlich hinter mir zu lassen. Wir müssen hier raus und dann muss ich auf irgendeine Weise meinen Stamm warnen. Irgendwie. Doch das ist ein Problem für später. Erst einmal müssen wir hier unbeschadet raus kommen. Inzwischen ist das Wikingerdorf hell erleuchtet und die Bewohner offenbar hellwach. Nicht lange und sie werden uns entdecken fürchte ich.
Kapitel 29 – Unter Beschuss
Fast schon sind Rhao und ich über das Dorf am Hafen hinweg, doch Wolkensturm hängt noch mit Abstand hinterher. Ich drehe den Kopf und verlangsame meinen Flügelschlag, aber ich wage nicht, ihm zuzurufen, er solle sich beeilen. Allerdings höre ich eine strafende Stimme über mir: „Nicht langsamer; schneller! Er wird uns schon noch einholen! Wir müssen hier erst einmal weg!" Rhaokinchim legt noch ein wenig an Geschwindig¬keit zu und ich folge rasch seinem Beispiel, bevor ich den kleinen Drachen in der Dunkelheit aus den Augen verlieren würde. Plötzlich, gerade fliegen wir auf den Hafen hinaus, erhebt sich ein Licht von einem der Schiffe vor uns und mit einem Mal wird der Himmel von einer ganzen Flut an feurigen Geschossen hell erleuchtet. Ich sehe mich schnell nach Rhao um, doch anscheinend wurde keiner von uns getroffen. Dies war allerdings auch nicht das Ziel der Thursen, wie mir bald klar wird, als die nächste Welle an Pfeilen ziellos und willkürlich in den Himmel geschossen wird. Einer dieser Feuerbälle fliegt wenige Meter an uns vorbei. Für mich wie in Zeitlupe streift der Licht¬schein über unsere Schuppen hinweg und macht uns sicher weithin sichtbar. Wir müssen aus der Reichweite der Pfeile raus, schießt mir durch den Kopf. Nicht mal einen Bruchteil einer Sekunde später nehme ich bereits das unheilverkündende Surren der schnellen Geschosse wahr. Sie haben nur darauf gewartet. Für alle Wikinger auf den Schiffen, die den Himmel abgesucht haben, geben wir nun ein fantastisches Ziel ab. "Hoch!", schreie ich und versuche mich schnell mit kräftigen Flügelschlägen nach oben zu katapultieren. Gleichzeitig suche ich nach der Hitze in mir, die sich nach meinem Ausbruch unmerklich zurückgezogen hatte. Doch ich konnte deutlich spüren, wie sie nur unmittelbar unter der Ober¬fläche schlummert. Ganz so als würde diese Flamme nur darauf warten erneut zu zuschlagen. Als ich nun die Hitze rufe, bricht sie wieder hervor und strömt durch meinen Körper; bereit, mir zur Verfügung zu stehen. Ich lasse der Hitze und dem Ärger freien Lauf und gab ein heiseres Zischen von mir, als ich mein Maul ein Stück weit öffnete. Ich wartete bis sich genug Hitze in meinen Rachen gesammelt hatte, nur um sie einen Moment später wie eine Explosion entweichen zu lassen. Gleißende Helligkeit durchbrach die Nacht, genau wie es die brennende Pfeile der Wikinger getan hatten, und doch zerriss mein einzelner Feuerball die Dunkelheit über dem Hafen und dem pech¬schwarzen Wasser mehr als es tausend Pfeile vermocht hätten. In der Sekunde, bevor der Plasmaschuss sein Ziel trifft, scheint jeder im Umkreis von mehreren hundert Metern den Atem anzuhalten. Alles scheint ins Stocken geraten zu sein. Unter dem Einschlag bersten die Planken des Schiffes, welches ich getroffen hatte und Splitter fliegen umher. Fluchend springen Wikinger zu Seite und Chaos bricht auf dem Schiff aus. Im selben Moment nehme ich noch etwas anderes wahr. Die meisten Pfeile mussten weit unter mir hindurch geflogen sein und nur wenige konnten mir so nahe gekommen sein, dass sie eine Bedrohung dargestellt hätten. Den wenigen allerdings, die doch gefährlich nahe geklungen hatten, konnte ich wahrscheinlich nur entgehen, weil ich mit meinen großen Flügeln gleich einige Meter auf einem Mal emporgestiegen bin. Jemand mit kleineren Fliegen, wäre nicht so schnell außer Reichweite der Pfeile gelangt. Mein Feuerschuss hatte für einen kurzen Moment die Umgebung in einen lilafarbenen Schein gehüllt. Und in diesem kurzen Moment ist mir etwas auf¬gefallen, dass ich vorher übersehen hatte. Gleichzeitig ließ es meinen Atem stocken. Zuerst war es nur ein unförmiger Schatten, der schnell kleiner wurde. Ich brauche eine Sekunde, um die Eindrücke wie Puzzleteile zusammen zu setzen. Die Pfeile, die doch sehr hoch gekommen sind, und denen ich nur dank großer Flügel hatte ausweichen können. Das Fehlen des Geräusches eines kleinen Flügelschlags über mir… Meine Feuerkugel war kaum auf dem Schiff eingeschlagen und ihr Licht noch nicht einmal komplett verloschen, da stürze ich mich schon in die Tiefe, während der Schatten weiter wie ein Stein zu Boden fällt. Nein, nein, nein! Ich wollte es heraus schreien, doch aus meinem Maul drang nur ein schriller Laut, welcher weit über das Wasser hallte. Hatte ich mich eben noch nur ungefähr in die Richtung stürzen können, wo ich ihn fallen gesehen hatte, weiß ich plötzlich genau, wo er ist. Ich weiß plötzlich genau, wo alles um mich herum sich befindet. Ich hab allerdings keine Zeit mir Gedanken darüber zu machen, woher ich das auf einmal weiß, oder warum ich seither meine Umgebung klar vor Augen habe. Und das, obwohl auf allen Schiffen inzwischen die Fackeln gelöscht wurden, aus Angst sich zum Ziel eines weiteren Angriffs zu machen. Alles Licht schien verschluckt und undurchdring¬bare Schwärze hing über den Hafen vor der Insel. Vor meinem inneren Auge allerdings, konnte ich den kleinen Drachen unmittelbar unter mir ausmachen. Mich völlig auf dieses Gefühl verlassend; man könnte es beinahe als Eingebung beschreiben, strecke ich meine Klauen aus. Und tatsächlich! Ich spüre den schlaffen Körper des Schrecklichen Schreckens und noch in der selben Sekunde breite ich meine Flügel aus. Ein heftiger Rock durchfährt mich, als der Wind sich in der vollen Größe meiner Schwingen fängt und uns schlagartig auffängt und abbremst. Heftig atmend presse ich den kleinen Drachen in meinen Armen, naja Vorderbeinen, an meinen Körper und versuche an Höhe zu gewinnen. Nachdem ich mir einen Moment zum Durchatmen genehmige, werfe ich einen Blick zurück. Die klare Vorstellung meiner Umgebung war verblasst, nur an den dunkel vor dem Nachthimmel aufragenden Schemen kann ich die Schiffe ausmachen. Durch diese rasante Rettungsaktion waren wir wie ein Pfeil zwischen den Wikingerschiffen hindurch geschossen und haben einige Entfernung zurückgelegt, ohne in der Dunkelheit überhaupt bemerkt worden zu sein. Immer noch dicht über den Wellen hinweg gleitend, halte ich Ausschau nach Wolkensturm. Hatte er mitbekommen was geschehen ist? Meine Bemühungen bleiben ohne Erfolg; ich kann von dem Sturmbrecher keine Spur ausmachen. Vielleicht ist es auch gut so, überlege ich, dann werden auch die Thursen ihn nicht entdecken. Ich kann nur hoffen, dass er uns mit seinen eulenartigen Augen auch in dieser Finsternis im Blick behalten hat. Nun richte ich meine Aufmerksamkeit wieder nach vorne. Ich muss dringend einen sicheren Landeplatz finden, um nach Rhao zu sehen. Eine kleine Insel, ach, ein einfacher Stein wäre mir momentan schon recht. Ich lege noch etwas an Tempo zu als ich sehe, dass meine Hoffnung erfüllt wird. Ein nicht sehr größer, klippenartiger Felsen türmt sich in einiger Entfernung aus den Wellen auf, die heftig gegen das steil aufragende Gestein schlagen. Vorsichtig, um Rhao so sanft abzusetzen wie es mir möglich ist, setze ich zur Landung an. Besorgt schaue ich auf den bewegungslosen Drachenkörper hinab. Er liegt wie tot vor mir und fast fürchte ich mich, ihn näher zu betrachten, was meine Befürchtungen bestätigen könnte. Grausam ragte der Schaft eines Pfeils aus der Seite des Drachens hervor. Mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen, als der kleine Schrecken stöhnend ein Lebenszeichen von sich gibt. Unter großer Kraftanstrengung versucht Rhao sich aufzurichten. Behutsam halte ich ihn auf und drücke ihn sanft wieder zu Boden. „Nicht bewegen. Keine Sorge, du bist in Sicherheit" , beruhige ich ihn leise. Meinen Rat folgend sinkt Rhao zurück, sein Atem geht weiterhin nur flach und rasselnd. Hilfesuchend bliche ich auf das Meer hinaus. Wann kommt Wolkensturm? Völlig überfordert richte ich meinen Blick wieder auf den verwundeten Drachen. Was kann ich bloß tun? Er wird verbluten, wenn ich nichts unternehme! „Beschreib mir was du siehst." murmelt Rhao schwach. „Was?" frage ich überrascht nach, ob ich ihn richtig verstanden habe. Ein bisschen gereizt, fährt Rhao mich an: „Was siehst du?!“ „Ähm..." kurz zögere ich, „Ein Pfeil steckt in deiner Schulter, knapp unterhalb deines Flügelgelenks." , antworte ich wahrheits¬gemäß. Keine Zeit, um es beschönigend auszudrücken. "OK..." Rhao gibt ein schrecklich klingendes Hüsteln von sich, bei dem sein kleiner Körper durchgeschüttelt wird. „Okay, du musst den Pfeil entfernen. Schnell, aber vorsichtig, alles klar?" Ich starre ihn entgeistert an. „Nein, absolut nicht." , rufe ich verzweifelt aus, „Ich kann ihn doch nicht einfach rausziehen, du wüstest verbluten, oder nicht?" "Du musst die Wunde nur schließen. Nachtschattenspeichel wirkt überaus blutgerinnend und beschleunigt die Heilung." , gibt Rhao mir Anweisungen. "Und jetzt los!"
Kapitel 30 – Getrennte Wege
Völlig entkräftet lasse ich mich neben den grüngeschuppten Schrecken plumpsen. Nachdem Rhao die Besinnung verloren hatte, habe ich gebangt, dass ich die Wunde schließen könnte und schließlich - endlich! - gerann sein Blut und fürs erste kann ich verschnaufen. Ich hab in den letzten Tagen und Nächten nicht nur einen kräfteverzerrenden Kampf mit geübten Kriegern und eine gefährliche Flucht hinter mir, aber das alles kommt nicht an die letzten schweißfordernden Minuten heran. Während ich wie besessen mit meiner Zunge über die klaffende Wunde an der Seite des kleinen Drachen gefahren bin, habe ich inständig gehofft, dass er mit der heilenden Wirkung Recht behalten möge und Odin im goldenen Walhall noch eine Weile auf den alten Drachen verzichten würde. Keine Walküren erschienen, um den im Kampf Gefallenen abzuholen und ich horche aufmerksam auf das noch schwache, aber gleichmäßig schlagende Herz neben mir. Vielleicht ist an dieser mysteriösen Kraft der Nachtschatten, von der Rhao erzählt hatte, doch etwas dran. Ob es daran lag, dass der kleine Schreckliche Schrecken noch atmete, es der Segen der Götter war oder einfach nur unverschämtes Glück, ist mir jedoch völlig egal. Er lebt noch, das ist alles was zählt. Plötzlich mischt sich ein seltsames Flattern unter das dumpfe Pochen und ich springe besorgt auf, bis mir klar wird, dass dies nicht von den kleinen Herzen stammt. Ich lasse mich zurück sinken und den Blick über das Meer schweifen. Und tatsächlich schießt über den Wellen ein geflügelter Schatten entlang. Wolkensturm! Er hat offenbar gesehen in welche Richtung ich mit Rhao geflohen bin, uns jedoch noch nicht auf dem Felsen entdeckt. Um auf mich aufmerksam zu machen, hebe ich die Flügel und stoße einen kurzen Schrei aus. Sofort zuckt sein Blick zu mir und schon aus der Entfernung bemerke ich die Besorgnis darin glitzern. Nun weniger suchend, sondern zielstrebig an Geschwindigkeit zulegend kommt Wolkensturm näher. Einen Steinwurf von mir entfernt stopp er seinen Flug abrupt, indem er alle seine Flügel zur vollen Größe entfaltet. Beeindruckend bremsen die zwei Flügelpaar seine Geschwin¬digkeit in wenigen Augenblicken und ohne Zeit zu verlieren landet er direkt neben seinem alten Freund. „Was ist passiert?“, will er von mir wissen, als Rhao sich nicht regt. Eilig gebe ich ihm eine Zusammenfassung, was über dem Hafen geschehen ist, doch beruhigen kann ich ihn nicht. Ich habe selbst keine Ahnung, ob es genug war, was ich getan habe. Hätte ich mehr für ihn tun können? „Nein.“ Wolkensturm schüttelt entschieden den Kopf, als ich die Frage laut ausspreche. „Ich bin sicher, du hast alles getan, was in deiner Macht stand.“ Traurig schaut er hinunter auf den kleinen Drachen, dessen Schuppen im fahlen Licht des nur halb vollen Mondes grau und blass wirken. „Jetzt können wir nur warten bis er auf¬wacht.“ Mit diesen Worten rollt er sich um Rhaokinchim zusammen und legt schützend seinen langen Schwanz um sie beide. „Wie habt ihr mich eigentlich gefunden? Ich hatte befürchtet, du wärst... tot.“ , frage ich halb, um mich abzulenken, halb, weil mir die Erinnerung an seinen Absturz noch lebhaft vor Augen erscheint. Auch Wolkensturm scheint gegen eine kurze Ablenkung nichts einzuwenden zu haben, solange er ansonsten nur tatenlos herum liegen konnte. Er schüttelt seinen breiten, hornbesetztes Kopf: „Nein, ich war kaum verletzt. Lediglich einer dieser winzigen Pfeile halte mich getroffen. Doch kein Flügelschlag später hat mich dieser wie ein Stein vom Himmel geholt. So etwas hab ich noch nie erlebt. Es war...“ „…als würde man sich in der Luft verheddern.“ , beende ich seinen Satz, als er nach Worten suchend inne hält. Noch zu gut erinnere ich mich an das Gefühl. „Ja. Schwimmen ging und Rhaos Insel war nicht zu weit entfernt.“ , setzt Wolkensturm seine Erzählung fort. Ich nicke während seiner Erzählung und versuche mir meine Abwesenheit in Gedanken nicht anmerken zu lassen. Neben Rhaos Überleben spukt mir noch ein anderes Thema im Kopf herum und ich kann meine Gedanken nicht davon abhalten sich im Kreis zu drehen bis mir beinahe schwindlig wird. Eine Erkenntnis steht über allen, mitten in dem Chaos in meinem Kopf: Mein Stamm ist verloren, wenn die Thursen sie unerwartet treffen. Ich kann Wolkensturm kaum folgen als er weiter berichtet: „Rhao ist den zwei Schiffen gefolgt, er allein war unauf¬fälliger, und hat mich später zu dieser Insel geführt.“ Wie ein bedrohlicher Schalter schwebt der Gedanke an die Bedrohung meines Stammes über mir. Das kann ich nicht zulassen. Ich muss sie warnen oder es zumindest versuchen. „Wenn Rhao wieder aufgewacht ist und es ihm gut genug geht, bringen wir ihn zu seiner Insel zurück und...“ „Nein.“ unterbreche ich ihn leise, noch zu sehr in Gedanken, um wirklich auf ihn zu achten. „Was?“ , fragt Wolkensturm erstaunt. „Nein,“ , wiederhole ich nun etwas lauter, „nicht wir.“ So sehr es mir auch leid tut, sie beide ausgerechnet jetzt zu verlassen, begegne ich Wolkensturms erstauntem Blick mit Entschlossen¬heit. Meine Entscheidung steht fest. „Ich bin euch beiden unglaublich dankbar, dass ihr mich da raus geholt habt, ehrlich. Aber ich kann euch nicht begleiten.“ „Warum?“ , Wolkensturm spricht es nicht aus, allerdings kann ich ihm ansehen wie er sich fühlt: verraten. Es versetzt mir einen Stich ins Herz, etwas, das ich gegenüber einem Drachen für undenkbar ge¬halten habe. Flehend sehe ich ihm in die Augen. „Du musst mir einfach vertrauen, dass es wichtig ist. Es geht um Leben und Tod.“ „Warum?“ , fragt der Sturmbrecher erneut, diesmal mit Nachdruck. Ich wiege meinen Kopf hin und her, dann seufze ich. „Ich muss zurück zu der Insel, bei der wir uns getroffen haben. Bei den Wikingern, die mich gefangen gehalten haben, den Thursen, habe ich etwas erfahren: Sie wollen einen anderen Stamm angreifen, der auf einer der Inseln lebt, in deren Nähe wir uns getroffen haben. Ich muss dahin, um sie zu warnen, sonst würden die Thursen sie einfach überrollen.“ Ich erwarte gar nicht erst, dass der große Drache versteht, weshalb ich das tue. „Dann lass sie sich doch gegenseitig abschlachten. Das ist nicht dein Problem. Viel eher gerätst du dazwischen und wirst verletzt. Warum also dieses Risiko eingehen?“ , will Wolkensturm wissen. „Das kann ich nicht. Ich kann es dir jetzt nicht erklären, aber ich werde alles versuchen, um den Tod dieser Wikinger abzuwenden.“ „Sie hat Recht. Sie muss das tun.“ , höre ich nun eine Stimme unter den zwei Schichten Sturmbrecher-Flügeln hervor kommen. Sie klingt noch dünn und schwach, aber klar zu verstehen. Rhao! Hastig hebt Wolkensturm seine Flügel und gibt den Blick auf den grünen Drachen frei. „Du bist aufgewacht!“ , ruft Wolkensturm freudig aus. Für den Moment ist unser Streit vergessen. Rhao nicht bedächtig und wendet den Kopf, um sich seine Wunde anzuschauen. „Ja, dank Svenja, schätze ich.“ Er blickt mir in die Augen und ich antworte auf sein stummes ‚Danke’ mit einem Nicken. „Ihr beide habt mir geholfen da raus zu kommen. Es war das Mindeste was ich tun konnte.“ , winke ich ab. Nun ruht wieder Wolkensturms unergründlicher Blick auf mir, in dem aber deutlich seine Verwirrung und sein Missfallen mitschwingen. „Dann komm mit uns mit, anstatt dich bei irgendwelchen Wikingerangelegenheiten einzu¬mischen, bei denen du nur verletzt wirst.“ Mein Herz zieht sich bei seinen Worten zusammen. Er versteht nicht, warum ich das tun muss. Er kann es nicht verstehen. Wie könnte ich das auch von ihm erwarten? Zu unser beider Überraschung, ergreift Rhao für mich Partei: „Dies ist auch ihre Angelegenheit und sie muss diesen Wikingern beistehen. Lass sie ziehen, Wolkensturm.“ „Warum? Was kümmert euch beide ein Streit zwischen Wikingerstämmen?“ Voller Unverständnis schüttelt der Sturmbrecher den Kopf. „Ich werde es dir erklären, versprochen.“ Ich seufze, aber so langsam spüre ich mit jeder Minute die vergeht, wie die Zeit verrinnt, die mir noch bleibt, um meinen Stamm zu warnen. Wie auch immer ich das schaffen will. Als könnte er meine Gedanken lesen, schwingt in Rhaos Stimme nun absolute Überzeugung mit: „ Ich glaube an dich, und dass du es schaffen wirst, Schlimmeres zu verhindern. Und wenn wir Glück haben, erreichst du noch viel mehr, als alle für möglich halten. Ich träume schon lange von einem erneuten Frieden zwischen Drachen und Wikingern. Meine Hoffnung schwand die Jahre und Jahrzehnte über. Doch als ich dich sah, wusste ich, dass du es möglich machen könntest. Du kannst eine Zeit des Friedens einläuten.“ Die Inbrunst in seinen Worten macht es schwer, nicht daran zu glauben und so nicke ich überzeugt. Ich werde meinen Stamm vor der drohenden Gefahr warnen und dann vielleicht auch überzeugen, dass die Drachen nicht unsere Feinde sein müssen.
Kapitel 31- Wiedersehen
Mit einem Schlag reiße ich meine Augen auf. Was ist passiert? Hektisch wandert mein Blick über meine Umgebung. Keine Wände, weder aus Fels, noch aus Holz oder sonst was. Dafür Wald um mich herum und der freie Himmel über mir. Nur langsam kann ich meine Erinnerungen an den vergangenen Tag zusammensetzen. Ich fühl mich wie erschlagen. So erschöpft...
Ich habe es irgendwie geschafft die Strecke bis Fallow in Rekordzeit zurück zu legen. Keine Ahnung wie ich das gemacht habe. Wolkensturm sah sehr unzufrieden aus, als wir uns getrennt haben. Er hat aber nicht weiter versucht mich auf zu halten und ist mit Rhao in die entgegengesetzte Richtung geflogen. Es tat mir leid ihn zu enttäuschen, aber ich musste mich beeilen. Ich habe heraus gefunden, dass Nachtschatten ziemlich schnelle Flieger sind, was mir zugute kam. Während der nur kurzen Stopps, die ich eingelegt habe - viel zu kurz und selten um wirklich erholsam zu sein - war ich ruhelos, obwohl der lange, monotone Flug an meinen Kräften zerrte und meine Wunde beständig pochte, als wollte sie mich daran erinnern wie die Sekunden verrinnen. Irgendwie hab ich es geschafft das alles auszublenden. Meine Gedanken schwirrten sowieso nur um eine schreckliche Gewissheit: Wenn ich nicht rechtzeitig ankomme, haben sie keine Chance mehr! Die Furcht und die Sorge um meine Familie trieben mich an und immer weiter. Einfach weiter. Als ich Fallow von Weitem am Horizont auftauchen sah, bin ich vor Erleichterung aus den Rhythmus gekommen. Der Anblick meiner Insel hat mich beinahe überwältigt. Mein ganzes Leben habe ich auf dieser Insel verbracht, bin durch den Wald getobt, auf die Felsen geklettert, bin in den Seen geschwommen. Doch noch nie wirkte Fallow so wunderschön, wie in diesem Moment aus der Luft nach einer Zeit, die mir vorkam wie eine Ewigkeit. Ein warmes Gefühl breitet sich in meinen Bauch aus. Ich bin zu Hause. Wie hatte ich nur denken können, meine Heimat für immer zu verlassen? Ich erinnere mich wie ich nicht auf meinen bleiernen Flügelschlag oder meine zitternden Flügel achtete, ich erhöhte meine Geschwindigkeit. Ich war zu Hause! In jeder Faser meines Körpers konnte ich es spüren. Zu Hause. Mit Mühe, aber einem Gefühl von überschwänglicher Freude schleppte ich mich über die Adlerfelsen. Erst am Waldrand genehmigte ich mir runter zu gehen. Ich stolperte mehr als das ich landete, überglücklich daheim zu sein. Nicht in der Lage einen weiteren Schritt zu machen, brach ich zusammen und dann wurde schlagartig alles schwarz.
Ich merke, dass ich es gut gebrauchen könnte mich einfach wieder in dem gemütlichen Gras zu meinen Füßen zusammen zu rollen, um gut und gerne eine Woche durch zu schlafen. Aber das mache ich nicht. Ich kann nicht. Genüsslich atme ich tief ein und genieße den Geruch. Zuhause. Aber ich kann es nicht wirklich auskosten, ich hab noch was zu tun! Ein lautes Knacken lässt mich zusammen zucken. Ich bin zwar endlich wieder zu Hause, doch damit ist noch lange nicht alles vorbei. Die Thursen sind weiterhin damit beschäftig die letzten Vorbereitungen zu treffen, um meine Heimat anzugreifen. Vielleicht sind sie inzwischen sogar schon fertig und bereits auf den Weg hier her. Schnell überschlage ich die Tage. Im absolut schlimmsten Fall könnten sie in zwei Tagen schon hier sein. Außerdem bin ich nach wie vor ein Drache - ich sollte mich von meinen Stamm fernhalten. Vorsorglich ducke ich mich hinter einen großen Busch und luge durch das Gestrüpp. Niemand ist zu sehen. Vielleicht war es nur ein Tier. Es raschelt erneut, diesmal näher. Doch kein Tier. Ein Geruch steigt mir in die Nase. Er ist so vertraut, dass sich mir ein Kloß im Hals bildet. Ich habe ihn nie so stark wahrge¬nommen, wie jetzt als Drache, aber mir wird klar, wie sehr ich diesen Geruch ver¬misst habe. Vielmehr die Person, zu der dieser Geruch gehört. Ich stehe wie angewurzelt da, außerstande mich von der Stelle zu rühren. Nur wenige Meter neben mir teilt sich das Unterholz und eine Wikingerin tritt hervor. Beim Anblick meiner besten Freundin habe ich das Gefühl mir träten Tränen in die Augen. Können Drachen überhaupt weinen? Ihr eben noch so entspanntes Lächeln entgleist und verwandelt sich in Erschrecken. Wie versteinert bleibt Eona mitten in der Bewegung direkt neben mir stehen. Langsam, wie um keine Aufmerksamkeit zu erregen, greift ihre Hand zu ihrer Waffe hinter ihrem Rücken. Blitzschnell und nur wenige Sekunden später hat Eona das Schwert gezogen und auf mich gerichtet. Ich versuche so ruhig wie möglich zu bleiben, und gleichzeitig so wenig bedrohlich aus zu sehen wie ich kann. Wenn ich etwas auf alle Fälle vermeiden will, dann ist es mit meiner besten Freundin zu kämpfen. Mein Blick fällt auf das Schwert in ihrer Hand - mein Schwert. Sie hat es behalten. Eonas Griff darum verkrampft sich, als sich unsere Blicke begegnen. Ich hoffe, dass sie in meinem Blick den gleichen Schmerz erkennt, den ich in ihren Augen sehe. Schmerz, Wut, Trauer und ein bisschen Angst, aber auch Entschlossenheit. Mir wird klar, dass sie wohl denken muss, ich hätte ihre Freundin auf dem Gewissen. Noch immer stehen wir uns regungslos gegen¬über, Wikinger und Drache, und schauen uns stumm in die Augen. Ich kann ihr vielleicht nicht sagen, was mir auf der Zunge liegt: Wie sehr ich mich freue sie zu sehen. Wie sehr es mir Leid tut und wie sehr es schmerzt so nah bei meiner Familie zu sein und doch Welten entfernt. Das alles kann ich ihr nicht sagen, deshalb versuche ich so viel davon in meinen Blick zu legen, wie es mir möglich ist. Langsam drehe ich mich ihr vollständig zu und hebe den Kopf auf gleiche Höhe mit ihrem, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. In der ersten Sekunde verstärkt Eona den Griff um das Schwert, sodass ihre Knöchel weiß hervortreten, doch als sie merkt, dass kein Angriff folgt, sackt das Schwert langsam ab. Obwohl die Schwertspitze nun gen Boden gerichtet ist, habe ich keine Zweifel, dass meine Freundin jederzeit die Möglichkeit hätte, zu zuschlagen. Doch nun mischt sich in ihren Blick noch etwas anderes: Verwunderung. Sie löst ihren Blick von meinem und betrachtet den Nachtschatten, in dessen Körper ich stecke. „Wieso habe ich das Gefühl dich zu kennen?“, ihre verwirrte Frage ist nur ein Flüstern. „Deine Augen...“ Begeistert nicke ich. Ja! Das Krachen eines brechenden Astes zerreißt die Stille des Waldes, welche uns bis dahin umgab. Schnell scanne ich die Umgebung. Etwas weiter entfernt im Wald erkenne ich schemenhaft weitere Wikinger. Trauer erfüllt mich erneut, als ich die Schemen als meine Freunde identifiziere. Am liebsten würde ich zu ihnen rennen, sie umarmen und ihnen sagen, wie sehr ich sie vermisst habe. Aber das kann ich nicht und mir ist bewusst, dass ich mein Glück nicht überstrapazieren sollte. Schweren Herzens werfe ich Eona noch einen traurigen Blick zu, und verschwinde dann in den Büschen.
Kapitel 32 – Fragen, Antworten und Geheimnisse
Hastig schnappe ich mir den Fisch vor meiner Nase und verschlinge ihn, sowie drei weitere ohne zu kauen. Nach und nach verschwindet mein eilig gefangenes Mittagessen in meinen Magen. Eigentlich hatte ich gleich daran arbeiteten wollen, eine Lösung für mein Problem zu finden, doch mein laut protestierender Magen hat mich schnell umgestimmt. Also hatte ich entschieden, dass es sich mit vollem Bauch besser Pläne schmieden lässt. Und bei Odin, ein Plan ist jetzt genau das, was ich brauche... Wie soll ich nur irgendwem klar machen, in welcher Gefahr sie sich befinden? Eona hat mich immerhin nicht sofort umbringen wollen, allerdings kann ich diese Zurückhaltung wohl kaum von den anderen Wikingern meines Stammes erwarten. Also ist Eona meine einzige Möglichkeit. Bleibt nur noch die Sprachbarriere, die es zu überwinden gilt. Ich seufze und schlucke den letzten Fisch hinunter. Ich hoffe, ich habe meine Freundin neugierig genug gemacht, sodass sie noch einmal alleine in den Wald kommt. Und dann kann ich... was ich machen könnte, wird mir hoffentlich noch einfallen. Ich mache mich auf zu den Bergen, die über meinem Dorf aufragen, zu fuß durch den Wald. Es wäre sicher deutlich schneller gegangen zu fliegen, aber ich will meinen Muskeln noch eine Pause genehmigen. Als ich jedoch mühsam über die ersten Felsen ge¬klettert bin, wird mir klar, dass Nachtschatten wohl nicht wirklich zum Klettern gemacht sind. Die letzte Distanz lege ich also in der Luft zurück. Die Mittagssonne bricht durch die Wolkendecke und wirft wärmende Strahlen auf den Felsvorsprung, auf dem ich mich nun niederlasse. Er ist hoch über dem Dorf gelegen und bietet einen tollen Ausblick darauf, ich brauche mir aber keine Sorgen machen, dass ich entdeckt werden könnte. Vom Boden aus kann man das Plateau nicht einsehen. Da es jetzt erst mal heißt zu warten, strecke ich meine müden Flügel in der Sonne aus. Während ich meinem Körper Ruhe gönne, zermartere ich mir den Kopf, wie ich Eona die Gefahr begreifbar machen kann. Ich schaffe es irgendwie nicht wirklich, mich zu konzentrieren. Sorgenvoll mustere ich erst mein Dorf, dann lasse ich meinen Blick über den Horizont schweifen. Endloses Meer, keine Schiffe. Seufzend lege ich den Kopf auf die Pfoten und beobachte mein Dorf. Ich fühle mich merkwürdig unbeteiligt und von allen abgeschnitten, als ich den normalen Alltag im Dorf verfolge. Ich sollte da unten sein. Mithelfen bei irgendwelchen langweiligen Arbeiten, über die ich mich dann beschwert hätte. Mein Vater hätte mir mal wieder mit großen Worten erklärt, wie wichtig es für einen angehenden Häuptling ist, für seinen Stamm da zu sein, in ein und demselben Vortrag, den ich immer in solchen Momenten zu hören bekam. Oder ich hätte Tyr dabei zugesehen, wie er mal wieder eine seiner komischen Ideen in der Schmiede ausprobiert. Bei den ersten Versionen passiert immer etwas völlig Unvorhergesehenes, sodass ich sogar ein ums andere Mal in Deckung gehen musste. In der Regel wurde das Problem schnell erkannt und behoben, doch manchmal tüftelte Tyr tagelang in der Werkstatt. Dann würde man ihn nicht eher wieder draußen antreffen, bis er das Problem beseitigt hätte. Ich starre in Gedanken versunken auf mein Zuhause, während die Wolkenschatten über die Dächer und Wege des Dorfes hinweg jagen. Verträumt lausche ich den mir nur allzu vertrauten Geräuschen: Den knarzenden Räder der Holzkarren auf dem Dorfplatz, das Schlagen von Tauen der Boote an den Steg, das Blöcken der Schafe, der Schrei eines Adlers, das beständige und allgegenwärtige Rauschen der Wellen. Fast hätte ich Eona nicht bemerkt, die über den Dorfplatz gelaufen kam und den Weg in Richtung Wald einschlägt. Allein. Sofort springe ich auf. Immer noch ohne Plan, aber mit wohliger Vorfreude, werfe ich mich in den Wind.
Ungeduldig erwarte ich meine beste Freundin, an der gleichen Stelle, wie zuvor. Hier wird sie zuerst nach mir suchen. Einer Eingebung folgend klopfe ich einen freien Teil des Waldbodens mit meinen Schwanz platt. Es ist nicht ideal, aber aufgrund fehlender, besseren Ideen, bleibt mir kaum etwas anderes übrig, um mich verständlich zu machen. Ich betrachte die Fläche, die ich somit geschaffen habe. Besonders groß ist sie nicht, doch für ein paar Worte wird sie reichen. In diesem Moment nehme ich das Rascheln wahr. Langsam, um sie nicht zu erschrecken, drehe ich mich um. Noch ist bei weitem nicht alles Misstrauen und Schmerz aus Eonas Blick verschwunden, doch ich meine, Neugierde und Unglaube in ihren Augen aufblitzen zu sehen. Als wollte sie mich daran erinnern, dass es da ist, wechselt sie ihr Schwert in die andere Hand. Sie wirkt nervös. Eine Weile betrachtet sie mich nur, ohne ein Wort zu sagen, doch ich sehe es ihr an, dass ihr einige Fragen auf der Zunge brennen. Würde es mir nicht genauso gehen? Ihr scheint wieder der Teil einzufallen, wo wir unterbrochen wurden. Zögernd fragt sie: „Wir kennen uns also?“ Ich bin sicher, das ist nicht die Frage, die ihr als erstes in den Sinn gekommen war. Allerdings ist sie vermutlich einfacher zu stellen, als die Frage, die ich selbst fürchte. Bedächtig nicke ich. Deutliche Verwirrung zeichnet sich in ihren Zügen ab. „Wie kann das sein? Ich bin mir ziemlich sicher, noch nie einen Nachtschatten gesehen zu haben.“ Wieder nicht ihre eigentliche Frage. Aber wie soll man auch fragen, ob der Drache, mit dem man gerade plaudert, seine Freundin gefressen hat? Wobei besagter Drache einen nach allen Lehren der Wikinger eigentlich selbst angreifen sollte, anstatt sich mit Fragen löchern zu lassen. Und wie, bei den Göttern, soll man erklären, dass man nicht gefressen wurde, sondern –vermutlich - von einem verdammten Stein verwandelt wurde? Ich weiß weder darauf, noch auf die Frage, die sie tatsächlich gestellt hat, eine Antwort. Eigentlich ist das gerade auch gar nicht wichtig, rufe ich mir ins Gedächtnis. Ich muss ihr klar machen, dass sie und der gesamte Stamm in großer Gefahr schweben! Offensichtlich fällt Eona jetzt erst etwas auf: „Warte, du verstehst was ich sage?“ Erneut nicke ich, eine sehr einseitige Unterhaltung. Diese Frage ist auf jeden Fall leichter zu beantworten. „Okay...“ Eona atmet tief durch. „Du warst an dem Tag hier, als meine Freundin verschwunden ist, oder?“ Es war dieses Mal weniger eine Frage als vielmehr eine Feststellung. Ich fürchte, ich ahne was nun kommt. „Weißt du, was mit ihr passiert ist?“ Eona scheint darauf bedacht nur Ja-oder-Nein-Fragen zu stellen. Nervös senke ich den Blick. Was soll ich bloß antworten? Sie wird weiter fragen, wenn ich nicke und die nächsten Fragen werde ich kaum beantworten können. Außerdem läuft uns die Zeit weg. Ich seufze. Dann schüttele ich den Kopf. Enttäuschung spiegelt sich in den Blick meiner Freundin wieder. Ich kann nur vermuten ,ob sie meine Lüge durchschaut hat. Sie macht Anstalten zu gehen, doch ich springe ihr in den Weg. Sofort richtet sich die Schwertspitze auf mich, keinen Schritt von meiner Nase entfernt. „Was willst du?“ , feindselig funkelt sie mich an. Gute Frage. Das hier wäre deutlich einfacher, wenn ich ein Mensch wäre. Warum also bin ich nicht schon längst auf der Suche nach diesen merkwürdigen Stein, in der Hoffnung, dass dieser mich zurück verwandelt? Ich schiebe diese Frage beiseite, es gibt dringendere Probleme. Das jedenfalls rede ich mir ein. Tief im Inneren weiß ich, dass ich Angst vor der Antwort auf diese Frage habe. Angst was es für mich bedeutet. Behutsam gehe ich um Eona herum, zu dem plattgeklopften Erdboden. Ich spüre deutlich ihren Blick auf mir, der jede meiner Bewegungen verfolgt. Vorsichtig fahre ich mit einer Kralle durch den weichen Waldboden. Es ist lediglich Platz für zwei Worte, doch die werden hoffentlich genügen. Eona ist neben mich getreten und hat sehr irritiert zugesehen, wie ich die Runen aufschrieb. Die Farbe weicht aus ihrem Gesicht, als sie die Worte schließlich vorließt: „Angriff, Thursen.“
Der in die Jahre gekommene Flüsternde Tod blieb mitten in der Luft weit über dem schäumenden Meer stehen. Eigentlich wollte er es nicht tun, wirft aber dennoch einen Blick zurück. Einen Blick zurück auf die Insel, die für so lange Jahre sein Gefängnis dargestellt hatte. Jetzt war er frei und es war ein fantastisches Gefühl. Jedoch beachtete er die Insel kaum, er wollte sie nie wieder sehen. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf drei schwarze, immer kleiner werdende Punkte am Himmel. Ihnen hatte er seine neugewonnene Freiheit zu verdanken. Er verdankte ihnen viel und den Drachen ließ das Gefühl nicht los, er könne ihnen noch mehr helfen, als ihnen nur die Richtung zu weisen. Schließlich, als die schwarzen Punkte kaum mehr auszumachen waren, wandte sich auch der Flüsternde Tod von der Insel ab und flog seiner Wege.
Nur wenige Tage später machte er auf einer spärlich bewachsenen Insel Rast. Wie die steinige Umgebung vermuten ließ, befand sich auf den Felsen dieser Insel eine Gruppe Gronkel, die geschäftig Steinbrocken aufsammelten. Inzwischen hatte der Flüsternde Tod einen Entschluss gefasst, wie er seinen Rettern hoffentlich helfen würde. Die Gronkel machten respektvoll Platz und schauten von ihrem Mittagessen auf, als der stachelige Drache landete. „Meine Freunde,“ begann dieser, entschlossen seinen Plan in die Tat um zu setzen, „Ich bitte euch mir kurz zuzuhören. Ihr müsst wissen ich war noch vor kurzer Zeit Opfer der Wikinger und ihr Gefangener.“ Bei diesen Worten erfüllte missgünstiges Gemurmel die Luft, zusammen mit leisen Flüchen auf die Menschen. „Befreit wurde ich von Nachtschatten. Diese suchen nach einem Mitglied ihrer Familie. Würdet ihr mir helfen, ihnen zu helfen und diese Geschichte erzählen?“ fragte der Flüsternde Tod und schaute abwartend in die Gesichter der umstehenden Drachen. Erst als diese zögerlich, aber bald tüchtig nickten, fuhr er fort: „Er ist der Anführer der Nachtschatten-Kolonie auf der sagenumwobenen Insel der Nacht. Vor gut einem Jahrzehnt hat er seinen Sohn bei einem grausamen Angriff eines Wikingerstammes verloren..."
Die Gruppe von Gronkeln verstreute sich schnell in alle Himmelsrichtungen. Einer flog über das tiefe Meer im Osten, als sich plötzlich unter ihm ein Schatten näherte. Ein gewaltiger Glutkessel stieß vor dem pummeligen Drachen aus den Wellen, das Maul weit aufgerissen und voller Fisch. Auf die Frage, was ein Gronkel so weit weg von seiner Insel mache, erzählte er die Geschichte, die ihm der Flüsternde Tod mit auf den Weg gegeben hatte: „... Er und seine zwei Töchter versuchen nun die Spur nach so langer Zeit wieder aufzunehmen, um den verschollenen Sohn zu finden. Dieser Nachtschatten wird auch als der Graue Dämon bezeichnet und ist entschlossen den ganzen Ozean zu überqueren, wenn es sein muss...“
Nachdem der Drache im Wasser die Geschichte gehört hatte, trennten sich ihre Wege und der Glutkessel setzte seine Reise fort. Sein Ziel war eine Insel, die eine beliebte Zuflucht für Drachen aller Arten darstellte. Auf dieser Dracheninsel traf er einen Holzklau und auch diesem wurde die Geschichte des Nachtschattenvaters erzählt: „... Er hat die Insel aufgespürt, auf die sein Sohn Dornenblick, nach dem folgenschweren Kampf mit den Wikingern, entführt wurde. Indem er die dort gefangenen Drachen befreite, erfuhr er mehr über die Flucht seines Sohnes und folgt dieser Spur seither von einer Insel zur nächsten.“
Von der Dracheninsel aus machte sich der Holzklau auf den Weg zu stärker bewaldeten Inseln. Während seines Fluges kam er an einer bewaldeten Insel mit einem hohen Berg vorbei. Fast schon wollte er landen, doch er bemerkte noch rechtzeitig die Schiffe und Bauten von Wikingern. Also flog er weiter und trug die Geschichte des Nachtschattenvaters in weit entfernte Teile der bekannten Welt.
Am Horizont war er nur noch als schwache Silhouette zu erkennen, als von dieser einen Insel ein schwarzer Drache in den Himmel aufstieg. Der Nachtschatten kümmerte sich nicht um den weit entfernten Drachen und schlug mit seinem Reiter eine andere Richtung ein.
Genüsslich strecke ich meine Flügel, während der Wind heftig an ihnen zerrt und droht mich mit zu reißen. Ich lenke ein wenig zur Seite und lasse mich auf einer Böe weiter aufs Meer hinaus tragen. Mit ein paar kräftigen Flügelschlägen bringe ich mich weiter in die Höhe und gleite sanft durch Wolken hindurch, während ich das fast endlos erscheinende Meer tief unter mir betrachte. Faszinierend und Beängstigend zugleich rauschen die Wellen unter mir hinweg. Ich hasse vielleicht Wasser, aber trotzdem muss ich zugeben, dass das Meer mich fasziniert. Allerdings will ich gar nicht wissen, was gerade unter mit in den Tiefen des dunklen Wassers lauert. Mein Blick schweift zum Horizont und eine Weile gleite ich einfach nur dahin. Dann plötzlich lege ich meine Flügel an und lasse mich in die Tiefe fallen. Die Schwingen eng an meinen Körper gepresst kann ich nur mit meinem Schwanz ein wenig meine Flugbahn korrigieren. Nur Sekunden bevor ich auf den Wellen aufgeschlagen wäre, breite ich meine Flügel aus und lasse die Luft unter meine Schwingen fassen. Durch den Druck des Windes werde ich in die Höhe katapultiert und ein Schrei voller Freude entfährt mir.
Ein kleines Gegenstück zu der anderen Kurzgeschichte "Ragnarök" Viel Spaß beim lesen ^^
Ragnarök - Die andere Seite der Medaille
„Na los kommt schon rein, es wird bereits dunkel!“
Dem Ruf folgend stolpern drei Drachenküken in das Nest des Abltraumweibchens. Noch in ihrem Spiel vertieft rangeln die drei kleinen Albträume miteinander und scheinen nicht daran interessiert zu sein, sich sobald schlafen zu legen. Liebevoll stupst die Mutter ihre Jungen in die Mitte ihres Nestes und umschließt ihre kleine Familie mit ihrem langen, schmalen Drachenschwanz. Während die anderen sich ergeben an den Bauch ihrer Mutter kuscheln, bleibt das dritte Küken trotzig sitzen.
„Ich will noch nicht schlafen, Mama.“
Den Kleinen sanft mit ihrer Zunge liebkosen, drängt sie ihn zu den anderen.
„Was wäre, wenn ich euch noch eine Geschichte erzähle?“
Sofort springt das zweite auf.
„Ja!“
„Welche Geschichte möchtet ihr denn hören.“
Nun ist auch das letzte der Jungen wieder hellwach.
„Erzähl uns wie ihr die Wikinger vertrieben habt, als sie her kamen.“
Das Junge springt übermütig auf einen imaginären Gegner und zerfetzt ihn in der Luft.
„Na Gut, aber danach wird geschlafen.“
Nachdem sich die drei jungen Albträume wieder an ihre Mutter gekuschelt haben, beginnt sie zu erzählen:
„Es war ein nebliger Tag, als das Schiff unweit unserer Küste entdeckt wurde. Der Eiserne Schatten Kieferbrecher und seine beiden Nadder-Freundinnen, die Schwestern Frostwind und Eisklaue, erfuhren, dass die Wikinger über das Sanktorium bescheid wussten, und ihnen war klar: wenn sie nichts unternehmen würden, würden die Wikinger unser Zuhause zerstören.“
Ein Aufkeuchen von ihrem Bauch her, lässt das Drachenweibchen kurz inne halten, bevor sie mit unheilvoller Stimme fortfährt.
„Schnell tauchten die ersten Schiffe der Wikinger in der Ferne auf, welche sich in kurzer Zeit über den ganzen Horizont erstreckten. Um ihr Zuhause und ihre Familien zu schützen, kamen die Freunde zu dem Schluss, dass sie die Drachen in die Schlacht führen müssten. Die Bewohner des Sanktoriums blieben vorerst skeptisch, jedoch schafften Eisklaue und Frostwind es gemeinsam die Drachen davon zu überzeugen, dass sie sich den Wikinger widersetzen mussten, um zu überleben. Sie würden sich nicht länger verstecken. Nachdem sich alle Kinder, Jungdrachen und die Alten in die Tiefen unserer Höhlen zurück zogen, bereiteten sich die übrigen Drachen auf den Angriff vor, allen voran Kieferbrecher, Frostwind und Eisklaue. Die Wikinger wurden mit einem Inferno des Flammenstoßes vom Eisenernen Schatten empfangen und sogleich stürzten sich die Drachen mutig in den Kampf. Zuerst sah es gut für uns aus, die Menschen waren überrascht, aber sie waren viele und versuchten bald bis in die Höhlen vorzudringen. Eine Menge Drachen gerieten in die Fallen der Wikinger oder wurden von ihren Netzen zu Boden gerissen. Mitten im Kampfgetümmel ließ Eisklaue sich nicht unterkriegen, bis sich die Wikinger feige von hinten an sie heran schlichen. Sie wurde schwer verletzt und nur der selbstlose Einsatz ihrer Schwester hinderte die Menschen daran, sich ihr weiter zu Nähern. Frostwind kämpfte wild vor Wut und nur die Sorge um ihre Schwester treib sie immer weiter an. Als Kieferbrecher ihr zu Hilfe kam, war die Nadderdame schon am Ende ihrer Kräfte. Auch der Eisernen Schatten war außer sich vor Wut, dass seine Freundin verletzt wurde. Allerdings sollten die Wikinger dies schon sehr bald stark bereuen. Kieferbrecher entschied, dass dies der Untergang der Wikinger bedeutete und stürzte sich rasend auf seine Feinde. Sie hatten keine Ahnung welches Schicksal ihnen bevor stand, doch die Drachen flohen in die Höhlen und brachten sich vor dem Zorn des riesigen Drachens in Sicherheit. Als sie sich kurz darauf wieder ins Freie wagten, war die Fläche vor den Höhlen verbrannt von dem schwarzen Feuer des Eisernen Schattens und die Flotte der Wikinger verkohlt, nur von ein paar Schiffen waren wenige, rauchende Überreste übrig, denen man kaum ansah, dass sie von Schiffen stammten. Die Wikinger waren fort und Kieferbrecher hat Sicher gestellt, dass sie niemals wieder kommen würden. Eisklaue erholte sich aufgrund der Fürsorge ihrer Familie und Freunde schnell wieder von den Verletzungen. An diesem nebligen, grauenvollen Tag, war Kieferbrecher unser Retter, Eisklaue unser Kampfgeist und Frostwind unsere Hoffnung, die noch immer in uns weiterlebt.
Mit leiser werdender Stimme beendet die Drachenmutter ihre Erzählung, während von ihren Jungen nur noch friedliches Schnarchen und Grummeln zu hören ist.
Eine starke Winböe fährt mir durch die Haare und die Kleidung, als ich auf die Klippe hinaustrete. Ich schließe die Augen und genieße das Gefühl, wie der Wind an mir zerrt. Fast wie beim fliegen, aber auch nur fast. Nichts reicht an fliegen heran. Ich stelle mir vor, wie der Wind nicht nur durch meine Haare weht, sondern meinen Kopf frei pustet und die immer noch darin rumschwirrenden Gedanken einfach davon trägt. Mit einem klaren Kopf lässt es sich besser denken. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass Ohnezahn von etwas beeinflusst gewesen sein muss. Er hat sich schon die ganzen letzten Tage so seltsam verhalten. Und dann war da auch noch diese Sache mit dem anderen Nachtschatten. Ohnezahn war … aggressiver als sonst. In meiner Gegenwart hat er sich annähernd normal verhalten, aber sonst scheint er eher gereizter gewesen zu sein. Es ist überhaupt nicht seine Art fremde Drachen an zu greifen, also was hat ihn dazu gebracht? Drachenwurz fällt schon mal weg, es hätte auch alle anderen Drachen betroffen, außer Fleischklops natürlich. Auch Drachenminze kommt nicht in Frage, das wirkt eher einschläfernd. Eine Zeit lang lausche ich den Wellen und öffne schließlich meine Augen, um ratlos in die Weite zu schauen.
Diesen Text habe ich für die Schule geschrieben. Wir sollten in Philosophie in einer Kurzgeschichte die Frage "Was darf ich hoffen?" mit "Du bist nichts als dein Leben" antworten. Also habe ich einen zugegebenermaßen recht kurzen Text geschrieben und würde wirklich gerne wissen, was ihr darüber denkt. Schon mal danke für eventuelle Rückmeldungen.
Wer ich bin?
Wer ich bin? Ist damit gemeint, wie ich heiße? Ist damit gemeint, was ich getan habe? ; Was ich erlebt habe? Meint die Frage meine Herkunft? ; Oder doch eher meine Träume? Würden nicht viele auf die Frage, wer sie sind, die Antwort auf eine andere Frage geben? Die Frage, die unlösbar mit der ersten verknüpft scheint: Was ist dein Leben? Und würde man auf diese Frage mit seinen Träumen oder Hoffnungen antworten? Ist es nicht viel eher die Abfolge von Ereignissen und Erreichtem in seinem Leben, was es ausmacht; was dich ausmacht? Bist du so geboren? Nein. Wie bist du so geworden, wie du bist? Wurdest du so erschaffen? Viele würden auf diese Frage vielleicht antworten, sie wären zu dem, was sie sind, gemacht worden. Durch äußere Umstände, durch ihre Herkunft und Menschen in ihrem Leben, Erfahrungen, Enttäuschungen und durch das was sie hatten oder nicht hatten. Doch Fakt ist: Das wäre eine Lüge, eine Art sich selbst zu täuschen, um sich besser zu fühlen; um nicht der harten Wirklichkeit ins Auge blicken zu müssen. Und allein die Wirklichkeit zählt. Denn in Wahrheit hat jeder selbst entschieden zu was er wurde oder zu was er werden wird. Mut genauso wie Feigheit ist eine Entscheidung, denn am Ende kann man die Frage, wer ich bin, nur auf eine Weise wirklich beantworten: Ich bin nichts anderes als mein Leben!
Erwartungsvoll schaut mich mein Gegenüber, ein Partygast meiner Freundin, an, als ich immer noch nicht auf seine Frage, wer ich denn sei, geantwortet habe. „Nur ich“, sage ich schließlich ruhig und entscheide mich zu gehen.
CHARAKTER Charakter in Sätzen: Taffnuss ist genau wie seine Schwester unbesonnen und häufig verantwortungslos. Mit ihr teilt er auch die Liebe zum Chaos, welches nicht selten von den beiden stammt. Taff hat immer irgendwelche verrückten Ideen, je mehr exlodiert desto besser. Außerdem ist er ziemlich rauflustig und prügelt sich auch gerne mal mit seiner Schwester, oder lässt sich eine von ihr reinhauen, meist nur zum Spaß. Lieber spielt er dem nächstbesten Streiche, als ernsthaft zu sein, doch wenn ihn seine Freunde oder ganz besonders seine Schwester brauchen, können sie sich hundertprozentig auf ihn verlassen. Manchmal ist er auch ein wenig gutgläubig und erkennt das Offensichtliche oft nicht. Taffnuss kann die Menschen um ihn herum hervorragend zur Weißglut bringen, gewollt und ungewollt, und wird häufig, manchmal zu unrecht, nicht ernst genommen.
Gute Eigenschaften: Einfallsreichtum, Loyalität, redet viel/immer Schlechte Eigenschaften: sagt was ihm in den Sinn kommt, rauflustig, verplant Ängste: (mit Begründung) Image: der verrückte männliche Zwilling Macken&Eigenschaften: man sieht ihn kaum ohne sein Hühnchen Hobbys: Streiche spielen, Sachen in Brand setzen, feindliche Wikinger vermöbeln/ mit Kotz und Würg in die Luft sprengen Was magst du bei andern: Naivität(Leichtgläubigkeit), wenn sie für jeden Spaß zu haben sind Was nicht: Verantwortungsbewusstsein Was magst du: Wildschweine (Bevorzugt in einer Wildschweingrube^^), Keulen Was nicht: Bücher *Typischer Satz&Bemerkungen: Ich raffs nicht. *Motto: *Song zu Charakter: *Zitat zum Charakter:
AUSSEHEN Link: https://vignette.wikia.nocookie.net/drac...&path-prefix=de Beschreibung in Sätzen: Taffnuss hat lange strohblonde Haare, ein längliches Gesicht und eine eher krumme Haltung Größe: Gewicht: Körperbau: schlanke Figur Augenfarbe und Ausdruck: listige graue Augen Haare und Frisur: lange strohblonde Haare in mehreren Zöpfen Wie wirkst du auf andere: ein wenig verrückt *Äußerliche Besonderheiten: *Trägst du Schmuck: eine Kette mit einem Zahn (Ähnlich wie Raff)
KLEIDUNG (Links äußerst erwünscht, ersetzte aber keiner Beschreibung) Alltagskleidung1: http://www.toggo.de/media/raffnuss-gesch...-9165-10110.jpg *Alltagskleidung 2: Beim Schwimmen: Beim Drachenreiten: Im Winter: Achtest du auf dein Äußeres:
VERGANGENHEIT UND FAMILIE Beschreibe deine Vergangenheit in Sätzen: Taff war wie die anderen beim Drachentraining dabei und hat bis zu dem Kampf mit dem Roten Tod gegen Drachen gekämpft. Seitdem reitet er auf Würg, dem einen Kopf von dem Wahnsinnigen Zipper, welchen er sich mit seiner Schwester teilt. Warst du Glücklich: Ja, allerdings kann man mit einem Drachen viel mehr in die Luft jagen Wie gut bist du in der Schule: 4 Vater: (Aussehen, Charakter in Stichpunkten, Verhältnis zu Charakter) Mutter: (Gleich wie oben) *Geschwister: Zwillingsschwester Raffnuss *Andere Verwandte: Cousin Gruffnuss Thorston, Cousine Agnuss Thorston
Trage 1-10 ein! Nicht nur 10!! Mindesten zwei 2 oder 1. Geduld: 3 Ausdauer: 5 Kampf: 9 Intelligenz: 5 Schwimmen: 7 Lesen: 1 Überreden: 9 Lügen: 10 Tanzen: 2 Rennen: 7 Tarnen: 6 Wissen über Drachen: 3 Mut: 7
Allgemein Vorname: Haudrauf der Stoische Nachname: Haddock *Spitzname: Chef *Zweiter Vorname: Alter: ca. 50 Geburtsdatum: (ohne Jahreszahl) Geschlecht: männlich
CHARAKTER Charakter in Sätzen: Haudrauf ist ein entschlossener, dickköpfiger, man könnte auch sagen stoischer, Wikinger. Auf den ersten Blick wirkt er sehr streng und unnachgiebig, aber das kommt von seiner Verantwortung seinem Dorf gegenüber. Als Oberhaupt versucht er die richtigen Entscheidungen zu treffen und das beste für seine Insel zu tun, weshalb er auch Fremden gegenüber sehr misstrauisch sein kann. Im Kampf ist er furchtlos und äußerst tough. Gute Eigenschaften: entschlossen, verantwortungsbewusst, tough Schlechte Eigenschaften: dickköpfig, misstrauisch (Fremdem gegenüber), streng Ängste: seinen Sohn zu verlieren, weil er schon seine Frau vermeintlich an die Drachen verloren hat Image: das strenge, furchtlose Oberhaupt Macken&Eigenschaften: erst zuschlagen, dann fragen stellen Hobbys: mit Schädelbrecher Patrouille um die Insel fliegen Was magst du bei andern: Loyalität, Cleverness, Mut Was nicht: Verrat, Faulheit, Was magst du: Waffen, Berk Was nicht: alles was seinem Dorf, seinem Sohn und den Drachen schadet *Typischer Satz&Bemerkungen: *Motto: Ein Oberhaupt beschützt die seinen *Song zu Charakter: *Zitat zum Charakter:
AUSSEHEN Link: https://vignette.wikia.nocookie.net/drea...&path-prefix=de Beschreibung in Sätzen: Haudrauf ist ein hünenhafter, starker Wikinger mit stolzer aufrechter Haltung Größe: Gewicht: Körperbau: breit und kräftig Augenfarbe und Ausdruck: entschlossene graugrüne Augen Haare und Frisur: rotbraune Haare, weiter geflochtener Bart Wie wirkst du auf andere: stoisch und unaufhaltsam *Äußerliche Besonderheiten: *Trägst du Schmuck:
KLEIDUNG (Links äußerst erwünscht, ersetzte aber keiner Beschreibung) Alltagskleidung1: https://vignette.wikia.nocookie.net/drac...2/Grollhorn_Schädelbrecher_und_Haudrauf.png/revision/latest?cb=20150711153108&path-prefix=de * Alltagskleidung 2: Beim Schwimmen: Beim Drachenreitern: Im Winter: Achtest du auf dein Äußeres:
VERGANGENHEIT UND FAMILIE Beschreibe deine Vergangenheit in Sätzen: Haudrauf hat schon als Junge einem Drachen den Kopf abgerissen, der Kampf gegen die Drachen war lange Zeit sein Leben. Vor Allem nachdem er seine geliebte Frau Valka vermeintlich an die Drachen verloren hatte, wollte er sicher stellen, dass seinem Sohn nichts passiert. Nachdem Hicks ihn dann nach dem Kampf gegen den Roten Tod überzeugt hat, dass Drachen keine Bestien sind hat Haudrauf seinen eigenen Drachen bekommen. Zuerst einen Donnertrommler namens Tornado und schließlich Schädelbrecher, ein Grollhorn/Rumpelhorn. Warst du Glücklich: Wie gut bist du in der Schule: (1-10) Vater: (Aussehen, Charakter in Stichpunkten, Verhältnis zu Charakter) Mutter: (Gleich wie oben) Kinder: Hicks ’der Hüne’ Horrendous Haddock *Geschwister: *Andere Verwandte:
Trage 1-10 ein! Nicht nur 10!! Mindesten zwei 2 oder 1. Geduld: 4 Ausdauer: 7 Kampf: 10 Intelligenz: 8 Schwimmen: 7 Lesen: 2 Überreden: 6 Lügen: 6 Tanzen: 6 Rennen: 7 Tarnen: 6 Wissen über Drachen: 6 Mut: 9
CHARAKTER Charakter in Sätzen: Raffnuss ist unbesonnen und häufig verantwortungslos. Sie liebt das Chaos, welches sie auch oft genug mit ihrem Bruder selbst anrichtet. Sie ist rauflustig und hat keine Scheu einfach zu zuschlagen. Vor allem mit ihrem Bruder rauft sie sich täglich, meist nur zum Spaß. Raff ist schnell gelangweilt und spielt dann lieber dem nächstbesten Streiche, anstatt den Ernst der Lage zu erkennen. Wenn es allerdings dann hart auf hart kommt hält sie fest mit ihrem Bruder und ihren Freunden zusammen und dann kann sie auch wild entschlossen sein. Gute Eigenschaften: Einfallsreichtum, Loyalität, lässt sich nicht leicht unterkriegen Schlechte Eigenschaften: sagt was ihr in den Sinn kommt, rauflustig, vorschnell Ängste: (mit Begründung) Image: der chaotische weibliche Zwilling Macken&Eigenschaften: haut ihrem Bruder einfach zum Spaß eine rein Hobbys: Streiche spielen, Sachen in Brand setzen, feindliche Wikinger vermöbeln/ mit Kotz und Würg in die Luft sprengen Was magst du bei andern: Naivität(Leichtgläubigkeit), wenn sie für jedem Spaß zu haben sind Was nicht: Verantwortungsbewusstsein Was magst du: Wildschweine (Bevorzugt in einer Wildschweingrube^^) Was nicht: Bücher *Typischer Satz&Bemerkungen: *Motto: *Song zu Charakter: *Zitat zum Charakter:
AUSSEHEN Link: https://vignette.wikia.nocookie.net/drac...&path-prefix=de Beschreibung in Sätzen: Raffnuss hat lange strohblonde Haare, ein längliches Gesicht mit spitzem Kinn und eine eher krumme Haltung Größe: Gewicht: Körperbau: schlanke Figur Augenfarbe und Ausdruck: verschlagenen grau-blaue Augen Haare und Frisur: lange strohblonde Haare in zwei dicken geflochtenen Zöpfen aus denen unter dem Helm zwei kleine geflochtene Zöpfe seitlich abstehen Wie wirkst du auf andere: ein wenig verrückt *Äußerliche Besonderheiten: *Trägst du Schmuck: eine Kette mit einem Zahn (Ähnlich wie Taff)
KLEIDUNG (Links äußerst erwünscht, ersetzte aber keiner Beschreibung) Alltagskleidung1: https://vignette.wikia.nocookie.net/howt...=20100425004342 * Alltagskleidung 2: Beim Schwimmen: Beim Drachenreiten: Im Winter: Achtest du auf dein Äußeres: Raff achtet auf ihre Haare, welche sie mit Fischöl einschmiert
VERGANGENHEIT UND FAMILIE Beschreibe deine Vergangenheit in Sätzen: Raff war wie die anderen beim Drachentraining dabei und hat bis zu dem Kampf mit dem Roten Tod gegen Drachen gekämpft. Seitdem reitet sie auf Kotz, dem einen Kopf von dem Wahnsinnigen Zipper, welchen sie sich mit ihrem Bruder teilt. Warst du Glücklich: Ja, allerdings kann man mit einem Drachen viel mehr in die Luft jagen Wie gut bist du in der Schule: 4 (Lesen? das können wir doch auch noch auf dem Friedhof) Vater: (Aussehen, Charakter in Stichpunkten, Verhältnis zu Charakter) Mutter: (Gleich wie oben) *Geschwister: Zwillingsbruder Taffnuss *Andere Verwandte: Cousin Gruffnuss Thorston, Cousine Agnuss Thorston
Trage 1-10 ein! Nicht nur 10!! Mindesten zwei 2 oder 1. Geduld: 3 Ausdauer: 5 Kampf: 9 Intelligenz: 6 Schwimmen: 7 Lesen: 1 Überreden: 9 Lügen: 10 Tanzen: 2 Rennen: 7 Tarnen: 6 Wissen über Drachen: 3 Mut: 7
Mühselig bahnen sich die beiden Jungen einen Weg durch das dichte Unterholz. „Warum noch mal, habe ich deiner dämlichen Idee zugestimmt?“ , murrt einer der beiden und weicht einem zurückschnellenden Ast aus. „Weil du insgeheim neugierig bist, warum was das für merkwürdige Geräusche sind.“ , entgegnet sein Freund, während er leichtfüßig über einen Baumstamm springt. Der erste verdreht seine Augen. „Es ist eben gefährlich an den Klippen.“ Er schließt zu seinem Freund auf. „Ach, so ein Yakmist, Kai“ , erwidert dieser und Wechselt das Thema: „Hast du gehört was vor kurzem im dem Dorf westlich von hier los war?“ Der Angesprochene verneint. „Aber du wirst mich sicher gleich aufklären, richtig Kori?“ Begeistert beginnt dieser zu erzählen: „Dort wurden, und jetzt halt dich fest, wahrhaftige Nachtschatten gesehen!“ Kai horcht auf. „Nachtschatten!? Du meinst die gefährlichsten Drachen von denen man je gehört hätte, sind dort wirklich aufgetaucht? Ich dachte die existieren nur in Geschichten.“ Kori nickt euphorisch. „Ja und es soll nicht nur einer gewesen sein.“ Argwöhnisch schaut Kai seinen Kumpel an. „Von wem weißt du das?“ „Von Händler Bill.“ , antwortet Kori achselzuckend. Die beiden treten aus dem Dämmerlicht des Waldes in den strahlenden Sonnenschein. Gemächlich gehen sie nebeneinander her. Kai schüttelt den Kopf. „Der alte Bill erzählt viel wenn der Tag lang ist. Das haben Händler irgendwie so an sich.“ Einsichtiges Gemurmel ist seine Antwort. „Aber wie abgefahren wäre es, wenn diese Drachen wirklich existieren. Stell dir vor, sie würden auch hier her kommen.“ Kai schaut ihn ernst an. „Das will ich mir lieber nicht vorstellen. Hast du vergessen, warum man sie als die ruchlosen Nachkommen von Blitzschlag und des Gevatter Tod nennt?“ Aufgebracht redet er weiter: „Es heißt sie seien so gefährlich, dass du nur beten kannst, dass sie dich nicht finden. Allerdings kann das ja niemand so genau sagen. Weil sie auch niemand je gesehen und die Begegnung ÜBERLEBT hätte!“ „Ja, ja, schon gut. Beruhige dich.“ Kori stößt ihn freundschaftlich mit dem Arm in die Seite. „Dort sind schon die Klippen.“ Abenteuerlustig wagt Kori sich näher an die Kante heran und schaut in die Tiefe. Kai stellt sich zögerlich daneben. „Wonach suchen wir eigentlich genau?“ „Irgendetwas muss die Geräusche, die man hier regelmäßig hört ja erzeugen.“ „Hast du dir schon mal überlegt, dass dieses Etwas auch gefährlich sein könnte?“ Kori überhört die Einwände seines Freundes gekonnt und kniet sich neben den Abgrund. Mit den Händen am Boden abstützend beugt er sich weiter über die Kante und schaut in die Tiefe. „Siehst du die Löcher dort im Fels?“ Kai schaut ihm zuerst etwas besorgt zu, versucht dann jedoch auch die erwähnten Löcher zu erspähen. „Ja, vielleicht war es einfach der Wind, der über die Öffnung gefegt und so Geräusche erzeugt hat.“ , schlägt er nun vor. Wie um seine Vermutung zu widerlegen ertönt ein tiefes Stöhnen. Das Geräusch schwillt an zu einen lauten, verzerrten Brüllen und bricht schlagartig wieder ab. In der plötzlichen Stille zurückgelassen starren sich die beiden Jungen schockiert an. „DAS war kein Windzug.“ , stellt Kori klar. Da muss ihm Widerwillen auch Kai zustimmen. „Aber was war das dann? Was zum Hellheim macht solche Geräusche?“ Kori steht auf und geht ein paar Schritte weiter, wo der Abhang nicht ganz so steil und halsbrecherisch ist und einige Wurzeln aus der Erdwand wachsen. Sich an diesen festhaltend rutscht Kori langsam die Klippe herunter bis hin zu den mysteriösen Löchern im Fels. Kai gibt sich damit zufrieden seinem Freund von oben zuzusehen. „Siehst du was?“, ruft er, trotz allem neugierig, herunter. „Nein, es ist zu dunkel da drin.“ , kommt es als Antwort. Kori beugt sich vor eines der Löcher um besser herein sehen zu können. Ohne Vorwarnung ertönt ein durchdringendes Zischen. „Was zu …?“ entfährt Kori, doch er schafft es nicht seinen Satz zu beenden. Aus dem Nichts schießt ein Schatten aus dem Fels heraus und rempelt den Wikingerjungen an. Panisch schreit dieser auf. Fast wäre der Junge runtergefallen, er kann sich gerade noch an einer Baumwurzel festhalten. Der Schatten schießt erneut auf ihn zu. Die Arme schützend vor seinen Kopf haltend bemüht sich Kori nicht runter zu fallen. Zu dem Zischen und Fauchen mischt sich das Brüllen des Jungen. „Es ist ein Nachtschtatten! Ahh er greift mich an.“ Mit einem Mal ist der Angreifer aus Koris Blickfeld verschwunden und an seine Ohren dringt ein schallendes Lachen. Kai, welcher von oben alles beobachtet hatte, kriegt sich nicht mehr ein. Kori starrt ihn mehr als verwirrt an. Erst als er sich umblickt, fängt auch er an zu kichern. Vor ihm auf einer Wurzel sitzt ein kleiner, gelblich geschuppter Schrecklicher Schrecken und schaut ihn mit schräg gelegtem Kopf an. Ein drohendes Zischen dringt aus seinem Maul und Kori zieht sich lieber ein Stück zurück. Noch immer ist Kais Lachen über ihm zu hören.
Auch auf dem Rückweg durch den Wald fängt Kai immer wieder an zu kichern. Zu Lustig ist das Bild seines besten Freundes in panischer Angst vor einem winzigen Drachen. „Jetzt sei endlich still.“ meint Kori mürrisch, auch wenn er sich selbst ein schwaches Lächeln nicht verkneifen kann. „Und du dachtest es sei ein Nachtschatten.“ „Jaja schon verstanden. Es gibt keine Nachtschatten.“ „Sie sind wohl doch nur ein Mythos.“ , nickt Kai, während sie den Weg zum kleinen See in der Nähe des Dorfes einschlagen. „Ja, aber es hätte doch sein können…“ , scherzt Kori. Lachend stößt Kai ihn gegen die Schulter, doch dann stutzt Kori. „Hast du das gehört?“ „Was meinst du?“ „Na, da war gerade so ein Platschen.“ , antwortet Kori. Kai verdreht die Augen. „Wahrscheinlich nur ein Fisch. Willst du den etwa auch als Nachtschatten bezeichnen?“ Kori brummt genervt und geht weiter. Doch dann hält auch Kai inne und hindert seinen Freund daran durch die Büsche zum See zu treten. „Warte, da ist was.“ „Hab ich doch gesagt.“ „Schsscht!“ Leise bahnen sich die Jungs einen Weg durch die Büsche und lugen durch das Gestrüpp zum See. „Ich glaub’s nicht.“ entfährt es Kai. „Ist das ein … Nachtschatten?“
Ich starre auf das dunkle Meer hinaus. Es erscheint mir tief und unergründlich, wie es da so im Mondlicht glänzt und dabei keinen Blick in seine Tiefe zulässt. Das Wasser ist so tief schwarz wie der Himmel selbst, bis auf die helle Reflexion des nicht ganz vollen Mondes. Es ist der gleiche Anblick wie auf Fallow, und doch zugleich völlig anders. In dieser Nacht habe ich nur wenig Schlaf gefunden. Es geht mir einfach zu viel durch den Kopf. Wenn ich einen klaren Kopf hätte, würde ich vielleicht auch wieder darauf kommen, was mir im Moment partout nicht einfallen will. Vielleicht wenn... Vielleicht bringt mich ein kleiner Flug auf andere Gedanken. Ich stoße mich von der Klippe ab und gleite durch die Nacht. Seit ich das Fliegen einigermaßen beherrsche, kann ich es auch genießen. Und, dass muss ich wohl oder übel zugeben, meine Flügel sind das beste an dieser Verwandlung. Eine – ich weiß nicht wie ich es besser beschreiben soll – Energie durchflutet meinen Körper, jedes Mal wenn ich in der Luft bin. Nicht so eine Energie wie in einer Schlacht, in der ich voll konzentriert bin und um mein Leben kämpfe. Nein, es ist eine ganz andere. So etwas habe ich vorher noch nie gespürt. Beim Fliegen geht es um Gefühl. Das Gefühl für den Wind, die dich umgebene Luft, als wäre man eins mit dem Himmel. Es geht nicht um Kontrolle, vielmehr geht es um das aufgeben jeglicher Kontrolle und los zulassen. Fliegen ist … Freiheit. Anders kann ich es beim besten Willen nicht beschreiben. Langsam verstehe ich, was es heißt ein Drache zu sein. Der Wind in meinen Flügeln und diese Energie machen es unvergleichlich. Ich segle gemächlich über das Meer hinweg. Zu dieser frühen Stunde bin ich das einzige Lebewesen weit und breit zwischen dem bewölkten Nachthimmel und den rauen Wellen der See. Plötzlich kommt der Mond hinter einer Wolke hervor und einer seiner Lichtstrahlen fällt auf einen Felsen im Meer. Ich stutze und bleibe in der Luft stehen. Es sieht beinahe so aus, als würde der Stein … glühen. Keinen Augenblick später hat sich die nächste Wolke vor den Mond geschoben und der Fels ist nur noch ein gewöhnlicher Fels im weiten Ozean. „Bei Thor!“ , rufe ich aus. Jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Der Stein! Der Stein im Wald, von dem ich dachte er würde glühen, hat wirklich geglüht. Das war der Auslöser! „Wer ist Thor?“ , ertönt eine Stimme hinter mir. Erschrocken vollführe ich eine halbe Drehung in der Luft, bis mein Blick auf Wolkensturm fällt. Ich mustere ihn, um herauszufinden ob dies ein Scherz sein soll, jedoch scheint er es Ernst zu meinen. „Niemand.“ , antworte ich. Ich habe gerade keine Geduld einem Drachen zu erklären, wer der Donnergott ist. Ich habe den Auslöser gefunden! Hinter dem mit der Antwort unzufrieden wirkendem Wolkensturm taucht ein vorwurfsvoll aussehender Schrecklicher Schrecken auf. „Wir haben dich gesucht, nachdem wir bemerkten, dass du nicht auf der Lichtung geschlafen hast.“ „Tut mir leid, ich musste meinen Kopf frei kriegen.“ Rhaos Mine wurde weicher und er nickt verständnisvoll. Dann stiehlt sich ein verschmitztes Grinsen auf sein Gesicht. „ Ich wette, ihr schafft es nicht, mich zu fangen.“ , behauptet der Schrecken. Er stößt sich von Wolkensturms Schulter ab, auf der er bis dahin gesessen hat, und stürmt davon. Wolkensturm und ich tauschen einen Blick und stürzen dem kleinen Drachen hinterher.
Nach einer wilden Jagd durch den Himmel haben Wolkensturm und ich es gemeinsam bewerkstelligt den überaus flinken Drachen ein zu kesseln. Ich blicke nach Osten und halte mir geblendet eine Pfote vor mein Gesicht. Die Sonne geht schon wieder auf. Was bedeutet es, dass dieser Stein der Auslöser war? Bevor ich allerdings weiter darüber nachdenken kann, höre ich harsche Rufe von unten und kann gerade noch ausweichen, als etwas Großes, Schnelles an mir vorbei rauscht. Unbemerkt von uns dreien, waren zwei Schiffe hinter einer Felsenformation hervorgekommen. Auf ihren Segeln thront die Abbildung eines Gronkels. Ein weiteres Etwas kommt urplötzlich angeflogen. Auch Wolkensturms Warnung kommt zu spät. Ich kann nicht mehr ausweichen und werde getroffen. Das Netz legt sich um meinen Körper und die Seile schneiden in meine Schuppen. Vor allem aber behindert es meine Flügel, sodass ich wie ein Stein auf die Schiffe zu falle. Bemüht weiteren Netzen auszuweichen, stürzt Wolkensturm sich mit in die Tiefe. Kurz bekommt er Teile des Seils zufassen und mein Sturz wird abgefangen. Jedoch muss er Pfeilen ausweichen, welche die Wikinger unermüdlich in unsere Richtung schießen, und ich muss mit ansehen wie dem Sturmbrecher das Netz aus den Krallen gleitet. Ich schreie auf, als ich erneut falle. Hart schlage ich auf dem Deck des Schiffes auf. Für einen Moment raubt es mir den Atem und ich schnappe nach Luft. Ich kämpfe gegen das Netz an, Panik macht sich in mir breit. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Wolkensturm versucht an mich heran zu kommen, doch er wird von den Wikingern des anderen Schiffes in Schach gehalten. Er hat keine Chance sich mir zu nähern. Aufgeregt flattert Rhao mit einer unglaublichen Geschwindigkeit durch das Chaos aus Wikingern, Schwertern und Äxten, welches auf dem Deck herrscht, doch der kleine Schrecken kann nicht viel ausrichten. Anschließend lenke ich meine Aufmerksamkeit auf die Wikinger um mich herum. Sie sehen noch recht erstaunt aus, manche ungläubig, einen Nachtschatten im Netz zu haben. Meine Gelegenheit! Ich knurre wütend und öffne mein Maul, im begriff einen Plasmablitz abzufeuern. Nichts, stelle ich überrascht fest, gar nichts passiert. Aber ich habe es doch schon mal geschafft. Leider will die Hitze in meinem Maul, die ich beim letzten Mal verspürt habe, einfach nicht eintreten. Warum funktioniert es nicht? Jetzt werde ich wirklich panisch und versuche mir einen Weg aus dem Netz zu kämpfen. Ohne Erfolg. Nun haben sich auch die Wikinger aus ihrer Starre erholt und werfen sich auf mich. Ihre schweren Leiber drücken mich auf den Boden. Neben den Geräuschen der Schlacht auf dem anderen Schiff, ist jetzt auch ein Poltern zu hören. Etwas wird an Deck geschafft und auf mich zu geschoben. Die Wikinger versperren mir die Sicht auf dieses Etwas. Erst als es vor mir steht und ein Wikinger zur Seite tritt, erkenne ich mit Schrecken den Gegenstand. Doch sosehr ich mich auch dagegen wehre, schließlich schaffen es die Wikinger doch mich in den Käfig zu verfrachten. Das Netz wird von mir weggerissen und die Tür fällt mit einem Knall zu. Schwer atmend sitze ich innerhalb des Käfigs, umrundet von gaffenden und höhnenden Wikingern und kann nichts dagegen tun. Mein angsterfüllter Blick schweift zu Wolkensturm. Er speit Feuer auf das Deck des anderen Schiffes und greift erneut an. Als er wieder etwas Abstand gewinnt, treffen sich unsere Blicke und seine Mine verfinstert sich, als er den Käfig sieht. Er fliegt höher, außerhalb der Reichweite von den Katapulten und bemerkt nicht, wie hinter ihm Männer in Stellung gehen. Als ich sehe, wie sie ihre Bögen spannen, ist es schon zu spät. Wolkensturm war zu sehr auf den Käfig fixiert. Mit einem schmerzerfüllten Brüllen klappen seine Flügel ein und der mächtige Drache stürzt ab. Ein schriller Schrei entfährt mir. „Neeiiin!“ Ich springe gegen das Gitter meines Gefängnisses. Mit weit aufgerissenen Augen muss ich mit ansehen, wie der schlaffe Körper auf dem Wasser aufschlägt und von den Wellen verschluckt wird. „Wolkensturm…“ Meine Stimme ist nun nicht mehr als ein Flüstern. Die beiden Schiffe nehmen fahrt auf und alles was ich noch sehe, ist ein kleiner, flatternder Fleck, der verzweifelt über dem Wasser kreist.
Kapitel 20 - Flucht
„Lasst mich raus!“ Ich springe blindwütig gegen das Gitter und knurre die umstehenden Wikinger an. Ich erreiche zumindest, dass einige der Thursen zurückweichen. Als das nichts weiter bringt, betrachte ich die Tür genauer. Ich muss hier raus. Ich kann Wolkensturm noch helfen. Ich muss nur hier raus kommen. Mein verzweifelter Versuch das Schloss mit meinen Drachenpfoten zu öffnen scheitert kläglich. Mit Händen würde ich diese Tür auf kriegen. Wenn ich Hände hätte, wäre ich nicht in dieser Situation, meldet sich eine leise Stimme in meinem Hinterkopf. „Arrrrg.“ , brülle ich der Tür meinen Frust zu und schlage mit der einen Pfote gegen das Schloss. In Begleitung von zwei Kriegern nähert sich ein wichtig aussehender Wikinger. Seine Rüstung ist edler als die der anderen und die aus Drachenschuppen bestehenden Schulterstücke deuten auf einen Thursen hin, der mehr zu sagen hat, vielleicht der Kapitän des Schiffes. Mit einem Grinsen mustert er mich und umrundet den Käfig. Mit zu Schlitzen verengten Augen folge ich seinen Bewegungen. Ich komme hier nicht von alleine raus und sie werden mich ganz sicher auch nicht einfach so gehen lassen. „Ich hätte nie gedacht mal selber einem Nachtschatten zu begegnen. Männer, heute ist wohl unser Glückstag!“ , ruft der Befehlshaber aus. Die Wikinger um ihn herum jubeln. Als er eine Hand hebt verstummt die Menge augenblicklich. „Bringt den Drachen runter und dann habt ihr euch alle eine Extra-Portion Rum verdient.“ Erneuter Jubel bricht aus.
Grob haben die Wikinger mich unter Deck gebracht. Mich in einen anderen Käfig gesteckt. Geräumiger zwar, aber das Gitter am Eingang erinnert mich daran, dass ich hier nicht weg kann; dass ich eingesperrt bin. Und dass ich Wolkensturm nicht helfen konnte. Ich will mir nicht eingestehen, dass es jetzt wohl auch zu spät ist. Ich liege zusammen gerollt in einer Ecke. Den Kopf energielos auf meinen Pfoten gebetet und den Schwanz schützend um ich gelegt. Unter Deck ist es dunkel. Nur vereinzelte Sonnenstrahlen dringen durch die schmalen Ritzen zwischen den Holzdielen der Decke. Teilnahmslos beobachte ich den im Licht tanzenden Staub. Die Wikinger haben mir sogar etwas Fisch hingeschmissen. Sie wollen wohl verhindern, dass ihre wertvolle Fracht verhungert. Der Fisch liegt immer noch unbeachtet am Eingang herum. Ein Poltern im Nebenraum lässt mich hochschrecken. Beunruhigt rapple ich mich auf. Zwei Wikinger betreten den Raum mit den Zellen. Während sie näher kommen, knurre ich warnend. Nur weil ich mich gerade ziemlich hoffnungslos fühle, müssen die Thursen nicht denken, dass ich mich so schnell geschlagen gebe. Sie haben Wolkensturm auf dem Gewissen. Wenn ich ihm schon nicht helfen konnte, werde ich zumindest den Thursen das Leben so schwer wie möglich machen. Die Reaktionen der Männer könnte unterschiedlicher nicht ausfallen: Der eine weicht verschreckt vor dem Gitter zurück. Der andere hebt missmutig seine Lanze und schlägt gegen die eisernen Gitterstäbe. „Sei still!“ Widerwillig verstumme ich, jedoch starre ich die beiden weiterhin zornig an. „Pass lieber auf.“ , zögernd kommt der erste Wikinger wieder auf den Käfig zu. „Wir haben keine Ahnung ob er nicht doch … hier raus kommt. Ich meine, es ist ein Nachtschatten.“ Sichtbar verunsichert beobachtet er mich und hält ein gutes Stück Abstand zum Gitter. „Er ist auch nur ein Drache.“ , widerspricht sein Kollege. „Der wird da nicht so schnell raus kommen.“ Und stapft zu dem einen Hocker an der Tür um sich darauf nieder zu lassen. Der erste sieht nicht sonderlich beruhigt aus, hält aber auch nicht weiter dagegen, sondern lehnt sich gelangweilt gegen die Wand. „Warum müssen wir eigentlich hier auf den Drachen aufpassen? Wir machen die langweilige Arbeit, während alle anderen die letzten Vorbereitungen beenden.“ „Würdest du lieber Kisten schleppen?“ , fragt der andere Wikinger seinen Kameraden sarkastisch. Er fügt noch unfreundlich hinzu: „Hör auf zu meckern und sei endlich still.“ Ich runzle die Stirn. Über was reden die denn da? Vorbereitungen wofür? Ich schaue desinteressiert in der Gegend herum und tue so als würde ich die Wikinger außerhalb des Käfigs nicht beachten. Ich will nicht, dass sie mitbekommen, dass ich sie belausche. Leider bleiben sie still, bis auf ein missgelauntes Grummeln des einen, und unterhalten sich nicht mehr. Auch den Rest des Tages reden sie nicht mehr viel miteinander. Am Abend kommen zwei neue Wachen und lösen die beiden ab. Ich drehe Runden durch den Käfig. Ich kann hier nicht länger bleiben. Ich muss etwas tun. Ich muss hier weg. Ich werde mich nicht auf Dauer einsperren lassen. Ein Plan beginnt sich in meinem Kopf zu formen und nimmt Gestalt an. Das könnte funktionieren. Vielleicht habe ich doch eine Chance zu entkommen. Mein Blick wandert zu den neuen Wachen, die schnarchend auf den Hockern an der Tür sitzen und fällt schließlich auf den Fisch an der Gittertür. Ich habe zwar kein Appetit, dennoch schlinge ich sie hinunter. Ich werde jede Energie brauchen, die ich kriegen kann. Dann schleiche ich mich zur Rückwand der Zelle. Glücklicherweise ist sie aus Holz. Ich setze meine Kralle an und fange an Runen ein zu ritzen. Die Thursen werden wohl kaum damit rechnen, dass Drachen schreiben könnten, auch nicht Nachtschatten. Als ich fertig bin, lege ich mich an die Seite des Käfigs und atme tief durch. Jetzt kann ich nur noch warten.
Am nächsten Morgen erwache ich aus einem unruhigen Schlaf. Gerade rechtzeitig. Die Sonne geht auf. Die Dämmerung weicht rot-orangenem Licht, welches durch das Deck strahlt. Es ist soweit. Wachwechsel. Ich schließe die Augen und tue so als würde ich noch tief und fest schlafen. Ich höre die schweren Schritte der Wikinger. Ich höre die sich entfernenden Schritte der vorherigen Wachen und ich höre die nahenden Schritte anderer Wachen. Ich höre auch wie die Schritte des einen stocken und dann ganz in meiner Nähe stehen bleiben. „Da ist etwas in die Wand eingeritzt worden.“ , ertönt nun eine Stimme. „Der Drache hat halt an den Wänden gekratzt, na und?“ , ist nun eine andere Stimme zu hören. „Es sieht aber nicht aus wie irgendwelche einfachen Kratzer.“ , hält der erste dagegen an, „Mehr wie … wie Runen.“ „Was?“ , fragt sein Kollege verwirrt. „Das muss ich mir genauer ansehen. Pass du auf den Nachtschatten auf.“ Am knatschenden Geräusch der Tür erkenne ich, dass mein Plan dabei ist, auf zu gehen. Die Wikinger betreten den Käfig. Vorsichtig öffne ich meine Augen einen Spalt weit. Der eine Wikinger hält seine Lanze auf mich gerichtet, während der andere sich der Wand nähert. Er ließt vor: „Hier steht: Ihr werdet es bereuen.“ Überrascht wendet sich der Wikinger mit der Lanze auch der Wand zu. Diesen Moment der Unachtsamkeit nutze ich aus und schnappe mir den Stab der Waffe mit meinem Maul. Ich werfe meinen Kopf zu Seite und der Mann, welcher zu spät reagiert hat und die Lanze noch immer festhält, verliert sein Gleichgewicht. Durch den Tumult aufmerksam geworden, dreht sich der an der Wand um, jedoch nicht rechtzeitig genug um mich daran zu hindern aus der Zelle zu springen. Vor den verdutzten Gesichtern der beiden Wikinger schlage ich die Tür zur Zelle ins Schloss. In Hochstimmung stürme ich durch die nächste Tür. Aufgrund der frühen Urzeit ist, genau wie ich gehofft hatte, auf dem Schiff nicht viel los. Nur einmal muss ich kurz innehalten um nicht entdeckt zu werden, als auf einem Gang jemand entlang läuft. Kurz darauf ist er jedoch schon wieder abgebogen und ich kann weiter. Irgendwo muss es hier doch nach oben führen. Endlich habe ich die Treppe hinauf aufs Deck gefunden. Nur noch wenige Meter, dann kann ich meine Flügel ausbreiten und wegfliegen. Mich in die Lüfte schwingen und das Schiff weit hinter mir lassen. Ich erklimme die letzte Stufe und stürze durch den Ausgang nach draußen.
Kapitel 21 - Freiheit
Die gerade am Horizont aufgehende Sonne strahlt mir durch die Tür entgegen. Geblendet bleibe ich stehen und kneife die Augen zusammen. Soviel zum Überraschungsmoment. Während sich meine Augen noch an den Helligkeitsunterschied gewöhnen, erkenne ich nur Schemen auf dem Deck, doch ich bin mir sicher die Wikinger sind nicht erfreut mich hier oben zu sehen. Ich nehme die Geräusche der Wikinger wahr, ebenso wie den salzigen Geruch des Meeres, der mit unendlicher Weite lockt. Hektisch blinzle ich und versuche die Situation zu überblicken. Ich muss entkommen. Leider scheint meine Vermutung nicht auf das Deck zuzutreffen. Es ist um einiges belebter, als ich angenommen hatte. Die Wikinger, welche mir am nächsten sind, ziehen ihre Schwerter und Äxte. Wenn ich hier weg will, sollte ich mich beeilen. Ich springe über zwei Thursen hinweg und schlage mit den Flügeln. Während ich höher steige ist mein Blick starr auf mein Ziel gerichtet. Den weiten Ozean. Die Freiheit. Dabei streift mein Blick die Wikinger auf dem zweiten Schiff, die mit gezücktem Bogen auf den richtigen Moment warten, mich vom Himmel zu holen. Nicht mit mir. Entschlossen schlage ich kräftiger mit meinen Schwingen und mache mich bereit auszuweichen. Die Wikinger heben ihre Bögen. In dem Moment höre ich von hinten ein Zischen in der Luft. Irritiert werfe ich meinen Kopf zur Seite. Die Wikinger in meinem Blickfeld zielen immer noch schussbereit auf mich. Bevor ich die Gefahr ausmachen kann, spüre ich einen stechenden Schmerz im Bein. Ich zucke zusammen, doch wenn sie denken, dass mich die kleine Pfeilwunde aufhalten wird, haben die mich mächtig unterschätzt. Plötzlich verschwimmt das Bild vor meinen Augen. Mit einem Kopfschütteln versuche ich mich zu konzentrieren, nicht mehr weit und ich bin frei. Doch ich habe auf einmal Probleme meine Flügel zu koordinieren. Was ist los? Wild mit den Flügeln um mich schlagend verliere ich an Höhe. Nein! Nicht wo ich kurz davor war. Was passiert hier? Die letzten Meter falle ich quasi auf das Holz des Schiffes und finde mich umring von Wikingern wieder. Ich knurre und schlage nach dem Bein eines Gegners. Mit einem verwirrten Aufbrüllen stolpere ich nach vorne, als ich es verfehle. Alles kommt mir verzerrt vor. Ich schaffe es nicht mich zu aufzurappeln, geschweige denn klar zu sehen.
Dann weiß ich nur noch, dass ich eingeschlafen sein muss. Aufgewacht bin ich in der Zelle unter Deck. Klasse, zurück im Käfig. Ich schließe resigniert meine Augen. Was war das nur vorhin? Ich habe völlig die Orientierung verloren. Dieser Pfeil hat mich heftig umgehauen. Was war das bloß für ein Pfeil? Trotz der vielen Fragen, die ich mir nicht beantworten kann, gähne ich breit. Ich habe in der Nacht kaum geschlafen, mein Fluchtversuch hat an meinen Kräften gezerrt und ist zudem noch schief gegangen. Ich bin gerade einfach nur müde. Also bleibe ich liegen. Ich habe keinen neuen Plan, keine Idee, die mir helfen könnte. Ich bin eingesperrt und ich bin alleine. Ich habe keine Chance hier weg zu kommen.
Ich öffne ein Auge und blicke zur Tür der Zelle. Er steht immer noch mit hinter dem Rücken verschränkten Armen vor dem Gitter und starrt mich an. Ich schließe mein Auge wieder und brumme missmutig. Der Kapitän steht schon seit einigen Minuten so da. Es ist unangenehm angestarrt zu werden, als wäre ich nur irgendein Objekt. Aber genau das habe ich doch früher auch von Drachen gedacht. Dass es nur gedankenlose Bestien seien. Dass man sie einfach einsperren könnte. Sollte ich jemals auf Fallow zurückkehren, werde ich dafür sorgen, dass die Drachen der Arena ihre Freiheit zurück bekommen. Ich schwaches Grinsen kann ich mir allerdings nicht verkneifen, als mir in den Sinn kommt, dass er sich wahrscheinlich gerade fragt, wie ein Drache Runen schreiben gelernt hat. Das wird für ihn wohl auch immer ein Rätsel bleiben. Ich höre wie ein Wikinger auf seinen Befehlshaber zutritt. „Anak, weitere Schiffe sind eingetroffen. Allerdings hat keines solch eine außergewöhnliche Ladung wie wir.“ Ein unverkennbarer Stolz schwingt in seiner Stimme mit. „Was haben sie?“ , erkundigt sich Anak. „Steine. Genug um jedes zweite Schiff der Flotten mit ausreichend Munition für die Katapulte zu versorgen.“ Ich horche innerlich auf. Es geht wieder um diese geheimnisvollen Vorbereitungen von denen die Wachen letzte Nacht gesprochen haben. Offenkundig ist es wohl ein Angriff, den sie vorbereiten. Und es klingt als wäre die Planung schon weit fortgeschritten. Ich mache meine Augen auf und schaue zu den beiden Wikingern. Dieser Anak hat inzwischen aufgehört mich anzustarren. Nun hat er sich an den anderen Thursen gewandt. „Gut. Sag denen sie können die Fracht mit auf die übrigen Schiffe verteilen.“, gibt er den Befehl und mit einem Nicken entlässt er sein Gegenüber. Anak steht noch einen Moment regungslos vor der Zelle, dreht sich dann aber um und verschwindet durch die Tür am Ende des Ganges. Sein Blick hat mich nur kurz gestreift, jedoch habe ich deutlich das siegessichere Glitzern in seinen Augen wahrnehmen können.
Die beiden darauffolgenden Tage ist nicht viel passiert. Die Besatzung des Schiffes schien zum Alltag über zu gehen und auch der Kapitän hat sich nicht mehr bei mir blicken lassen. So eingesperrt, nichts zu tun als meinen Gedanken nachhängen ziehen sich die Stunden ewig in die länge und die Tage wollen einfach nicht vorbei gehen. Schon früher - als ich noch ein Mensch war - war der Freiheitsdrang schon sehr ausgeprägt bei mir gewesen. Ich konnte kaum einen Tag im Haus verbringen, ohne Sehnsucht nach frischer Luft zu bekommen. Die Wellen des Meeres an die Klippen schlagen zu hören oder das Rauschen der Blätter im Wind war für mich essenziell. Jetzt als Drache spüre ich es noch viel deutlicher. Wenn ich noch länger eingesperrt bin, drehe ich früher oder später durch.
Das Licht unter Deck schwindet langsam und weicht dem flackernden Lichtern der Fackeln. Normalerweise verstummen nun allmählich die Geräusche der Wikinger. Das Stapfen schwerer Stiefel auf dem Holz und die rauen Stimmen sollten langsam weniger werden, doch nicht heute. Dieser Umstand lässt mich nervös werden. Das heißt entweder sie rechnen damit, dass in der Nacht oder am Morgen irgendetwas passiert oder wir laufen bald in einen Hafen ein. Sollte das letztere der Fall sein, ist es wahrscheinlich der Heimathafen der Thursen. Die Stimmen ebben die ganze Nacht über nicht ab. Am frühen Morgen mischen sich weitere Rufe hinzu. Andere, entferntere Stimmen. Nach einiger Zeit verringert das Schiff die Geschwindigkeit und ich könnte wetten es läuft gerade in den Hafen ein. Dann werden sicher auch bald Wikingern kommen um ihre Fracht auszuladen, denke ich verächtlich. Damit sollte ich Recht behalten und ich bin beinahe froh darüber, wieder in einen dieser mobilen Käfige gesteckt zu werden. Ich weiß nicht, wie lange ich es noch im Bauch des Schiffes ausgehalten hätte.
Kapitel 22 – Heimathafen der Feinde
Genussvoll sauge ich die frische Meerluft in meine Lungen. Ich recke den Kopf den warmen Strahlen der Sonne entgegen und wenn ich jetzt meine Augen schließe, könnte ich mir fast vorstellen wieder zu Hause zu sein. Ich würde auf einem Felsen am Saphirsee in der Sonne liegen, zusammen mit meinen Freunden. Doch die Realität sieht anders aus. Sobald ich die Augen wieder öffne, bin ich eingesperrt auf einem feindlichen Schiff, gefangen in einem fremden Körper, weit weg von allem Vertrauten. Ich werde von mehreren Männern auf das Deck des Schiffes geschoben. Leider hatte ich Recht, wir sind im Hafen der Thursen. Ich lasse mein Blick über die Umgebung schweifen und mir bleibt vor Entsetzen der Mund offen stehen. Was bei Odin…? Mit Schrecken zähle ich mindestens zehn Schiffe im Hafen und in der Bucht drum herum. Am Horizont steht eine andere Flotte auf der einen Seite und etwa zwei weitere, mit je einer Handvoll Schiffen, stehen auf der anderen Seite in Position. Beunruhigt muss ich zugeben, dass unsere Feinde eine beachtliche Streitmacht zusammengestellt haben. Sollten sie wirklich so viel Munition haben, wie behauptet wurde, möchte ich nicht in derjenigen Haut stecken, die sie planen anzugreifen. Sie haben bequem die Mittel eine ganze Insel auseinander zu nehmen oder könnten mit Leichtigkeit eine Schar Flotten ausschalten. Ganz egal wen sie angreifen, diese werden wohl kaum eine Chance haben. Aus den Augenwinkeln nehme ich ein Flattern wahr, wie von einem Vogel oder einem.… Schrecklichen Schrecken! Ich fahre herum und lasse den Blick über den Himmel schweifen. Ich schüttle den Kopf. Es ist nur Wunschdenken, welches mir so etwas vorgaukelt. So dumm ist kein Drache, freiwillig hier her zu kommen. Ich senke den Kopf. Niemand wird kommen. Ich muss alleine einen Ausweg finden. Um mich herum wird das Gemurmel von den anderen Schiffen lauter. Sie haben wohl entdeckt, was Kapitän Anak gefangen hat. Höchstwahrscheinlich hat auch keiner von ihnen je einen Nachtschatten gesehen, aber die Geschichten zu den mysteriösen Drachen kennt jeder. Es scheint sich schnell auf den einzelnen Schiffen bis hin zum Hafen herum zu sprechen, denn schon als ich im Käfig auf den Steg gerollt werde, stehen viele Schaulustige an den Seiten und versuchen einen Blick auf das Innere des Käfigs zu erhaschen. Auf mich, um genau zu sein. Als wäre ich eine Attraktion. Von den anderen Schiffen werden Kisten ausgeladen und von Deck gebracht. Aus vielen von ihnen ragen Pfeile und verschiedene Waffen. Viele Waffen. Nun tritt Anak neben den Käfig und scheucht die Schaulustigen aus dem Weg und so schieben die Wikinger mich weiter in die Heimat der Thursen hinein. Auf dem großen Platz mitten im Dorf läuft es nicht anders, auch hier herrscht reges Treiben und auch hier bleiben immer wieder Leute stehen, um mich anzustarren. Die Wikinger, die en Käfig schieben, haben Probleme durch die Menschenmasse voran zu kommen. Von überall her höre ich überraschte oder ungläubige Ausrufe. Ab und zu auch geflüsterte Gerüchte: „Ich hab gehört, auf dem Schiff kamen sie gerade so mit den Essen aus. Es ging wohl schon beängstigend zuneige, weil Nachtschatten jeden Tag mindestens zwei Körbe voll Fisch und ein ganzes Schaf gegessen hat.“ – „Während der Reise soll das Monster ausgebrochen sein. Einer der Wachen sagte, es hatte Hilfe von einer dunklen Macht, um zu fliehen.“ , wird ehrfurchtsvoll geflüstert als ich vorbeigerollt werde. Anak schreitet mit vor Stolz geschwelter Brust voraus und bahnt sich einen Weg durch die Schaulustigen. Verächtlich denke ich, dass er sich aufführt als hätte er das gesamte Inselreich alleine erobert. Dieser aufgeblasene Mistkerl. Ein Wikinger beeilt sich um besagten Mistkerl einzuholen und bemüht sich in gleicher Geschwindigkeit neben ihm her zu gehen, damit er mit seinem Kapitän reden kann. Er kommt kaum hinterher. „Kapitän, vielleicht wäre es besser wenn wir den Drachen zudecken.“ , redet er auf den Kapitän ein und fällt währenddessen fast schon in Laufschritt. „Nein!“ , widerspricht Anak heftig, „Jeder soll sehen, was ich gefangen habe.“
Endlich verlassen wir den Dorfplatz und die Wachen schaffen es die Schaulustigen zurück zu halten. Die Wikinger schieben mich auf einen Eingang im Berg, welcher bedrohlich und dunkel über dem Dorf aufragt, zu. Dahinter verbirgt sich eine große, aber überschaubare Höhle. Unwirsch stecken die Wikinger mich in eine Zelle. Eine weitere Zelle, wieder etwas anders, aber im Grunde genau wie die vorherigen. Ein Raum ohne Entkommen, mit Gitter als Tür, die mich daran hindert meine Freiheit zurück zu erlangen. Ein tiefes Knurren dringt aus meiner Kehle, doch leider reicht die Wut offenbar weiterhin nicht aus, um mein Feuer zu entfachen. Das würde alles um so vieles einfacher machen. Anak beachtet mich überhaupt nicht und wendet sich stattdessen einem beleibten, älteren Wikinger zu, der ein geradezu gigantisches Schlüsselbund in den Händen hält. Mit einem dieser Schlüssel hat er die Tür zu meiner Zelle abgeschossen. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen er ist so eine Art Kerkermeister. Während ich mich weiter in der tristen Höhle umblicke und den Wikinger unauffällig mustere, erkundigt sich der Kapitän nach dem Häuptling der Thursen. „Thrymr ist noch auf See. Es heißt er sei morgen zurück.“ , antwortet der Kerkermeister. Viel Aufmerksamkeit widmet er seinem Gegenüber allerdings nicht, er hat nur Augen für mich. Anders als die anderen starrt er mich jedoch nicht hasserfüllt oder ängstlich an, vielmehr funkeln Neugierde und Faszination in seinen Augen. „Stimmt es, dass Nachtschatten ein violettes Feuer erzeugen?“ , erkundigt er sich bei Anak. „Oh, und ich habe gehört, sie könnten in völliger Dunkelheit sehen.“ Das wäre doch mal ziemlich cool, denke ich bei mir, doch der Kapitän macht lediglich eine wegwerfende Handbewegung. „Das ist wahrscheinlich einem Mythos entsprungen. Feuer gespuckt hat dieser hier jedenfalls nicht. Nicht mal ein Fünkchen.“ Mit diesen abfälligen Worten dreht Anak sich um und stapft aus der Höhle. Die Fragen des Kerkermeisters bleiben unbeantwortet. In dem Loch, in das sie mich gesteckt haben, gibt es noch fünf weitere Zellen mit dicken Gittern davor, doch soweit ich es erkennen kann sind sie leer. Eine zweite, scheinbar kleinere Höhle schließt sich in der Nähe des Eingangs an diese Höhle an. Ein Lichtschein dringt daraus hervor und ich bin mir ziemlich sicher, dass es keine weitere Zelle ist. Auch der Kerkermeister, dessen Namen ich noch nicht kenne, lässt mich nun alleine und verschwindet in ebendieser Höhle.
Ich zerbreche mir den Kopf, um einen Ausweg zu finden aus dieser scheinbar aussichtslosen Lage. Irgendwas. Irgendetwas muss sich doch finden lassen, das mir helfen könnte zu fliehen. Ich könnte das mit den Runen erneut probieren, doch ich bezweifle, dass Wikinger so blöd sind noch ein zweites Mal auf diesen Trick rein zu fallen. Zumal ich wohl kaum Runen in die Felswand ritzen könnte. Wenn ich es irgendwie schaffen könnte mein Feuer wieder zu erwecken, könnte ich die Tür oder zumindest das Schloss wegschießen. Dann würde ich aus der Höhle stürmen und … höchstwahrscheinlich schon vom ganzen Wikingerstamm erwartet und wieder eingefangen werden. Ich seufze und verwerfe diese Idee wieder. Ich brauche einen Plan, der weniger Aufsehen erregt und sich nicht auf so viele ’wenns’ stützt. Vielleicht könnte ich an den Schlüsselbund vom Kerkermeister gelangen … aber dann bleibt das Problem, dass ich mit meinen klobigen Klauen keinen Schlüssel halten, geschweige denn ein Schloss aufschließen kann. Ich weiß nicht einmal welcher Schlüssel der richtige ist. Ich grüble den ganzen Tag weiter, doch mir fällt partout nichts ein, was eine Chance hätte zu funktionieren. Erschöpft lege ich mich schlafen. Auch draußen wird es jetzt dunkler. Meine Gedanken allerdings kommen noch lange nicht zur Ruhe.
Kapitel 23 - Fjell
Mit hochrotem Kopf stürmt Anak in die große Höhle. „Fjell!“, ruft er verärgert und kurz darauf erscheint der Kerkermeistert aus der kleineren Höhle. Man sieht ihm an, dass er mit aller Macht versucht, nicht genervt aufzustöhnen, als er den Kapitän erblickt. Ich verkneife mir mit Mühe ein Lachen und grinse stattdessen, während ich sie beobachte. Den ganzen Vormittag geht das schon so. Anak kommt reingerauscht, keift den Kerkermeister an, von dem ich nun weiß, dass er Fjell heißt, und stapft dann wieder hinaus. Um was genau es geht, weiß ich nicht, aber wenn es so weiter geht, werde ich es wohl noch herausfinden. Seit Anak erfahren hat, dass der Häuptling wohl noch einen Tag länger braucht, ist er genervt. So viel hab ich schon mal herausgehört, mehr allerdings auch noch nicht. Gerade macht Anak wütende Bewegungen mit seinen Armen und deutet energisch nach draußen. Fjell erwidert etwas und lacht dann. Der alte Wikinger scheint die Situation wohl mit Humor zu nehmen. Aber das macht den Kapitän noch aufbrausender, jeden Falls deutet er erneut und mit Nachdruck auf den Höhleneingang und dann in meine Richtung. Immerhin weiß ich jetzt, dass es um mich geht. Anak zieht unverrichteter Dinge ab und lässt einen halb genervt, halb belustigt wirkenden Kerkermeister zurück. Dieser verdreht die Augen und blickt mit schwer einzuschätzender Miene in meine Richtung, aber ich meine immer noch eine gewisse Neugierde in seinem Blick zu erkennen. Allerdings nur für einen Moment, dann dreht auch Fjell sich weg und geht entschlossenen Schrittes zum Eingang der großen Höhle. Den Eingang an sich kann ich nicht sehen, aber er redet dort wohl mit jemandem. Vielleicht eine der Wachen dort draußen. Anschließend scheint wieder alles zur Tagesordnung überzugehen. Bis der Kapitän noch einmal auftaucht, denke ich grinsend bei mir.
Überraschenderweise ist dies nicht mehr der Fall. Den Rest des Tages bleibt es ruhig, bis auf die gelegentlichen Besuche von Fjell. Gerade verschwindet er in seiner kleinen Höhle, nur um einen Augenblick später wieder heraus zu kommen. In der Hand hält er einen Beutel, der verdächtig nach Essen riecht. Er lehnt sich an die Wand neben meinem Käfig und schaut mich geduldig an. Ein wenig misstrauisch blicke ich von der gegenüberliegenden Seite meines Gefängnisses zurück. „Weißt du eigentlich, wie gefragt du bist?“ , Fjell lacht auf, „Auf einmal beneiden mich alle. Sie wollen alle mal einen Blick auf dich werfen. Ich musste schon die Wachen am Eingang verdoppeln, um sie daran zu hindern, einfach herein zu spazieren.“ Der Wikinger entfernt sich kurz und redet währenddessen weiter: „Anak ist ja schon den ganzen Tag so gereizt, seit ihm mittgeteilt wurde, dass der Häuptling später kommt. Jetzt muss er noch einen Tag warten bis er dich ihm präsentieren kann.“ Der alte Wikinger kommt mit einem Hocker wieder und setzt sich neben die Gittertür. Mit schief gelegtem Kopf sehe ich ihn an. „ Und jetzt lasse ich noch nicht mal jemand hier rein, damit sie dich bestaunen können. Ihm passt es überhaupt nicht, dass er hier nichts zu sagen hat.“ Ich bin ein wenig verwirrt. Warum erzählt er mir denn das alles? Ich mustere den Wikinger, welcher mit dem Rücken an den Fels gelehnt auf dem kleinen Hocker sitzt. Ein trauriges Lächeln huscht über sein Gesicht. „Sonst beneidet mich niemand um meinen Job hier.“ Ein Seufzen entfährt dem Wikinger und dann greift er nach seinem Beutel. Daraus holt er eine Art Fischbrötchen hervor. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Seit einer gefühlten Ewigkeit habe ich kein Brot mehr gegessen. Genau genommen seit dem Tag, an dem ich mich verwandelt habe. Seitdem musste ich mich mit rohem Fisch begnügen. Nicht, dass ich etwas gegen Fisch hätte. Ich bin in einem Wikingerdorf aufgewachsen. Quasi mein halbes Leben lang habe ich mich von Fisch ernährt. Aber trotzdem sehne ich mich nun nach dem Brot auf der anderen Seite des Gitters. Nur ein kleines Stückchen… Inzwischen ist von besagtem Brötchen nur noch die Hälfte übrig. Fjell stutz als er meinen Blick bemerkt, welcher starr auf das Brötchen in seinen Händen gerichtet ist. Noch im Kauen schweift sein Blick von mir zu seinem Brötchen und zurück. Mit einem ergebenen Seufzer murmelt er: „Anak würde mich sicher für dämlich erklären.“ und hält mir das Brötchen vertrauensvoll durch die Gitterstäbe hin. Damit habe ich nicht gerechnet. Vorsichtig trete ich näher an das Gitter heran und nehme ihm das Brötchen mit meinem Maul aus der Hand. Genüsslich lecke ich mir über mein Maul, nachdem ich das verdammt leckere Brötchen runtergeschluckt hatte. „Danke.“ , meine ich zu ihm, in dem Wissen, dass er nur ein leises Grummeln versteht.
Am Horizont lässt sich schwacher Schemen erkennen. Er ist so oft hier gewesen. Er weiß, dass, wenn er noch näher kommt, zuerst die dunklen Klippen deutlich zusehen sein werden, danach der Wald und vielleicht der schmale Strand. Doch gerade hat der Schreckliche Schrecken keinen Blick übrig für diese Details. Nicht jetzt. Der Anblick seiner Insel lässt Rhaokinchim noch einmal seine letzten Kräfte mobilisieren. Er ist den ganzen Tag geflogen. Sie brauchte ihre Hilfe. Nachdem er die letzten Tage zwei Schiffe von Wikingern bis zu ihrer Heimatinsel verfolgt hatte, hatte er die letzte Nacht unruhig geschlafen. Die gesamte Strecke zurück hatte er in einem Bruchteil der Zeit geschafft. Er hatte sich vorher an die Geschwindigkeit der Schiffe anpassen müssen, um sie auf keinen Fall zu verlieren. Dieser Umstand hat es ihm allerdings auch erlaubt, zwischendurch Flugpausen einzulegen. Was dem Schrecklichen Schrecken entgangen ist: Aufgrund einer dieser Pausen hatte er den Fluchtversuch seiner Freundin nicht mitbekommen. Und trotz der Pausen ist er nun erschöpft. Doch er muss sich beeilen. Wer weiß, was Wikinger mit gefangenen Nachtschatten anstellen? Als dann das offenbare Ziel der verfolgten Schiffe in Sicht kam, wollte Rhao lediglich sicher gehen. Er hatte sie weiterhin verfolgt, bis zum Morgen, an dem sie anlegten und ihre Fracht an Deck brachten. Im Schutz der Morgendämmerung hatte sich der kleine Drache bis nahe an die Schiffe heran gewagt. Die Wikinger hatten ihr nichts Erkennbares angetan, und sie lebte noch. Wenn auch in einem Käfig umgeben von Menschen. Bevor ihn doch noch jemand entdecken konnte, drehte der Schrecken ab, mit der festen Überzeugung zurückzukehren.
Kapitel 24 – nächtliche Überraschung
Meine Ohren zucken leicht, als sie das Geräusch leiser, tapsender Schritte erreicht. Dieses Geräusch hat mich mitten in der Nacht geweckt und ich versuche den Ursprung auszumachen, ohne mich merkbar zu bewegen. Ein erneutes Klappern ertönt, gefolgt von einem, nein, zwei Schatten am Eingang. Misstrauisch ziehe ich mich weiter in den dunklen Bereich meiner Zelle zurück, wo die Schatten am tiefsten sind. Nun sind lediglich meine hellen Augen in der Dunkelheit auszumachen. Aufmerksam lausche ich auf die Geräusche außerhalb meines Käfigs, welche sich nun der Zelle rechts von meiner nähern. Nach einem kurzen Stopp dort, schleichen die Gestalten weiter. Ein „Schscht!“ aus eben dieser Richtung lässt mich aufhorchen und die Schatten tauchen vor dem Gitter meiner Zelle auf. Überrascht hebe ich halbwegs den Kopf und trete behutsam aus der dunkelsten Ecke heraus in den Halbschatten vor den Eisenstangen. Es sind nur zwei Kinder. Diese zucken zusammen als sie mich erblicken und weichen beide einige Schritte zurück. Beruhigend grummeln nähere ich mich dem Gitter und wirklich; vorsichtigen Schrittes nähern die beiden sich erneut, bis der größere der beiden seinen Freund einen halben Schritt vor dem Gitter zurückhält. „Warte, denk dran, was über diesen Drachen erzählt wird.“ , erinnert der größere. „Ja, aber er sieht so freundlich aus.“ , entgegnet der kleinere. Ich senke den Kopf, um auf Augenhöhe mit den beiden Jungs zu sein und schnaube. Der größere erschrickt, doch sein Freund, vielleicht ist es auch sein Bruder, bekommt leuchtende Augen. Er sieht nicht so aus, als würde er die vermutlich wilden Geschichten über Nachtschatten wirklich glauben. Mit einer Zuversicht, die ich dem kleinen Jungen nicht zugetraut hätte, überwindet er die letzte Distanz zu meinem Gitter und streckt seine Hand aus. Ich lasse zu, dass er erst vorsichtig, dann immer mutiger meine Stirn berührt und mir über die Nase streichelt. Ich versuche es zu unterdrücken, jedoch fängt meine Nase schrecklich an zu kribbeln und ich muss laut niesen. Bei diesem Schreck macht der größere Junge sich beinahe in die Hose und wird ganz bleich, während der andere anfängt zu kichern. Plötzlich wird er von einer strengen Stimme unterbrochen: „Weg von dem Käfig. Sofort!“ Fjell hat seine Arme ärgerlich auf die Hüften gestemmt und lässt keinen Zweifel daran, dass mit ihm gerade nicht zu scherzen ist. Ertappt ziehen beide Jungen die Köpfe ein und treten von dem Gitter zurück. „Ihr dürftet überhaupt nicht hier sein. Verschwindet, ab in eure Betten und wehe ich erwische euch noch einmal, wie ihr euch an meinen Wachen vorbei schleicht!“ , scheucht der Kerkermeister die beiden Einbrecher aus der Höhle. Nach dem strengen Blick, mit welchem er die beiden bedacht hat, bezweifle ich keineswegs, dass sie seine Anweisung befolgen und direkt nach Hause laufen. Statt sich über die kleinen Eindringlinge oder die nächtliche Störung zu ärgern, blickt er mich verwundert und nachdenklich an. Wie lange hat er schon unbemerkt da gestanden, bevor er etwas gesagt hat? Hat er gesehen, wie nah ich den Jungen heran gelassen hab? Das würde seinen verwunderten Gesichtsausdruck erklären. Fjell schüttelt jedoch nur leicht den Kopf und begibt sich anschließend zurück zu seiner kleinen Höhle. Erst als die Schritte verklungen sind, lege ich mich wieder in den Schatten und schlafe weiter.
Trotz der nächtlichen Störung ist Fjell schon so früh auf wie die letzten Tage und nachdem er mir etwas zu essen gegeben hat, macht er sich auf zu seinem täglichen Rundgang. Es sind zwar keine weiteren Drachen da, soweit ich das beurteilen kann, aber ich vermute, dass Fjell auch für die menschlichen Gefangenen verantwortlich ist. Vorher hat der Kerkermeister allerdings wieder mit mir geredet, unbeachtet dessen, dass ich nicht antworten kann und er nicht einmal weiß, dass ich ihn überhaupt verstehe. So langsam kommt mir der Verdacht, dass der alte Wikinger einfach einsam ist und jemanden zum Reden braucht. Offensichtlich bin ich die Einzige, mit der er das kann. Nichtsdestotrotz bin ich nicht beleidigt, weil das wahrscheinlich der einzige Grund dafür ist, schließlich behandelt Fjell mich sehr viel freundlicher als die übrigen Wikinger. Viel freundlicher als ich damals die gefangenen Drachen behandelt habe. Ich senke beschämt den Kopf. Aus dieser neuen Perspektive kommt es mir unglaublich grausam vor. Dass ich diese Perspektive damals noch nicht hatte, ist keine Entschuldigung. Auch nicht, dass ich keine Ahnung von den Gründen unserer Feinde hatte; keine Ahnung von ihrer Sicht der Dinge. Das sind alles nur armselige Ausreden, um sich dahinter zu verstecken. Die Wahrheit ist schlicht und einfach: ich habe, genauso wie all die anderen Wikinger, nicht darüber nachgedacht, habe nicht darüber nachdenken wollen, verbessere ich mich selbst. Ich hab es nie für möglich gehalten, dass die Drachen genauso fühlen wie wir; dass uns im Grunde nicht so viel unterscheidet und die Drachen uns eigentlich ebenbürtig sind. Ich kann nur hoffen, dass ich irgendwann die Chance erhalte, etwas daran zu ändern. Ich bin mir sicher, wenn es sogar bei den Thursen einen gibt, der Drachen nicht sofort als Feind abtut, dass mein eigenes Dorf mit zuhören würde.
In diesem Moment tritt Fjell wieder in die Höhle, und er ist diesmal nicht alleine. In seiner Begleitung befinden sich Anak und ein Wikinger, der sogar noch größer ist als der hünenhafte Kapitän. Er hat dunkle, struppige Haare, die ungebändigt unter seinem grobgeschmiedeten Helm mit den zwei schwarzen Hörnern hervorschauen. Sein weiter Bart hingegen ist kunstvoll geflochten und umrahmt sein grimmig lächelndes Gesicht. Ich weiche in den Schatten meiner Zelle zurück, ja drücke mich regelrecht in die noch vorhandene Dunkelheit. Ich weiß, wer das ist und wenn auch nur die Hälfte der Geschichten wahr sind, die auf Fallow über ihn erzählt werden, ist mit diesem Wikinger alles andere als zu Spaßen. Dieser Wikinger ist Thrymr der Gewaltige, der Häuptling der Thursen.
Kapitel 25 - Kampf
„Wo ist jetzt dieser Wunderdrache, den du mir versprochen hast, Anak?“ , donnert die tiefe, raue stimme des Häuptlings durch die Höhle. Sofort vernehme ich die unterwürfige Antwort des Kapitäns: „Der Nachtschatten ist gleich dort drüben.“ „Dass es sich wirklich um einen Nachtschatten handelt, wie du behauptest, glaube ich erst, wenn ich ihn sehe.“ , entgegnet der Häuptling der Thursen grimmig. Nun taucht Anak am Gitter meiner Zelle auf und macht eine einladende Geste mit seinen Armen. Leider schwindet der Schatten, in dem ich mich schon jetzt nur noch schwerlich verbergen kann, durch das Voranschreiten des Tages. Immer mehr Sonnenlicht dringt von draußen herein. Neben dem Kapitän erscheint die riesenhafte Gestalt von Thrymr. Dahinter kann ich Fjell ausmachen, welcher keineswegs glücklich über den Besuch aussieht. Ich lasse eine unangenehme Musterung über mich ergehen, was für eine Wahl habe ich denn auch, und verkneife mir ein Knurren, weil ich fürchte, meine Stimme könnte vor Angst brechen. Denn genau das habe ich, Angst. Angst vor dem Wikinger in dessen Gewalt ich mich befinde. Und hier drin bin ich ohnmächtig mich zu wehren. Statt eines Knurren, versuche ich ihn mit meinem Blick zu erdolchen. „Ganz schön mickrig für den gefürchtetsten Drachen der bekannten Welt.“ Er wirft mir einen abfälligen Blick zu. „Lass dich nicht von seinem Aussehen täuschen.“ , beeilt Anak sich, ihn zu beschwichtigen, „Wären meine Männer nicht so bemerkenswert ausgebildet, hätte dieser Drache uns trotz Drachenwurz-Pfeilen einige Schwierigkeiten bereiten können.“ Das war, meines Erachtens, maßlos übertrieben. Sowohl die Ausbildung seiner Wikinger, als auch mich betreffend. Ich habe keine Zweifel, dass ein richtiger Nachtschatten sie vor die Pforten von Helheim verfrachtet hätte, doch ich habe mich gerade erst an diesen Körper gewöhnt. Ich bin ungeübt im Fliegen, oder im Kämpfen auf vier Beinen. Weder beherrsche ich meine Flügel richtig, noch mein Feuer. Sie hätten keine Chance gegen einen echten Nachtschatten gehabt. Noch immer unbeeindruckt tritt Thrymr näher an das Gitter heran. „Was speit diese Bestie für ein Feuer?“ Ich versuche mich nicht weiter einschüchtern zu lassen und halte dem finsteren Blick des Wikingers auf der anderen Seite des Tors stand. Währenddessen beißt Anak sich nervös auf die Lippe. Kein Wunder, er hat mein Feuer noch nicht gesehen, damit hat er keine befriedigende Antwort für seinen Häuptling. „Nun?“ , fragt dieser jetzt, seine Geduld sichtlich strapaziert, als Anak weiterhin nicht auf seine Frage geantwortet hat. „Also, eh … wir wissen es nicht. Er hat sein Feuer nicht gezeigt. Es durchaus möglich, dass er überhaupt nicht die Fähigkeit dafür besitzt.“ , gibt der Kapitän vorsichtig zu. „Dann nützt mir der Drache nichts.“, beschließt Thrymr und ist drauf und dran sich um zu drehen. „Warte.“ , Anak stellt sich vor seinen Häuptling, im Begriff diesen am Gehen zu hindern und schlägt vor: „Wie wäre es mit einer Art Testkampf? Der Nachtschatten gegen fünf meiner besten Männer. Dann siehst du, was der Drache drauf hat.“ Mit starrem Blick schaut das Oberhaupt der Thursen an dem Kapitän vorbei, er scheint zu überlegen. „Ich richte es ein, dass sie gleich heute Nachmittag bereit sind.“ , startet Anak einen weiteren Versuch es dem Häuptling doch noch recht zu machen. „Nein.“ Ich atme durch. Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass ich den Atem angehalten hatte. „Der Kampf wird gleich jetzt stattfinden.“ , ergänzt Thrymr und gibt Anak ein Handzeichen. „Sorg dafür, dass deine Männer kampfbereit hier sind.“ „Natürlich, Häuptling.“ , beinahe sieht es so aus als wolle er sich noch verbeugen, dann macht er ich eilig auf den Weg, den Befehlen folge zu leisten. Fjell, der während des Gesprächs still an der Seite stand, schaut dem Kapitän unzufrieden hinterher. „Glaubst du, es ist eine gute Idee die Männer in einen solch unnötig riskanten Kampf zu schicken? Vor allem, da doch der Angriff kurz bevor steht.“ , versucht der Kerkermeister seinen Häuptling zur Vernunft zu bringen. „Wenn der Drache das hält, was sein Ruf, der der Nachtschatten, verspricht, ist er weitaus mehr wert, als die paar Männer.“ Nachdem er mich mit einem durchdringenden Blick bedacht hat, dreht er sich zu Fjell um. „Wenn nicht, habe ich immer noch ausreichend Männer, um den Plan wie vorgesehen durch zu führen.“ Fjell nickt bedauernd, aber ergeben und begleitet Thrymr zum Eingang der Höhle. Ob ich bereit bin fragt niemand. Es interessiert sie nicht. Für den Häuptling scheine ich nur eine weitere Schachfigur in seinem Spiel zu sein. Aber offensichtlich bin ich nicht die Einzige, dessen Schicksal ihn nicht im Mindesten interessiert. Die Wikinger, die gegen mich antreten sollen, betreten in diesem Moment die Höhle, angeführt von ihrem stolz voranschreitenden Kapitän. Entschlossen stellen sich die fünf Wikinger vor ihrem Häuptling auf. Jeder von ihnen scheint stark wie ein Bär und mit je einer Waffe und einem Schild ausgestattet. Angespannt beobachte ich was draußen vor sich geht. Alles in mir sträubt sich dagegen dieses Spiel mit zu spielen. Ich will und werde mich nicht als Waffe für ihren Angriff missbrauchen lassen. Allerdings fürchte ich, wenn ich dieses Spiel verweigere und nicht kämpfe, verliere ich meinen Nutzen für den Häuptling und wenn ich für ihn nutzlos bin… Ich schüttle den Kopf. darüber kann ich mir jetzt keine Gedanken machen. Fjell hat bereits das große Gitter, welches die Gefängnishöhle abriegelt und sie vom Eingang und der kleinen Höhle trennt, geschlossen. Er, Anak und der Häuptling stehen dahinter, während die anderen fünf Wikinger drinnen Aufstellung beziehen. Dann heißt es jetzt wohl kämpfen. Vielleicht bietet sich daraus sogar eine Möglichkeit für mich zur Flucht. Bei Odin, ich hoffe es. Selbst wenn ich das Spiel mitspiele und gegen die Wikinger kämpfe, kann ich nicht sicher sein, ob dem Häuptling das reicht. Ich weiß nicht, wie ich mein Feuer einsetzte und fliegen kann ich in dieser vergleichsweise doch engen Höhle auch nicht. Ich senke entschlossen den Kopf, meine Augen zu schlitzen verengt. Aber ich weiß, wie ich als Wikinger kämpfen würde. Ich weiß mit dem Schwert umzugehen. Ich weiß vielleicht nicht, wie ich als Drache kämpfe, aber dafür weiß ich wie die Wikinger kämpfen werden. Und das kann ich zu meinem Vorteil nutzen. Ich muss nur ein bisschen erfinderisch sein. Ich bin sicher hundert Mal im Training gegen meine Freunde, Kjartan oder meinen Vater angetreten. Und noch öfter habe ich selbst gegen Drachen gekämpft. Ich kann meine Gegner in die Irre führen. Taktiken anwenden, die sie bei einem Drachen nicht erwarten würden. Ich linse hinüber zu meinen Gegnern, und stelle mich kampfbereit auf. Ja, den werde ich es zeigen. Anak scheint es für nötig zu halten, noch wahrscheinlich großgemeinte, motivierende Worte zu sagen. Dafür schreitet er mit weiten Schritten hinter dem Gitter auf und ab. Ich achte nicht weiter auf ihn. Ich mustere die Wikinger innerhalb der großen Höhle genauer. Zwei von ihnen sind mit Schwertern, weitere zwei mit Äxten und der Letzte mit einer Keule bewaffnet. Sie sind stark, aber aufgrund ihrer Größe dürften sie nicht besonders schnell oder wendig sein. Den Größten sollte ich, wenn es geht, zuerst ausschalten, wenn es sein muss auch erst mal nur temporär. Nun schein es Thrymr zu viel zu werden, er unterbricht Anak: „Schluss jetzt, mit dem Gerede. Sie sind hier um zu kämpfen. Zeig mir was der Drache draufhat!“ Anak wirkt beleidigt, doch seine Männer marschieren auf die Mitte der Höhle zu. Einer von ihnen peilt meinen Käfig an. Er hat den Schlüssel. Mit wachsam umherhuschenden Augen ducke ich mich in Kampfposition und warte angespannt darauf, dass das Gitter sich öffnet. Auch die vier Männer in der Mitte machen sich bereit. Mit einem Knartschen schwingt die Gittertür auf, und begleitet von meinem wütenden Brüllen, stürze mich auf die Wikinger. Ich springe ab und halte auf den größten Wikinger zu. Dieser zieht seinen Schild hoch und hebt seine Axt. Auch die beiden Männer links und rechts neben ihm heben ihre Waffen, bereit mich zu treffen, sobald ich landen würde. Kurz bevor ich jedoch in die Reichweite ihrer Waffen gelange schlage ich einmal kräftig mit den Flügeln und lande hinter ihnen, anstatt direkt bei ihnen. Noch bevor sie sich überrascht umdrehen können, mache ich eine Drehung und habe dem Großen meinen Schwanz ins Gesicht gefegt. Benebelt geht dieser zu Boden. Wütend laufen die anderen beiden auf mich zu, während der vierte mich offenbar einzukreisen versucht. Ich wende mich dem Wikinger links von mir zu und öffne mein Maul. Dabei mache ich ein zischendes Geräusch und hohle tief Luft. Mein Gegner fällt darauf rein und zieht schützend seinen Schild hoch. Dadurch sieht er mich zu spät kommen und findet sich auf dem Boden wieder. Ich schlage ihm mit einer Pfote das Schwert aus der Hand und sorge mit einem Schwanzschlag dafür, dass es erst am Rande der Höhle zum liegen kommt. Nun muss ich allerdings dem anderen Schwert von rechts ausweichen und springe von dem Wikinger runter, im Begriff mehr Platz zwischen mir und den beiden noch stehenden Wikingern zu schaffen. Leider habe ich dabei den fünften Mann, der das Gitter geöffnet hat, völlig vergessen, auf den ich nun direkt zugesprungen bin. Nur mit Mühe und Not kann ich seiner Keule ausweichen. Mit einem Flügelschlag bringe ich mich auf Abstand. Ohne zu zögern attackiere ich den Neudazugekommenen. Ich ducke mich unter seiner geschwungenen Keule hindurch und lasse meine Krallen auf ihn niederfahren. Erst im letzten Moment schafft er es seinen Schild zwischen sich und meine Kralle zu bringen. Ich lasse von ihm ab. Immerhin ein paar Kratzer auf seinen Armen konnte ich hinterlassen. Sogleich beanspruchen die zwei anderen Wikinger mit einem koordinierten Angriff meine Aufmerksamkeit. Leider scheint es nicht lange bei der geringen Gegnerzahl zu bleiben. Der Große fängt bereits an, sich aufzurappeln und greift nach seiner Waffe. Doch gerade habe ich keine Zeit mir um ihn Gedanken zu machen. Die zwei Wikinger stürmen von links und rechts auf mich zu. Ich springe in die Luft gerade in dem Moment, in dem der eine seine Axt schwingt. Er kann den Schwung nicht mehr stoppen und er trifft den Schild seines Kameraden und sie bleibt darin stecken. Ich lande direkt auf ihren Rücken und zusammen fallen sie unter meinem Gewicht zu Boden. Jetzt kann ich mich dem großen Wikinger zuwenden. Dieser steht nun wieder kampfbereit und scheint mich seinerseits zu beobachten. Zwischen uns steht noch der Wikinger, den ich umgeworfen hatte, trotzdem stürme ich direkt auf den Großen zu, an dem anderen vorbei. Als ich neben ihm bin, ramme ich ihm meinen Flügel in den Bauch und renne weiter. Bei dem Größten angekommen hebe ich meine Klaue, doch er schlägt mir seinen Schild seitlich gegen den Kopf. Den Schlag habe ich nicht kommen gesehen und weiche jaulend zurück. Wütender als zuvor stürme ich erneut auf ihn zu. Ich täusche einen Sprung an, doch zu meinem Leidwesen fällt er nicht darauf rein. Nach einem kräftigen Tritt von ihm lande ich auf der Seite. Ich stemme mich hoch und mit großen Sätzen umrunde ich den Wikinger knurrend. Sich nicht schnell genug mitdrehend, schaffe ich es ihn von der Seite anzugreifen und verbeiße mich in seiner Schulter. Er versucht mich abzuschütteln, kann mich jedoch nicht mit seiner Axt erreichen. Schließlich lasse ich locker und gebe ihm eine Kopfnuss. Bewusstlos sackt er in sich zusammen. Endlich einer weniger. Keuchend blicke ich mich um. Inzwischen haben sich die zwei Wikinger wieder aufgerappelt. Der eine ohne Axt, der andere nun ohne Schild. Der, den ich in den Bauch geschlagen habe, schleicht sich von hinten um mich herum. Ich gebe vor ihn nicht zu bemerken, während ich die beiden vor mir anfauche. Leider habe ich den vierten hinter mir wirklich nicht bemerkt, bis ich das Schwert an meiner Seite spüre. Ich brülle auf vor Schmerz. Mein Versuch, nach dem Angreifer zu schlagen, schlägt fehl und ich knicke ein. Mühsam richte ich mich wieder auf und schaue mich keuchend um. Eingekreist von meinen Feinden habe ich keine Gelegenheit nach der Wunde zu sehen, jedoch spüre ich deutlich, wie mein Blut warm und dickflüssig hinausrinnt. Die Wikinger machen sich bereit für einen weiteren Angriff. Schwer atmend, aber entschlossen fauchend stehe ich ihnen gegenüber. Zu meiner Verwunderung ertönt die Stimme des Häuptlings: „Es reicht. Ich habe genug gesehen.“ Die Wikinger schauen irritiert zum großen Tor, weichen aber folgsam von mir zurück. Erleichtert, aber weiterhin aufmerksam gebe ich meine angespannte Haltung auf und widme mich meiner Wunde. Ein recht sauberer Schnitt an der Seite meines Brustkorbes, knapp unterhalb meines Flügelansatzes. Nicht besonders tief, trotzdem dringt viel Blut heraus. Behutsam fahre ich mit der Zunge darüber. „Wir wollen ja nicht, dass sich unser Wunderdrache weiter verletzt, nicht wahr?“ , höre ich das Oberhaupt der Thursen sagen. Ich hebe misstrauisch den Kopf. Er ist doch sicher nicht an meinem Befinden interessiert. Der Häuptling fährt fort: „Wenn er uns helfen soll, brauche ich ihn bei voller Stärke. Also,“ , er richtet sich an Anak, „finde einen Weg den Drachen bei dem Angriff einzusetzen. Ansonsten eignen sich seine Schuppen sicher hervorragend für einen neuen Lederumhang.“ Mit diesen Worten dreht Thrymr sich um und verlässt die Höhle mit stapfenden Schritten, welche als Echo von den Wänden nachhallen.
Schnell schließe ich die Tür zur Kneipe hinter mir. Viele Köpfe drehen sich zu mir um, aufgrund der eisigen Luft die mein Eintreten begleitet hatte. Mir der vielen Blicke bewusst, lege ich meinen Mantel ab und bahne mir einen Weg zum Tresen. Gemurmel begleitet mich. Das bin ich gewöhnt. Seit ich nur knapp dem Tod, nein dem Ragnarök, entkommen bin, ziert eine hässliche Narbe die Hälfte meines Gesichtes und meinen Hals. Was die Leute nicht wissen: Mein ganzer Körper ist mit diesen scheußlichen Narben übersät. Seit diesem einen Tag. Mit grimmigem Gesicht setze ich mich an die Bar und verlange von dem Wikinger dahinter ein Bier. Aus den Augenwinkeln bemerke ich einen älteren Wikinger, der sich neben mich setzt und dem Barkeeper einen Wink gibt. Unser Bier wird serviert und nach einem langen Schluck, wendet sich der Mann zu mir. „Ich wette du hast eine spannende Geschichte dazu zu erzählen.“ Er deutet auf mein Gesicht. „Allerdings.“ , antworte ich nur schlicht. Der alte Mann winkt dem Wikinger hinter der Theke. „Noch ein Bier für meinen Freund hier.“ Ich seufze. Na gut, und beginne zu erzählen:
„Es war vor knapp zwei Jahren. Mein Stamm hatte es lange geplant und sich sogar die Unterstützung der Berserker gesichert. Ein Nest voller Drachen. Das war unser Ziel. An diesem Tag war es nebelig und selbst mit unserer gesamten Flotte bemerkten uns die Bestien zu spät. Als wir angriffen, stießen wir zwar auf starken Widerstand, doch darauf waren wir vorbereitet und wir waren viele. Nach und nach gingen uns die Drachen in die Fallen.“
Nun wende auch ich mich dem Fremden zu. Dabei beachte ich nicht die Leute um uns herum, die schnell so tuen, als hätten sie nicht neugierig meiner Erzählung gelauscht.
„Soweit ich es damals beurteilen konnte, sah es sehr gut für uns aus. Fast schon wären wir in die Höhlen eingedrungen. Zu dem Zeitpunkt als er auftauchte, war ich auf einem unsere Schiffe. Wir sollten mit den Katapulten nachhelfen.“
„Er?“ , fällt eine Frage hinter mir. Ich blicke mich um. Einige Wikinger haben sich um uns versammelt und lauschen gespannt. Also fahre ich fort:
„Ja, er. Ein Gigant. Größer als alles was ich bisher gesehen habe. Sein Gebrüll lässt den Boden vibrieren. Als er in den Himmel aufstieg, verdunkelte sich die Sonne. Für einen Moment, war alles still. Totenstill. Dann, nur Augenblicke später, ertönte ein Brüllen, so laut, dass die Masten und Segel erzitterten. Die Drachen flohen. Alle. Sie wussten, was kommen würde. Brachten sich in Sicherheit. Wir hatten keine Ahnung, wie schlimm es werden würde. Der Gigant landete vor unseren Truppen, sodass der Boden erbebte. Seine rotorangenen Augen zu Schlitzen verengt und seine riesigen Schwingen zitternd vor Wut. Aus ihnen trat ein schwarzer Nebel hervor. Diese schwarzen Flammen, wie ich später erkannte, waren verhängnisvoller, als die Flammen aller anderen Drachen. Darauf folgte ein Inferno. Niemand entkam. Diese Flammen verschlangen alles.“
Bei den Gedanken an diese Momente der Schlacht erschaudere ich.
„Der Drache versenkte unsere Schiffe reihenweise. Es ging so schnell, dass ich kaum wusste wie mir geschah. Als die Flammen unser Schiff erreichten, dachte ich schon, jetzt sei es aus. Diesen Flammen verdanke ich meine Narben. Ein schrecklicher Schmerz durchfuhr mich bis in die Knochen, als das pechschwarze Feuer an meiner Haut leckte. Es gab keine Möglichkeit zu entkommen. Der Drache, Ragnarök, würde uns alle vernichten. Nach nur wenigen Minuten voller Schreie und knisternden Flammen, setzte erneut die Totenstille ein. Diesmal wirklich. Mein gesamter Stamm wurde an diesem einen Tag ausgelöscht. Alle Schiffe waren versenkt oder brannten lichterloh, ohne Licht. Diese schwarzen Flammen... Unser Schiff war als einziges geblieben. Zwei meiner Kameraden und ich, die einzigen Überlebenden. Von einer Flotte mit 2 000 Mann. Für uns war der Albtraum noch nicht vorbei. Der Drache landete vor uns im Wasser. Die von ihm ausgelöste Welle, ließ unser Schiff heftig schaukeln. Direkt vor ihm war es nur eine kleine Nussschale. Nach einem ohrenbetäubenden Schrei, erhob er seine Stimme. Dunkel und grollend, wie ein alter Vulkan. Und genau das war er; ein Vulkan, brodelnd vor Wut und Hass. Er sagte zu uns: Verbreitet die Kunde des Ragnarök. Jeden der es wagt, dieser Insel zu nahe zu kommen, soll das gleiche Schicksal bestimmt sein. Niemand würde es überleben.“
Nachdenklich steht der alte Wikinger an dem Fenster seiner kleinen Hütte und stützt sich auf seinen Gehstock. Draußen werden die pechschwarzen Wolken in dem natureigenen Rhythmus von Blitzen erhellt. Der Alte wendet sich dem Feuer im Inneren seiner Hütte zu und den darum versammelten Kindern, die ihn abwartend anschauen. „Habe ich euch jemals von der Insel der Nacht und dem Grauen Dämon erzählt?“ , fragt der alte Wikinger, während er sich mühsam auf seinen Hocker sinken lässt. Begeistert verneinen die Kinder und geduldige Stille breitet sich in der nur vom Feuer erleuchteten Hütte aus. Der Alte blickt in die auflodernden Flammen und sein Blick wird glasig. Er beginnt zu erzählen:
„Die Insel der Nacht. So bezeichnet der alte Mythos eine Insel, dessen Position unbekannt ist. Abgelegen und unentdeckt leben dort die letzten Nachtschatten friedlich in einer Kolonie zusammen. So sagt die Legende. Was die meisten Wikinger jedoch nicht wissen: die Legende ist wahr. Selbst von anderen Drachenarten separiert, hatten die Nachtschatten in ihrer Insel ein sicheres Zuhause. Doch ab und an wird selbst die abgelegenste Insel im Ozean von einer verirrten Wikingerflotte entdeckt. Und genau hier beginnt die Geschichte. Vor vielen Jahren mussten die letzten schwarzgeschuppten Drachen auf eine schreckliche Art erfahren, dass ihre Insel nicht unauffindbar ist. Als die Schiffe eines grausamen Stammes an ihren Stränden landeten, wussten die Drachen noch nicht, was auf sie zukommen würde. Der damalige Anführer der Kolonie versammelte alle kampffähigen Drachen, die er aufbringen konnte. Selbst die jüngeren sollten kämpfen. Die Nachtschatten folgten ihrem Anführer in eine aussichtslos erscheinende Schlacht. Vielleicht hätten sie ihm nicht blind vertrauen sollen, denn während des harten und blutigen Kampfes, verschwand der Anführer der Drachen spurlos. Er hatte sich aus dem Staub gemacht und seine Familie und Freunde im Stich gelassen, welche führungslos zurückblieben. Ohne ihren Anführer verstreuten sich die Nachtschatten in ihrer Verzweiflung. Jeder von ihnen versuchte nur noch zu überleben. Niemand glaubte mehr an einen Sieg. Außer einem.“
Ein durchdringender Donner ertönt und lässt die Kinder zusammenzucken. Der alte Mann hält kurz inne und lauscht dem abklingenden Grollen. Dann fährt er fort:
„Ein großer, grauschwarzer Nachtschatten, welcher an der Seite seiner Gefährtin kämpfte, verlor nicht seinen Mut. Ihren Sohn hatte er zuvor schon im Chaos der Schlacht aus den Augen verloren. An dem Tiefpunkt der Drachen, wusste er, er müsste irgendetwas tun, sonst drohe ihnen allen ein grauenhaftes Schicksal. Mit den Gedanken an seine Familie, stürzte er sich beinahe alleine in den Kampf gegen die Wikinger. Durch seinen Kampfgeist angesteckt, fanden viele seiner Mitstreiter ihre Hoffnung wieder. Der Graue bekämpfte seine Feinde selbst dann noch unnachgiebig und entschlossen, als sein Körper mit Blut überströmt und er am Ende seiner Kräfte war. Letzten Endes führte er so die Nachtschatten zum Sieg und befreite die Insel der Nacht von ihren Eindringlingen. Nach dieser Schlacht feierten die Drachen ihren neuen Anführer. Doch der Kampf hatte viele Verluste auf beiden Seiten eingefordert. Viele der Drachen waren schwer verletzt und auch der Graue trug viele Narben davon. Von da an zeichnete ihn eine Narbe über sein linkes Auge, doch er und seine Gefährtin hatten einen noch viel schwerwiegenderen Verlust zu verkraften: Ihr Sohn war während der Schlacht ebenfalls verloren gegangen.“
Der alte Mann schaut verschwörerisch der Runde nach in die vom Feuerschein erleuchteten Gesichter und beendet seine Geschichte:
„Es heißt, der halbblinde Nachtschatten, welche ab diesem Zeitpunkt als der Graue Dämon bekannt war, suche noch immer nach seinem verschollen Sohn.“
Trübselig starre ich in die grauen Wolken und knabbere lustlos an einem weiteren rohen Fisch. Als der Sturm am folgenden Morgen zwischenzeitlich etwas abgeflaut ist, bin ich fischen gegangen. Der Riesenhafte Albtraum hatte sich bis dahin schon verzogen und ich scheine auch sonst alleine auf der Insel zu sein. Somit habe ich viel Zeit zum Nachdenken. Wie kann es sein, dass ich mich in einen Nachtschatten verwandelt habe? Die einzige Erklärung, die mir bis jetzt einfallen will, ist, dass dies der Zorn oder zumindest der Wille der Götter sein muss. Aber wenn ersteres der Fall ist, warum sind sie wütend? Und wieso ich? Es ist nie so gewesen, dass ich besonders abergläubisch war, aber mein Dorf hat die Götter schon immer verehrt. Es gibt keinen Grund, warum sie uns, oder mich, bestrafen sollten. Vielleicht ist dies ein Scherz Lokis. Ich hoffe nicht, denn dann wüsste ich nicht, wie ich es rückgängig machen könnte. Verzweifelt brülle ich bei diesem Gedanken auf. Verdammt, in jedem Fall habe ich keine Ahnung, wie ich mich wieder zurück verwandeln kann. Ich hab einfach so viele Fragen und niemanden der sie mir beantworten könnte. Meine Gedanken werden durch ein erneutes Aufblitzen des Himmels unterbrochen. Zornig, kommt es mir in den Sinn. Es wirkt … zornig.
Den ganzen Tag über hielt der Sturm an und wurde zum Abend hin sogar stärker. Ich habe mich an einer der Höhlenwände zusammengerollt. Zwangsläufig muss ich an einige solcher Abenden denken, die ich gemeinsam mit meinen Freunden verbracht hatte. Bei solchen Gewittern hatten wir uns bei Whetu in seiner Hütte zusammen gefunden und ein paar seiner Geschichten gelauscht. Und der alte Mann hat viele zu erzählen. Beinahe jedes Mal kam er mit einer weiteren an, die wir noch nicht kannten. So wurde es schnell zu einer Art Tradition, wann immer Thor Blitze hinabschleuderte, uns in Whetus Hütte zu treffen. In Gedanken bei diesen lustigen Abenden, fühle ich mich mit einem Mal furchtbar alleine. Ich stelle mir vor, wie wir jetzt gemeinsam in dieser Hütte sitzen würden. Obwohl meine Freunde eigentlich gar nicht so weit entfernt sind, bin ich doch binnen weniger Tage Welten von ihnen getrennt worden. Plötzlich vernehmen meine nun so empfindlichen Ohren ein flatterndes Geräusch inmitten des Sturms. Durch den Regenschleier taucht ein Drache auf. Sofort sticht sein zweites Flügelpaar ins Auge. Trotz des heftigen Winds, der unablässig am Höhleneingang vorbei pfeift, landet dieser elegant auf dem kleinen Vorsprung und betritt die Höhle. Eigentlich ist Gesellschaft genau das, was ich brauche. Die Einsamkeit ist erdrückend. Doch nicht von einem Drachen. Also knurre ich nur missmutig: „Verschwinde. Such dir deine eigene Höhle.“ Der Drache schaut erst mich, dann den heftigen Sturm draußen vor der Höhle an und hat wohl entschieden, dass ich das kleinere Übel sei, denn er schüttelt sich lediglich das Wasser von den Schuppen und macht es sich in der Nähe des Höhleneingangs bequem. Nachdem er mich eine Zeit lang merkwürdig angeschaut hat, sagt er mit einem freundlichen Lächeln: „Gegen dich ist dieses Wetter der reinste Sonnenschein.“ Grummelnd blicke ich in die Regenfäden, die der Wind am Eingang der Höhle vorbei treibt. Es fängt erneut an zu blitzen und ein lauter, durchdringender Donner ertönt. Ich sage nichts weiter dazu. Offensichtlich sehne ich mich so sehr nach Gesellschaft, dass ich sogar die eines Drachens der Einsamkeit vorziehe. „Ich bin übrigens Wolkensturm.” , versucht er ein Gespräch zu beginnen, doch ich erwidere nichts. Demonstrativ wende ich ihm im liegen den Rücken zu und lege meinen Schwanz um den restlichen Haufen Fisch, den ich mir aufbewahrt habe. Während es immer dunkler wird, bette ich meinen Kopf auf meine Pfoten und versuche einzuschlafen. Überdeutlich höre ich das sanfte Atmen des anderen Drachen, welcher sich als Wolkensturm vorgestellt hat und schon eingeschlafen ist. Irgendwie ist es beruhigend und im Gegensatz zur ersten Nacht in der Höhle schlafe ich ruhig und tief.
Auch am nächsten Morgen hat der Sturm nicht nachgelassen. Ich bin vor Wolkensturm aufgewacht und betrachte ihn nachdenklich. Vor einiger Zeit habe ich schon einmal von einer Drachenrasse mit zwei Flügelpaaren gehört. Sie wurden als Sturmbrecher bezeichnet. Nun fängt auch er langsam an, sich zu regen und unterbricht so meine Gedanken. Eilig schaue ich nach draußen. „Wer bei diesem halsbrecherischen Wind noch draußen rumfliegt, müsste von allen guten Geistern verlassen sein. Scheint so als würden wir fürs erste hier zusammen festsitzen.“ , bemerkt er. Ich werfe ihm einen Seitenblick zu. „Das hat mir gerade noch gefehlt.“ , murmle ich. Insgeheim bin ich allerdings froh über diese anhaltende Gesellschaft. Mit deutlich mehr Appetit als am Vortag widme ich mich kurz darauf meinem Frühstück. Als er sich unbemerkt fühlt, wirft Wolkensturm einen sehnsüchtigen Blick auf meine Fische, doch sobald ich wieder den Kopf hebe, schaut er nur gelangweilt hinaus. Es wird ihm nicht möglich sein, sich demnächst etwas zu essen zu fangen, überlege ich. Ich werfe einen abschätzenden Blick auf meinen Fischhaufen, dann schubse ich einige Fische in seine Richtung. „Hast du Hunger?“ Überrascht blickt mich Wolkensturm an. „Wirklich?“, fragt er zögerlich. Während ich schon einen Fisch im Maul habe, nicke ich bestätigend. „Danke.“ , sagt er ehrlich und folgt meinen Beispiel.
Kapitel 12 – Vertrauen?
Während wir dort so nebeneinander sitzen und unsere Fische fressen, werfe ich Wolkensturm verstohlen einen Blick zu. Er wirft alle meine Vorstellungen über den Haufen. Uns wurde immer von den blutrünstigen Bestien erzählt, die keine Gelegenheit auslassen zu töten. Nun, ich sehe zwar nicht mehr aus wie ein Wikinger, aber irgendwie hatte ich angenommen, die Drachen würden auch miteinander so umspringen. Doch Wolkensturm wirkt weder blutrünstig noch wie eine wirkliche Bestie. „Wie bist du eigentlich hier her gekommen?“ , fragt dieser nun. Kurz überlege ich, was ich sagen soll, dann antworte ich wahrheitsgemäß: „Ich wurde von meiner Insel verjagt.“ Mehr gebe ich nicht preis. Wolkensturm schaut mich teilnahmsvoll an. „Das tut mir leid. Waren es Wikinger?“ Überrumpelt stottere ich: „J-ja.“ „Oh...“ , sagt er betreten. Bevor Wolkensturm weitere unangenehme Fragen stellen kann, auf die ich für ihn keine Antwort habe, wechsle ich schnell das Thema: „Und was machst du hier?“ Wie könnte ich ihm auch etwas erklären, das ich selbst nicht verstehe? Und ich fang lieber gar nicht erst damit an, dass diese Wikinger meine Familie sind. Offensichtlich durchschaut er meinen Versuch weitere Fragen zu vermeiden, auch wenn es einen anderen Grund hat, als er vielleicht annimmt und antwortet mir bereitwillig: „Ich wollte einen alten Freund besuchen, aber dieser Sturm hat mich wohl stark vom Kurs abgebracht.“ Aus irgendeinem Grund versetzt mir das einen Stich. Ich ringe mich durch zu lächeln: „Ah, schön.“ , und wende mich ab. Betreten setzte ich mich an den Eingang der Höhle und starre in den Regen. Es ist völlig irrational, aber ich fühle mich auf ein mal wieder einsam. Abgeschottet von meinen Freunden. Wolkensturm setzt sich neben mich und wirft mir einen Seitenblick zu. Er setzt an, etwas zu sagen, bricht jedoch ab. Stille breitet sich aus und schweigend schauen wir gemeinsam in das Unwetter außerhalb unseres Unterschlupfes. Ich verstehe es selbst nicht, aber plötzlich fühle ich mich weniger alleine. Nach einiger Zeit blickt er mich an. „Ist alles in Ordnung bei dir?“ Langsam nicke ich, „Ja, es ist nichts.“ , winke ich ab und schaue wieder hinaus. Ich hadere mit mir, murmle dann aber doch: „Svenja.“ „Was?“ , fragt der Sturmbrecher verwirrt. „Ich heiße Svenja.“ , eröffne ich ihm. Zögernd schaue ich ihm in die Augen und bedeutungsvoll erwidert er den Blick. Dann fängt er an zu kichern und kann kaum das Lachen unterdrücken. „Das ist ein merkwürdiger Name für einen Nachtschatten.“ , kichert er. Ich setze einen spielerisch beleidigten Blick auf, sein tiefes Lachen ist jedoch so ansteckend, dass ich schon nach kurzer Zeit mit einsteige.
Am Abend haben wir beide uns nicht unweit des Einganges zusammen gerollt und lauschen dem Prasseln des Regens. Angestrengt horche ich auf das entfernte Donnern. Das Gewitter ebbt ab, doch es regnet unbarmherzig weiter. Dieser Sturm hat im Dorf sicher einige Schäden angerichtet. Wahrscheinlich sind sie trotz des Regens schon dabei, das nötigste wieder herzurichten. Der Mast auf dem Dorfplatz mit dem großen Banner ist bestimmt mal wieder umgekippt und muss mühselig erneut aufgerichtet werden. Vielleicht sind die Yaks von Skipp bei dem Wind durchgedreht und haben die Umzäunung nieder getrampelt. Es wäre jetzt die Aufgabe von mir und meinen Freunden, sie wieder zusammen zu treiben. Am liebsten würde ich nachsehen gehen, ob bei ihnen alles in Ordnung ist. Aber das ist nicht möglich. Betrübt lege ich meinen Kopf auf meine Arme – verdammt, Pfoten! „Was machst du, wenn der Regen aufhört?“ , fragt Wolkensturm in das Schweigen hinein. „Was meinst du?“ , entgegne ich schläfrig. „Naja, du meintest du bist her gekommen, weil du von deiner Insel vertrieben wurdest. Was hast du dann vor, wenn der Sturm abflaut?“ , erklärt er. Ich hebe unsicher den Kopf. Ich habe darüber noch gar nicht nachgedacht. „Ich – weiß es nicht.“ , antworte ich deshalb niedergeschlagen. „Vielleicht kannst du dir deine Insel zurückholen.“ , macht der Sturmbrecher einen Vorschlag. Ich schüttle den Kopf: „Nein, das geht nicht.“ Aber was mache ich dann? Ich könnte einfach auf dieser Insel bleiben. Diese Idee verwerfe ich schnell wieder. Was soll ich denn hier machen? Die Nähe zu Fallow wird mich immer wieder daran erinnern, was ich verloren hab. Außerdem wird irgendwann bekannt, dass hier ein Nachtschatten wohnt. Nein, hier bleiben ist keine Option. Doch was dann? So schwer es mir auch fällt, muss ich zugeben, dass es am besten wäre, ein neues Leben zu beginnen. Weit weg von meinem alten Leben. Ich seufze. Was machen Drachen denn so den ganzen Tag? Faul in der Sonne liegen und ab und zu Dörfer für Futter überfallen? Das wäre auf keinen Fall das, was mir bei einem Neuanfang vorschwebt. Das einzige, was ich weiß ist, dass ich nicht hierbleiben kann. Vielleicht kommt alles Weitere mit der Zeit. Ich könnte von Insel zu Insel reisen und möglicherweise kommt mir dann eine Idee, was ich mit meinem neuen Leben anfangen soll. Mein neues Leben. Das klingt beinahe beängstigend. Aber ich hab doch keine Wahl, als alles hinter mir zu lassen.
Etwas kitzelt mich an der Nase, sodass ich niesen muss und zwingt mich dadurch aufzuwachen. Verschlafen drehe ich mich auf den Rücken. Ich strecke mich genüsslich und gähne. Ein warmer Sonnenstrahl scheint direkt auf meinen Bauch. Moment – Sonne!? Ich springe auf und stolpere zum Höhleneingang. Statt dunkler Wolken begrüßt mich ein strahlend blauer Himmel. „Hey! Wolken…“ , ich drehe mich um und stocke. „…sturm?“ Die Höhle ist leer. Ungläubig starre ich hinein. Möglicherweise ist er einfach vor die Höhle gegangen. Ein kurzer Blick nach draußen genügt, um zu erkennen, dass dem nicht so ist. Wolkensturm ist weg! Er hat sich nicht einmal verabschiedet. Wütend stampfe ich in der Höhle umher. Er ist einfach abgehauen. Sobald der Wind sich gelegt hatte und es ihm wieder möglich war draußen zu fliegen, war er weg. Irgendwie bin ich deswegen enttäuscht. Es ist nur ein Drache, denke ich traurig, wie konnte ich mehr erwarten. Aber… ach keine Ahnung. Ich dachte wir wären zumindest so etwas ähnliches wie – Ja, so etwas ähnliches wie Freunde. Auf ein Mal höre ich ein flatterndes Flattern. Mein Kopf schnellt zur Höhlenöffnung. Elegant landet dieser vierflüglige Drache mit einem Maul voller Fischer auf dem Vorsprung der Höhle. Baff starre ich ihn an. Er war fischen, kommt mir die Erkenntnis. Oh. Verschämt versuche ich meine Verblüffung zu überspielen und lächle Wolkensturm zu: „Guten Morgen.“ „Ja er ist fantastisch oder? Endlich hat der Sturm sich gelegt.“ , antwortet dieser, nachdem er die Fische auf den Boden hat fallen lassen. „Ich wollte mich revanchieren und habe uns Frühstück besorgt.“
Kapitel 13 – Diebstahl
Mit gesenktem Kopf verschlinge ich die Fische. Ich habe ihm Unrecht getan. Beschämt werfe ich dem Sturmbrecher mir gegenüber einen kurzen Blick zu. Falls ihm mein komisches Verhalten auffällt, lässt er es sich nicht anmerken. Wolkensturm schluckt seinen letzten Fisch im Ganzen runter und schaut energiegeladen in den Himmel. Er sieht aus, als würde er sich jeden Moment in das wolkenlose Blau schwingen wollen. „Wirst du jetzt weiter zu deinem Freund fliegen?“ , frage ich ihn, aus irgendeinem Grund traurig über den bevorstehenden Abschied. „Ja.“ , er überlegt kurz, „Hast du Lust mit zu kommen?“ „Du willst mich dabei haben?“ , frage ich überrascht über dieses Angebot. „Ja, alleine reisen ist doch langweilig. Außerdem meintest du, du wüsstest noch nicht wohin du jetzt gehen sollst. Wenn du allerdings stattdessen deine Insel zurück erobern willst, verstehe ich das natürlich.“ , erklärt er. „Danke.“ , meine ich ergriffen , „Ich komme sehr gern mit.“ Wieso auch nicht. Er hat ja Recht, ich habe keine Ahnung was ich nun tun soll. „Dann mal los!“ , lacht er übermütig und springt zum Höhlenausgang. Voller neuem Tatendrang sehe ich Wolkensturm dabei zu, wie er sich elegant in den Himmel schwingt. Es ist schön wieder zu wissen, wohin ich will. Eine Richtung zu haben, in die ich gehen - fliegen kann, anstatt tatenlos rumzusitzen. Auch wenn ich immer noch nicht so sicher weiß wie früher, was zu tun ist, ist es immerhin ein Anfang. Nun breitet sich ein mulmiges Gefühl in meinem Magen aus, als ich auf den Vorsprung trete. Nicht das ich Höhenangst hätte, nein, aber der Gedanke zu springen, sorgt schon für ein Flattern im Magen. Ich bin zwar schon einmal ins Leere gesprungen, doch das war auf der Flucht mit lauter Adrenalin im Blut. Da hab ich nicht darüber nachgedacht. Ich hatte auch gar keine Zeit dafür. Ich bin einfach gesprungen. Jetzt denke ich viel zu viel darüber nach. Ich fasse mir ein Herz. Ich ducke mich an die Kante, breite meine tiefschwarzen Flügel aus und stoße mich kräftig vom Fels ab. Ein paar Äste schlagen gegen meine Beine, während ich knapp über den Baumwipfeln krampfhaft darum kämpfe an Höhe zu gewinnen. An sich läuft es ganz gut. Konzentriert achte ich anschließend darauf gleichmäßig mit den Flügeln zu schlagen, um die erreichte Höhe zu halten. Dabei entgeht mir jedoch nicht der schräge Seitenblick von Wolkensturm. „Haben dir deine Eltern als Jungdrache denn gar nicht das Fliegen beigebracht?“ , fragt er schmunzelnd über meinen Versuch ihm auszuweichen, als er spielerisch urplötzlich in meinem Weg geflogen war. „So könnte man es sagen.“ , entgegne ich wage. Nachdenklich werfe ich ihm unbemerkt einen kurzen Blick zu. Er findet mich sicher jetzt schon merkwürdig. Ich fürchte, irgendwann wird er sich zusammenreimen können, dass etwas mit mir nicht stimmt. Doch er wird niemals darauf kommen, was wirklich mit mir passiert ist; was ich wirklich bin. Es ist einfach … zu absurd. „Ich glaub, du brauchst nur ein wenig Übung, nachdem wir so lange in dieser Höhle festsaßen.“ Neugierig schaue ich Wolkensturm zu, der gerade eine langgezogene Kurve um mich herum fliegt und sich kurz darauf in die weißen Wolken schraubt. Unbeabsichtigt hat er mir gezeigt wie man lenkt! Zaghaft probiere ich es selbst aus und drehe die Schwanzflosse, sowie meinen Körper nach rechts. Augenblicklich fliege ich auch die Kurve und werde ein wenig mutiger mit dem Ausprobieren. Schon bald habe ich den Bogen einigermaßen raus und auch Wolkensturm stößt wieder zu mir. Er deutet nach Südwesten, wie ich dem Stand der Sonne entnehme, „Wir müssen in diese Richtung.“
Wir sind erst kurze Zeit unterwegs und ich bin noch kaum erschöpft, da taucht in einiger Entfernung ein Boot auf dem Wasser auf. Bei genauerem Betrachten stelle ich fest, dass es sich um ein Fischerboot handelt, jedoch keines von unseren. Wolkensturm steigt ein wenig höher auf, sodass er gerade oberhalb der Wolkendecke kaum zu sehen ist. Ich folge besser seinem Beispiel. „Lust auf eine kleine Wegzehrung?“ , ruft mir der Sturmbrecher ausgelassen zu. Verwirrt schaue ich ihn an, doch bevor ich etwas sagen kann, stürzt er sich in die Tiefe. Direkt auf das Boot zu, welches sich nun geradewegs unter uns befindet. Er will Fisch stehlen, wird mir jetzt klar. Unschlüssig kreise ich über dem Fischerboot und sehe zu, wie sich der einsame Drache auf die Fischernetze stürzt, begleitet von den Protestschreien der Eigentümer. Immer noch schwankend, ob ich Wolkensturm helfen sollte, drehe ich weiter meine Runden. Diesen Wikingern geht es genauso wie meinem Dorf so viele Male. Aber wie ich nun sicher weiß, können Drachen doch genauso gut alleine fischen. Warum stehlen sie dann? Wolkensturm ringt mit dem einen der beiden Männer auf dem Schiff um das Netz, als der andere hinter ihm auf einmal ein Schwert in der Hand hält. Reflexartig stoße ich hinab durch die Wolkendecke. Ich hab einfach reagiert, ohne groß nach zu denken. Der Wikinger mit dem Schwert erstarrt, als mein Schatten auf ihn fällt. Ich kann mir nur annähernd vorstellen, was ich für einen Anblick abgeben muss: ein pechschwarzer Drache mit gefletschten Zähnen, der aus dem Nichts auf einen zurast. Der Mann findet stockend seine Stimme wieder und schreit: „Naachtschatteeen!“ Auch der andere bleibt bei diesem Ausruf wie erstarrt stehen. Für Wolkensturm ist es anschließend ein leichtes ihm das Netz voller Fische zu entreißen. Zufrieden lässt er nun vom Schiff ab und entfernt sich in unsere ursprüngliche Richtung. Eilig folge ich ihm. Hinter uns ertönen die ärgerlichen Ausrufe der bestohlenen Wikinger. Bestohlen für etwas, dass wir auch gut hätten selber fangen können. „Was sollte das?“ , schnauze ich ihn an, „Wir hätten uns auch alleine Fische fangen können.“ „Ja, hätten wir.“ , gibt der Angesprochene störrisch zurück, „Aber irgendjemand muss die Wikinger doch davon abhalten den ganzen Fisch für sich alleine zu beanspruchen und die Meere leer zu fischen.“ „Wikinger fangen alle Fische weg? Woher hast du das denn?“ , frage ich irritiert. „Alle sagen das.“ , entgegnet er nur. Mehr sagt Wolkensturm dazu nicht mehr und ich lasse das Thema auf sich beruhen. Von wegen, wir fangen alle Fische weg. So ein Quatsch. Es sind doch genug da.
Kapitel 14 - Wikinger
„Wie ist dein Freund denn so?“ , frage ich nach einer Weile, um die seltsame Stille zwischen uns zu unterbrechen. „Rhao? Er ist eigentlich zu jedem freundlich und aufgeschlossen. Allerdings ist er auch manchmal griesgrämig drauf. Er ist schon sehr alt, musst du wissen. Er hat viel erlebt und ich könnte wetten, er hat auf jede Frage eine Antwort.“ , antwortet Wolkensturm, während wir weiter über das weite Meer hinweg fliegen. Das Fischnetzt treibt inzwischen irgendwo hinter uns in den Wellen. Ein Gedanke wächst in meinem Kopf heran und lässt eine kleine Flamme der Hoffnung auflodern. Auf jede Frage eine Antwort. Was ist wenn… wenn er auch auf meine Fragen Antworten hat. Vielleicht habe ich nun wirklich jemanden gefunden, der weiß was geschehen sein könnte! Vielleicht bekomme ich doch endlich Antworten. Vielleicht auch nicht. Ich versuche die aufkeimende Hoffnung wieder nieder zu drücken. Die Chancen sind gering, dass es so einen Fall wie bei mir überhaupt schon gab, geschweige denn, dass dieser Rhao davon gehört hat. Das wäre wirklich zu schön um wahr zu sein. Ich bin höchst wahrscheinlich die erste und einzige, der so etwas je passiert ist. Ich sollte nicht zu viel darauf setzen, dass Rhao Antworten für mich hat. Am Ende werde ich nur enttäuscht sein. Und doch kann ich die leise Hoffnung nicht ganz vertreiben und ich lege unmerklich an Geschwindigkeit zu.
Aus der Ferne entdecke ich ab und zu weitere Schiffe, manchmal auch mehrere, mit stolz geblähten Segeln, die Zielstrebig ihren Kurs verfolgen. Wolkensturm beachtet sie nicht, dennoch wird mir klar, wie es für Drachen wie ihn aussehen muss. Ich weiß, dass nicht alle diese Boote zum Fischen auf See sind und kann sie auch unterscheiden. Die Drachen sehen einfach die vielen Schiffe und ziehen ihre Schlüsse aus mangelhaften Informationen. Vielleicht sollte ich es ihm erklären. Ich entscheide mich dagegen. Es würde zu viele Fragen aufwerfen. Soll er doch glauben, was er will. Nach einiger Zeit werden meine Bewegungen weniger fließend. Ich hab einfach immer noch zu wenig Übung und Ausdauer im Fliegen. Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen und bemühe mich mit Wolkensturm mit zu halten. Dennoch werde ich mit der Zeit langsamer und ich muss öfter mit den Flügeln schlagen, um die Höhe zu halten. Auch mein Begleiter scheint es zu merken: „Lass uns auf der nächsten Insel eine kleine Pause machen.“ Ich nicke lediglich, dankbar für diesen Vorschlag. Schon nach wenigen Meilen tauchen in der Ferne ein paar Inselgruppen auf. Als wir näher kommen, deute ich auf die erstbeste Insel. Ich kann es kaum erwarten meinen Muskeln eine Pause zu können. „Schau, da können wir doch landen.“ Wolkensturm wirft einen skeptischen Blick auf die nicht mehr weit entfernte Insel. „Nein, besser nicht. Dort leben Wikinger.“ Er macht mich auf den Hafen und das halb vom Wald verdeckte Dorf aufmerksam. „Bis die merken, dass wir da waren, sind wir schon längst wieder weg.“ , versuche ich ihn zu überreden. Ich will einfach nur noch landen. Gerade in diesem Augenblick ertönt ein warnender Ruf aus dem Dorf: „Draacheen!“ Wolkensturm hebt eine Augenbraue und schaut zu mir. „Vergiss was ich gesagt hab.“ , hindere ich ihn mürrisch daran, etwas dazu zu sagen. Wir drehen ab und machen einen Bogen um diese Insel. Glücklicherweise gibt es hier in der Nähe weitere einladende Insel zum Pausieren.
Als wir schließlich weiter fliegen, wird das weite endlose Meer von vielen vereinzelten Inseln und Inselgruppen von verschiedener Größe abgelöst. Wir fliegen nun öfter über Wikingerdörfer hinweg und sehen auch häufiger irgendwelche Schiffe und kleinere Boote. Auf einmal entdecke ich ein Stück voraus ein kleines offenbar an Felsen zerschelltes Boot. Ich lasse mich etwas absinken um es mir genauer an zu schauen. Das Boot sieht völlig zerstört aus und einige Planken treiben auf den Wellen. Plötzlich nehme ich ein schwaches Husten wahr. Es muss seinen Ursprung irgendwo zwischen dem zersplitternden Holz haben. Ich strenge meine Augen an. Eine Bewegung und das darauffolgende Plätschern erregt meine Aufmerksamkeit. Es ist ein Junge, der sich mit Mühe an einem Holzstück festhält. Lange wird er sich nicht mehr festhalten können. Ich lege meine Flügel an und stürze, nun schon ein wenig geübter, auf den Wikinger zu. Kurz bevor ich ihn erreiche, bremse ich ab, strecke meine Pfoten aus und kralle mir den Jungen. Dieser zuckt zusammen, als er plötzlich aus dem Wasser gezogen wird und strampelt wild um sich. „Halt doch mal still.“ , murre ich ihn an. Damit erreiche ich jedoch nur ein unkontrolliertes Um-sich-schlagen des Jungen. Genervt brülle ich ihn an, woraufhin er erst einmal still in meinen Krallen hängt. Wolkensturm schließt zu mir auf. „Wieso hilfst du einem Wikinger?“ „Er war am ertrinken.“ , rechtfertige ich mich, doch Wolkensturm scheint nicht zu verstehen. Suchend schaue ich mich um. Von welcher Insel dieser Junge wohl stammt? Letztendlich entscheide ich mich dazu, ihn einfach auf der nächstbesten ab zu setzten. Er hat wohl noch nicht verstanden, dass es sich hier um eine Rettungsaktion handelt, denn er hat wieder angefangen sich zu wehren und versucht sich aus meinen Pfoten zu winden. „Da siehst du es: Er will unsere Hilfe nicht.“ , meint Wolkensturm geringschätzig. Kurz darauf steuere ich zum Landen einen hübschen Sandstrand an einer kleinen Insel an. Keinen Meter über dem Sand lasse ich den Jungen fallen und lande dann neben ihm. Forschend suche ich nach Verletzungen, doch er robbt rückwarst von mir weg, was mein Vorhaben erschwert. Schließlich rappelt der Wikingerjunge sich hastig auf und rennt weg. Ich seufze und zucke mit den Schultern. Zurück in der Luft schaut Wolkensturm mich verständnislos an. „Ich musste ihm doch helfen.“ , versuche ich mich zu erklären. „Keiner der Wikinger würde uns helfen, wenn wir hilflos im Wasser treiben.“ Ich senke den Kopf. „Nein, würden sie nicht.“
Langsam neigt sich der Tag seinem Ende zu und Wolkensturm steuert eine Insel an, auf welcher wir übernachten können. Erschöpf lande ich weniger elegant als mein Begleiter kurz zuvor auf einem Grashügel. Die Insel ist überschaubar mit wenig Vegetation. Allerdings laufen wir so auch keine Gefahr überrascht zu werden. Entkräftet lasse ich mich einfach an Ort und Stelle auf den Boden plumpsen und strecke meine Flügel von mir. Plötzlich spitzt Wolkensturm seine Ohren, soweit man seine hornartigen Kopffortsätze so bezeichnen kann. Was ist denn jetzt schon wieder? Ich bin genervt, erschöpft und will gerade nur noch schlafen. Doch auch ich höre nun das Plätschern des Wassers, welches augenscheinlich von einem Schiff erzeugt wird. Infolgedessen höre ich auch Stimmen von Wikingern, die sich Befehle zubrüllen und einige Augenblicke später am Strand anlegen. Offenbar wollen auch sie hier übernachten. „Wir müssen hier weg.“ , entscheidet Wolkensturm. „Aber sie wollen doch auch nur hier übernachten. Sie werden schon nicht die gesamte Insel durchforsten.“ , fange ich ungehalten an. Nun wird auch Wolkensturm aufbrausend: „Ich weiß ja nicht, wie lange du auf deiner Insel gehockt hast, dass du keine Ahnung hast was für einen großen Bogen man um jegliche Wikinger machen sollte und du sogar das Fliegen verlernt hast, aber es ist naiv zu denken, dass sie uns in Ruhe lassen werden. So sind Menschen. Sie lassen einen nicht in Ruhe! Sie vertreiben uns Drachen von den Inseln auf denen wir uns niederlassen.“ Überrascht schaue ich ihn an. „Okay, wenn du meinst.“ Ich seufze. Wieder fliegen…
Glücklicherweise dauert es nicht lange bis wir eine andere Insel gefunden haben. Ohne jede Spur von Menschen. Etwas abseits von Wolkensturm lasse ich mich auf das Gras sinken. Endlich kann ich mich hinlegen und entspannen. Abgesehen von unserem Atem ist die Nacht beruhigend still. Nur die Wellen des Meeres sind zu hören. Über uns wölbt sich der klare Sternenhimmel und die Sterne glitzern in der Dunkelheit wie tausende kleine Diamanten. Ob es für die Drachen immer so ist? Überlege ich. Sind sie immer auf der Flucht, auf der Suche nach Nahrung oder einem sicheren Platz zum Schlafen? Schon dieser Tag hat mir an Stress mit Wikingern gereicht. Mir wird schlagartig klar, wie ironisch das alles ist. Früher habe ich den Ärger auf die Drachen geschoben. Inzwischen weiß ich nicht mehr, was ich denken soll.
Kapitel 15 – Richtig oder Falsch
Auch am nächsten Morgen lassen mich diese Gedanken nicht los. Wie kann sich etwas, das für mich früher so richtig war, nun so fragwürdig anfühlen? Der Kampf gegen Drachen. Wie konnte ich mir damals so sicher sein? Ich habe früher gedacht, es wäre notwendig und habe es für selbstverständlich gehalten. Ich wurde eines Besseren belehrt. Nun habe ich nicht mehr die leiseste Ahnung was ich denken soll, geschweige denn, was richtig ist. Wie kann es sein, dass ich mich derzeit viel mehr meinem Wikinger-Dasein beraubt fühle, als kurz nach meiner Verwandlung in einen Drachen? Jetzt bin ich mir nicht mehr wirklich sicher, warum wir kämpfen. Es ist nicht allein die Schuld der Drachen. Soweit ist es mir klar. Beide Seiten sind mit verantwortlich an den Kämpfen. Ich werde jäh aus meinen Gedanken gerissen, als Wolkensturm mir wohl schon zum zweiten Mal eine Frage stellt. „Wollen wir fischen gehen?“ Ich schaue mich um. Wir sind mitten über dem weiten, tiefblauen Ozean. „Du willst hier fischen?“ , frage ich verwundert. Er lächelt mir verschmitzt zu. „Hast du etwa noch nie auf dem freien Ozean gefischt? Ich zeig’s dir.“
Leider haben wir keinen Erfolg beim Fischen. Wolkensturm hat gerade mal zwei Fische gefangen und ich habe mit einem Fisch auch keine bessere Ausbeute. Wir stehen nun knapp über dem Ozean in der Luft und ich halte nach weiteren Fischen Ausschau. „Mach dir nichts draus.“ , versucht mich Wolkensturm aufzuheitern, „Manchmal hat man einfach kein Glück.“ Frustriert schlage ich mit einer Pfote ins Wasser. Dabei bekommt der Sturmbrecher einen Schwall Wasser ab. Überrascht schüttelt er sich die Tropfen vom Kopf und ich muss leise kichern, was als Drache eher wie ein Glucksen klingt. „Das findest du also lustig, was?“ Mit einem Schmunzeln schlägt er mit seiner Pfote in eine Welle und spritzt mich nass. „Heh!“ , beschwere ich mich und halte mir die Arme vors Gesicht. Jedoch lässt der Wasserschwall nicht nach. „Na gut. Wie du willst.“ , keuche ich. Ich höre auf mit den Flügeln zu schlagen und lasse mich wie einen Stein ins Meer plumpsen. Damit hat Wolkensturm nicht gerechnet und wird voll von der damit ausgelösten Welle getroffen. Nach einer kurzen Wasserschlacht flieht Wolkensturm lachend in die Luft. Eilig folge ich ihm und versuche ihn einzuholen. Ich bin langsam schon recht geübt und manche Sachen mache ich auch schon beinahe automatisch, trotzdem komme ich nicht einmal in die Nähe von Wolkensturm. Dieser fliegt wendige Manöver und macht sich einen Spaß daraus, mich erst nah rankommen zu lassen, nur um mich dann mit einer geschickten Aktion alt aussehen zu lassen. „Das ist. aber auch. fies.“ , keuche ich nach einer Weile, „du hast. vier Flügel.“ Wolkensturm wartet in der Luft auf mich und nebeneinander setzen wir unsere Reise fort.
Nach einer kurzen Pause am Mittag entdecke ich ein weiteres Schiff mit blauem Segel. Es kommt mir bekannt vor. Da fällt es mir wieder ein. Das muss das Schiff von Händler Keynan sein. Er kommt auch manchmal auf Fallow vorbei und er gilt als eher Drachenfreundlich. Ich habe mich immer gefragt, wie er es anstellt nie von Drachen angegriffen zu werden. Neugierig fliege ich näher an das Schiff heran. Ich habe das Wappen auf dem Segel erkannt: ein Wanderfalke. Es ist ganz sicher Händler Keynan. Beim Näherkommen kann ich ihn auf seinem Deck ausmachen, wie er gerade ein paar Körbe aus dem Schiffsinneren holt. Nun blickt er auf und entdeckt uns beide. Wolkensturm bleibt zögerlich zurück, während ich näher an das Schiff herangleite und einige Meter neben ihm herfliege. Begeistert tritt Händler Keynan an die Reling. „Bei Odin, ich glaub es nicht. Ein Nachtschatten!“ Ich werde nun etwas mutiger und drehe eine Kurve über das Deck drüber. „Was machst du denn da?“ , ruft Wolkensturm etwas entsetzt. „Es ist okay. Ich kenne ihn.“ , rufe ich zurück. Keynan scheint überwältigt: „Es gibt euch also doch.“ Höre ich ihn wenige Meter neben mit flüstern. Er dreht sich von der Reling weg und öffnet einen seiner Körbe. Sofort steigt mir der Geruch von Fisch in die Nase. Auch Wolkensturm scheint es zu riechen und traut sich nun näher heran. Der Händler schmunzelt. „Das habt ihr wohl alle gemeinsam.“ , und wirft einen Fisch in die Luft. Geschickt schnappt Wolkensturm ihn sich und geht wieder auf Abstand. Ein weiterer Fisch kommt auf mich zu geflogen und ich fange ihn freudig. Ich lasse ein dankbares Brüllen hören, bevor ich abdrehe und Wolkensturm folge. So schafft er es also sich die Drachen zu Freunden zu machen. Anders als andere Wikinger, greift er nicht sofort zur Waffe, wenn Drachen in Sicht kommen. Er begegnet ihnen nicht feindselig, sondern freundlich und ohne Vorurteile.
Am Abend kommt ein leicht stürmischer Wind auf. Das Meer ist aufgewühlt und die Bäume auf der Insel, auf welcher wir Rast machen, wiegen sich in den Böen. Wolkensturm und ich liegen geschützt zwischen mehreren größeren Steinen. „Weißt du,“ , Wolkensturm schaut mich nachdenklich an, „du hattest Recht. Vorhin mit dem Wikinger. Wie kommt es, dass du in Wikingern irgendwie nur das Beste siehst?“ Da ich ihm diese Frage nicht wirklich beantworten kann, stelle ich eine Gegenfrage: „Wie kommt es, dass du so ein schlechtes Bild von ihnen hast?“ „Schlechte Erfahrungen, schätze ich.“ Wolkensturm schaut kurz in den Himmel, dann wendet er seinen Blick auf das Meer. „Meine Eltern haben mich und meine Geschwister immer vor Wikingern gewarnt. Schon früh haben wir erfahren wie Recht sie hatten. Eines Tages sind Wikinger mit ihren gefährlichen Metallklauen aufgetaucht. Wir mussten fliehen. Sie haben uns einfach von unserer Insel vertrieben. In diesem Chaos ging mein Bruder verloren. Ich habe ihn nie wieder gesehen.“ , endet er und senkt den Kopf. „Das … tut mir leid.“ , flüstere ich mitfühlend. Traurig lächelnd schaut der Sturmbrecher auf. „Du kannst ja nichts dafür. Ich wünschte alle Wikinger wären so wie der, von diesem Schiff vorhin. Und es würde sicher auch helfen, wenn mehr Drache so wären wie du.“ Völlig überrumpelt starre ich ihn an. „Wieso wie ich?“ „Du scheinst den Wikingern eine Chance zu geben, scheinst an das Gute in ihnen zu glauben und rettest sie, selbst wenn du sicher bist, dass sie so etwas nie für dich gemacht hätten.“ Schuldig senke ich meinen Kopf. Wolkensturm sieht mich vielleicht so, aber er kennt nicht mein wahres Ich. Denn das ist, wie ich nun merke, naiv und grausam. In Gedanken blitzen so viele Bilder von verletzten Drachen auf, an denen ich schuld bin. Die ich angegriffen haben, einfach nur weil es eben Drachen waren. Mir fallen so viele Situationen ein, in denen sich die Drachen wahrscheinlich einfach nur verteidigt haben. Ich bin nicht so jemand der versucht Frieden zu schaffen, wie Wolkensturm denkt. Eher habe ich alles dran gesetzt um die Beste in diesem scheinbar unendlichen Kampf zu sein. Bis vor kurzem habe ich nicht einmal daran gedacht, dass es Frieden geben könnte. Ich habe die ganze Schuld an unserer Situation, uns ständig verteidigen zu müssen, immer auf die Drachen, die grausamen Bestien, geschoben. Doch nun wird mir allmählich klar, dass uns immer die größere Schuld zugefallen ist. Wir denken keine Sekunde darüber nach, welchen Grund die Drachen hätten uns anzugreifen. Stattdessen schüren wir die Kämpfe nur. Und wir denken nicht daran, wie es für die Drachen ist. Nur durch diese Verwandlung habe ich erfahren, wie es ist ein Drachen zu sein, auf der Flucht und der Suche nach Futter. Nur deswegen kenne ich beide Seiten der Münze. Deshalb weiß ich nun, was in den Köpfen meiner eingeschworenen Feinde vorgeht. Erst jetzt erkenne ich, wie lächerlich die ewigen Kämpfe sind und auch die Vorurteile beider Parteien. Welchen Zweck hat dieser Krieg eigentlich? „Ich bin so nicht.“ , setzte ich an, „Ich hab das alles nicht getan, weil ich an das Gute in den Wikingern glaube, sondern weil ich es nicht gewohnt bin, von ihnen angegriffen zu werden.“ Ich atme tief durch. „In meinem … Clan gibt es eine Art Tradition. Ich habe jeden Tag geübt, um die beste darin zu sein; um eines Tages eine gute Anführerin zu sein. Ich habe diese Tradition nie hinterfragt oder darüber nachgedacht, warum wir es machen. Es ist quasi das Gegenteil von dem, was ich die letzten Tage gemacht habe. Und erst durch diese Tage habe ich erfahren, wie falsch diese Tradition ist. Es … es tut mir … so leid.“ Ich halte inne. Erst in der darauffolgenden Stille bemerke ich das leise Schnarchen. Wolkensturm hat die ganze Zeit schon geschlafen.
Kapitel 16 – Drachenkampf, die 2.
Seltsam gefühlslos schaue ich der Sonne dabei zu, wie sie langsam untergeht. Eigentlich ist es ein traumhaftes Bild: Ein Feuerball, der im Meer versinkt und die ganze Welt in orange-rotes Licht taucht. Wir sind heute beinahe den ganzen Tag geflogen. Nur eine kurze Pause am Nachmittag. Laut Wolkensturm haben wir bald schon unser Ziel erreicht. Und so komme ich auch meinen Antworten näher. Trotzdem fühle ich mich irgendwie leer. Körperlich geht’s mir gut, ich bin kaum erschöpft. Gestern Abend gibt mir zu denken. Was bin ich denn jetzt noch? Wikinger, Drache? Ich schaue an mit herunter. Kurz nach meiner Verwandlung habe ich daran festgehalten, dass mich ein Körper nicht gleich zum Drachen macht. Ich hatte noch immer die selbe Einstellung. Ich war immer noch ich. Doch nun… Ich sehe aus wie ein Drache und denke schon langsam wie einer. Was bin ich denn nun? Ich nehme an ich bin eine merkwürdige Mischung aus beidem. Nicht richtig Drache, aber ich fühle mich auch nicht mehr wirklich wie eine Wikingerin. Ich seufze. Wie kann es sein, dass mir solche Gedanken mehr den Boden unter den Füßen wegreißen, als die Verwandlung? „Schau mal!“ Wolkensturms Ruf lässt mich wieder ins hier und jetzt zurückkehren. In der Ferne lodert ein helles Feuer auf. Vor den Flammen, welche in der Nacht wie ein Leuchtfeuer wirken, zeichnen sich einzelne Hütten ab. Ein Wikingerdorf. Als wir näher kommen ist der Kampf schon voll im Gange. Überall Feuer, während Drachen versuchen Vieh zu stehlen und Wikinger diese mit allen Mitteln daran hindern wollen. Es herrscht ein heilloses Chaos. Im Himmel wimmelt es von schemenhaften, kaum auszumachenden Drachen. Im Dorf rennen die Wikinger brüllend herum. Irgendwo zischt es, wo jemand den Versuch startet eines der vielen Feuer zu löschen. Wolkensturm stürzt sich ins Getümmel und kommt einem Gronkel zu Hilfe. Ein Wikinger wollte ihm gerade seinen Flügel mit einem Hammer zertrümmern. Dank des Sturmbrechers kommt der Drache unverletzt davon und der Wikinger landet auf einem Dach. Wobei dies noch eine bessere Position ist als die seiner Waffe, welche nun auf den Meeresboden sinkt. Unsicher stehe ich in der Luft. Eigenartig abgeschnitten von allem. Ich schaue auf das chaotische Ganze hinunter. Wikinger gegen Drachen. Ich bin hin und her gerissen. Aber zum ersten Mal in meinem Leben kenne ich die Gründe und Vorurteile beider Seiten. Ich fühle mit den Wikingern mit, ich hab ihre jetzige Situation schon viel zu oft miterlebt. Allerdings verstehe ich nun auch die Drachen. Angriff ist für sie die beste Verteidigung. Sie haben Angst, dass die Wikinger ihnen ihre Lebensgrundlagen wegnehmen. Nicht ganz gerechtfertigt, aber dennoch nachvollziehbar, wie ich in den letzten Tagen erkennen musste. Was soll ich denn jetzt tun? Mit meinen nachtschwarzen Schuppen bin ich in der Dämmerung beinahe unmöglich zu entdecken. Wenn ich mich raushalte, würde ich nicht einmal Gefahr laufen, verletzt zu werden. Nein! Ich kann doch nicht einfach nur daneben stehen; mich nicht einfach raushalten. Das hier müsste auch mein Kampf sein. Doch auf welcher Seite? Zu wem gehöre ich denn jetzt noch? Unentschlossen lasse ich mich ein wenig absinken und gleite über das Dorf hinweg. Flatternd weiche ich gerade noch rechtzeitig aus, um einem Netz zu entgehen, welches für den Drachen zu meiner Rechten bestimmt war. Wiese können wir diese Kämpfe nicht beenden? Es muss doch möglich sein, allen zu zeigen, was ich nun weiß. Aber ich bin mir nicht einmal sicher, ob die Drachen auf mich hören würden. Und die Wikinger verstehen mich nicht einmal. Ich fliege schnell über das Dorf hinweg. Suchend folge ich den Wegen zwischen den Hütten entlang. Vielleicht hört Wolkensturm mir ja zu. Nach kurzem Suchen entdecke ich ihn am Rande des Dorfes. „Wolkensturm!“ Er hebt den Kopf. Blöderweise lenkt mein Ruf ihn von seinem momentanen Gegner ab. Dieser nutzt den kurzen Moment der Unachtsamkeit von dem Sturmbrecher und schwingt seine Axt. Meine Augen weiten sich. Ich strenge mich an, doch ich werde nicht rechtzeitig bei ihm sein, um ihm zu helfen. „Neeiin!“ , schreie ich. Ungewollt löst sich ein heller Blitz aus meinem Schrei. Völlig überrascht beobachte ich, wie dieser erschreckend zielgenau auf die Axt trifft. Es bleiben nur ein rauchender Holzstumpf und ein überrumpelter Wikinger übrig. Wow. War ich das gerade? Tief durchatmend versuche ich mein rasendes Herz zu beruhigen. „Danke“ Wolkensturm fliegt an meine Seite. Ich nicke lächelnd über meinen kleinen Erfolg. Um uns herum verschwinden die Drachen nach und nach. Der Kampf endet. Und lässt das Dorf brennend und zerstört zurück. Auch wir lassen es hinter uns. Ich muss mich nicht umdrehen um zu wissen, was dort nun los ist. Das Übriggebliebene wird zusammen gesucht, die Feuer werden gelöscht und Dächer repariert. So etwas ist Alltag für sie. War Alltag für mich.
Am nächsten Morgen hängen wir beide in der Stille unseren Gedanken nach. Wir sind wohl nicht mehr weit von der Insel entfernt, auf der Rhao lebt. Es ist merkwürdig vielleicht bald Antworten zu bekommen. Vielleicht. Aber was wäre wenn ich mich wirklich zurück verwandeln würde? Rein hypothetisch, natürlich. Ich könnte wieder zu meiner Familie zurück. Allerdings weiß ich nicht, ob ich so leben könnte wie früher. Ich habe mich verändert, und das nicht nur körperlich. Ich denke, ich könnte nicht mehr so weiter machen. Gegen Drachen kämpfen, meine ich. Ich hab das Gefühl, ich müsste etwas dagegen tun. Ich bin die einzige, die das ganze Bild sehen kann. Ich muss dann doch etwas tun. „Da ist sie!“ , lenkt mich Wolkensturm von meinen Gedanken ab. Vor uns liegt eine kleine, süße Felseninsel, welche in etwa zu einem drittel mit Wald bedeckt ist. Ich lande neben Wolkensturm auf Felsen mitten in dem Wald. „Also hier lebt dein Freund?“ , frage ich, während ich mich umschaue. Er nickt. „Ja, und er müsste hier irgendwo sein.“ Er macht sich gemütlich auf den Weg in den lichten Wald und ich trotte ihm hinterher. Da fällt mir ein, dass ich nicht einmal weiß was für ein Drache dieser Rhao ist. Plötzlich raschelt neben uns das Unterholz. Ich schrecke zusammen und weiche einen Schritt zur Seite. In diesem Gebüsch würde sich sogar ein Riesenhafter Albtraum verstecken können.
Kapitel 17 - Rhao
Ich weiche vor dem raschelnden Gebüsch zurück. Auf einmal springt etwas heraus und landet in einer geschmeidigen Bewegung vor uns auf einem Felsen. Ich atme durch. Es ist nur ein Schrecklicher Schrecken. Ich will mich schon abwenden, da ertönt eine Stimme. „Willkommen, alter Freund. Es ist eine Freude dich wieder zu sehen.“ Mein Kopf schnellt zurück zu dem kleinen, grüngeschuppten Drachen, welcher uns nun mit schräg gelegtem Kopf anschaut. „Rhao! Ja, ich freue mich auch.“ , entgegnet Wolkensturm herzlich. Bei genauerem Betrachten bemerke ich die leichte gräuliche Färbung der wahrscheinlich einstmals tief blattgrünen Schuppen. „Wie ich sehe, hast du eine Freundin mitgebracht.“ Unfähig mehr zu tun, als ihn weiterhin an zu starren, antwortet Wolkensturm für mich: „Das ist Svenja. Svenja darf ich vorstellen? Das ist Rhaokinchim.“ „Bitte, nenn mich Rhao.“ , fügt der Schrecken sanftmütig lächelnd hinzu, „Du hast einen interessanten Namen.“ „Das kann ich nur erwidern.“ , meine ich ebenfalls lächelnd, „Schön dich kennen zu lernen.“ „Dann kommt mal mit, ihr beiden.“ Leichtfüßig springt Rhao von dem Felsen und flattert vor uns her. Gemächlich folgen wir ihm durch den Wald. An einer gemütlich aussehenden Lichtung landet Rhao auf einem Felsen und faltet seinen Flügel gewissenhaft auf dem Rücken zusammen. Wolkensturm und ich lassen uns auf dem weichen Moos nieder. „Wie war euer Flug? Ich hoffe ihr seid nicht zu vielen Wikingern begegnet.“ , erkundigt sich Rhao. Wolkensturm winkt ab. „Das übliche halt. Allerdings gab es vor einigen Tagen einen heftigen Sturm, bei dem ich zwischen landen musste. Dabei habe ich Svenja kennen gelernt.“ Nun wendet sich Rhao mir zu. „Ich bin neugierig. Woher kommst du?“ Auch wenn ich so eine Frage früher oder später erwartet habe, überlege ich fieberhaft, was ich antworte soll. Die komplette Wahrheit ist einfach keine Option. „Ich lebte auf meiner Insel nordwestlich von hier, für viele Jahre. Bis sich kurz vor dem Sturm, von dem Wolkensturm gesprochen hat, alles geändert hat. Ich wurde aus meiner Heimat vertrieben.“ Bei der Erinnerung an meine Flucht senke ich den Kopf. „Im laufe er letzten Tage haben wir dann noch häufiger Wikinger angetroffen, was für mich öfter war, als die ganzen letzten Jahre.“ Ich denke zurück an den letzten Konflikt meines Stammes mit anderen Wikingern, dem Stamm der Thursen, seit dem schon einige Jahre ins Land gezogen sind. „Oh ich sitze hier und frage euch aus, dabei müsste ihr hungrig sein. Leider habe ich keine Fische mehr parat. Wolkensturm, würde es dir etwas ausmachen ein paar Fische fangen zu gehen? In der Bucht dort drüben gibt es immer haufenweise Fische.“ Der kleine Drache deutet in eine Richtung. Wolkensturm nickt und verschwindet zwischen den Büschen. Ratlos bleibe ich alleine mit dem Schrecklichen Schrecken zurück. Mit einer schnellen Bewegung leckt dieser sich über ein Auge und beobachtet mich mit einem stechenden Blick, unter dem mir allmählich unwohl wird. „Um deiner Frage vorzubeugen: Nein, ich habe noch von keinem Fall wie deinem gehört. Allerdings bergen Nachtschatten eine Kraft in sich, die meist nicht einmal sie selbst verstehen.“ Er schmunzelt. „Aber du bist ja gar kein Nachtschatten, habe ich recht?“ Verblüffung gemischt mit Verwirrung macht sich in mir breit. Rhao scheint es zwar zu bemerken, kümmert sich jedoch wenig darum und fährt fort: „Für so etwas, wie dir passiert ist, muss es einen Auslöser geben. Es kann nicht einfach so geschehen.“ Inzwischen habe ich meine Verwirrung halbwegs überwunden und stelle die Frage, die mir gerade am meisten auf der Zunge brennt: „Woher weißt du das?“ Der Schrecken hebt den Kopf. „Ach, ich bin sehr viel herum gekommen, Svenja. Da schnappt man Vieles auf. Es gibt zwar keine vergleichbaren Fälle, von denen ich je gehört hätte, aber ich habe gelernt, dass alles eine Ursache hat.“ Ich schüttle den Kopf. „Das ist zwar interessant, aber das meinte ich nicht. Wie hast du erkannt, dass ich kein wirklicher Nachtschatten bin?“ „Ach, es waren deine Bewegungen, deine Art, eigentlich Kleinigkeiten. Und nicht zuletzt dein Name.“ Ich muss lächeln. Für einen Drachen muss mein Name wirklich merkwürdig klingen. „Wie kommt es, dass du mich nicht hasst, obwohl du weißt was ich bin? Ich könnte es dir nicht verübeln, falls du es tust.“ , frage ich zerknirscht. „Ich denke nicht, dass du ein schlechter Mensch bist. Alleine, dass du Reue zeigst, weil du offensichtlich einige Sachen begriffen hast, beweist dies. Zudem habe ich noch eine Zeit miterlebt, in der Frieden herrschte. Wikinger und Drachen lebten friedlich.“ Die Büsche rascheln, als Wolkensturm wieder auf die Lichtung tritt. Ein Schwall Fische ergießt sich auf den Boden vor uns und der leckere Geruch steigt mir in die Nase. „Diese alte Geschichte wieder?“ , meint der Sturmbrecher schmunzelnd. Rhao wirft ihm einen tadelnden Blick zu. „Ja, diese Zeiten sollten nicht in Vergessenheit geraten.“ „Das sind sie aber, Rhao. Und nun ist der Frieden vorbei. Wikinger und Drachen bekämpfen sich. Daran kannst du nichts ändern.“ , äußert Wolkensturm sanft. Bevor er noch etwas sagen kann, unterbreche ich die beiden: „Ich würde die Geschichte gerne hören. Wie war es damals und wie lange ist das alles her?“ Rhao wirft Wolkensturm einen triumphalen Blick zu. „Es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Damals war ich noch sehr jung. Ich kann mich daran erinnern, dass wir spielen konnten, ohne Angst haben zu müssen Wikingern zu nahe zu kommen. Damals waren die Begegnungen meist nur flüchtig, aber ohne Gewalt. Jeder ließ den anderen in Ruhe. Doch selbst wenn wir mal in der Nähe von Menschen waren, wurden wir nicht gleich fortgejagt. So unterschiedlich die Menschen und Drachen auch waren, sie kamen miteinander aus.“ Ich bemerke wie Wolkensturm nachdenklich wird. Er spricht aus, worüber auch ich mir Gedanken mache. „Du hast mir nie erzählt, wie es dann dazu kam, dass der Frieden endete?“ „Nun, der simple Grund dafür ist, dass ich auch nicht weiß warum. Als ich älter wurde, gab es immer mal wieder kleinere Scharmützel um Inseln, aber es war noch nichts Ernstes. Doch eines Tages war alles vorbei. Auf einen Schlag gab es überall Kämpfe und Vorurteile breiteten sich unter den jüngeren Drachen aus. Ich versuchte mich wie manch andere Drachen der älteren Generation aus den Kämpfen raus zu halten. Die Jüngeren verstanden es nicht. Sie wollten es nicht verstehen. Ich weiß bis heute nicht, was der Auslöser für den Krieg zwischen Drachen und Menschen war.“ , mit einem Seufzen beendet Rhao seine Erzählung.
Kapitel 18 – lauter Fragen
Gespannt habe ich Rhaos Geschichte gelauscht und schlage ein wenig enttäuscht mit dem Schwanz, als ich bemerke, dass er schon fertig mit erzählen ist. In unserem Dorf wurde uns nie von der Zeit des Friedens erzählt. Nicht einmal bei unseren regelmäßigen Gewittertreffen hat Whetu etwas derartiges auch nur erwähnt. Ob sich überhaupt noch ein Wikinger an diese längst vergangenen Zeiten erinnert? Rhao gähnt mit weit aufgerissenem Maul. „Wir reden später weiter.“ , meint er und breitet seine kleinen Flügel aus. Ich sehe ihm ratlos hinterher, als der Schrecken auf einen höhergelegenen Felsen flattert und sich dort auf einem Sonnenfleckchen niederlässt. Schon bald darauf ist ein zischendes Schnarchen zu hören. Ich schaue in den Himmel. Die Sonne hat gerade erst ihren Zenit überschritten. Verständnislos schaue ich zu Wolkensturm, doch er schüttelt nur belustigt den Kopf, als wolle er sagen: Frag nicht. Aber ich hätte so gerne noch mehr gehört! Und ich muss Rhao unbedingt nochmal alleine sprechen. Ich hab zwar jetzt ein paar Antworten bekommen, bin aber genaugenommen genauso schlau wie vorher. Was soll ich denn mit diesen Informationen anfangen? Was bedeutet es, dass es für die Verwandlung einen Auslöser gegeben haben muss? Und die Andeutungen über Nachtschatten haben meine Neugier auch nicht gerade befriedigt. Vielmehr haben sie das Gegenteil bewirkt. Ich habe noch lauter Fragen. Gibt es noch mehr Nachtschatten? Noch gar nicht so lange her dachte ich noch, diese nachtschwarzen, überaus gefährlichen Drachen würden nur in Geschichten existieren; wären lediglich ein Mythos. Niemand hatte je einen gesehen. Fragend drehe ich mich zu Wolkensturm: „Gibt es noch mehr Drachen wie Rhao, die von der Zeit früher erzählen können?“ Der Angesprochene überlegt kurz, schüttelt dann jedoch den Kopf. „So weit ich weiß, gibt es nur noch Rhao.“ Unzufrieden raschle ich mit meinen Flügeln. Es will nicht in meinen Kopf, dass Rhao der einzige sein soll. Ich habe keine Ahnung wie alt Drachen so im Durchschnitt werden, doch wenn selbst ein kleiner Schrecklicher Schrecken wie Rhao so alt wird, sollte es doch noch andere geben. Es muss doch noch andere geben. „Warum ist das so? Es muss doch noch andere geben, die so alt sind, wie Rhao.“ , spreche ich meine Gedanken aus. Doch Wolkensturm schüttelt erneut den Kopf und seufzt. „Diese Frage habe ich Rhao auch mal gestellt.“ Neugierig komme ich ein paar Schritte näher. „Und?“ „Einige seiner Generation haben sich rausgehalten aus den Kämpfen, aber eben nicht alle. Und diejenigen, die es versuchten, wurden oft doch mit hinein gezogen. Die größeren Drachen konnten sich nicht ewig verstecken.“ Ich drehe beschämt den Kopf weg. „Also sind alle … tot?“ Wolkensturm grummelt bejahend.
Ich döse ein wenig auf einem sonnenbeschienen Felsen, da höre ich ein quietschendes Gähnen. Ich hebe den Kopf und sehe, dass Rhao aufgewacht ist. Schnell springe ich auf und lege die wenigen Meter zur Lichtung mithilfe ein paar Flügelschlägen zurück. Leider ist auch Wolkensturm darauf aufmerksam geworden. Das bedeutet, ich habe erst mal keine Chance Rhao noch einmal alleine zu erwischen. Ich überlege ob ich riskieren kann, ein paar Fragen zu stellen, während Wolkensturm dabei ist. Ich muss endlich wissen, was mit mir vorgeht. Doch ich komme zu dem Schluss, dass es einfach zu riskant ist. Also muss ich mich wohl noch gedulden. Stattdessen stelle ich eine andere Frage: „Wie hast du es geschafft nicht von Wikingern entdeckt zu werden?“ Rhao schmunzelt. „ Ich nenne es sehr viel Glück. Ein paar mal schon bin ich nur knapp entkommen, doch auch meine Größe und die Farbe meiner Schuppen haben wohl einiges dazu beigetragen. Allerdings wird es nun auch hier immer gefährlicher. Ein Stamm segelt neuerdings öfters durch diese Gewässer.“ Ich stutze. „Bist du dir sicher, dass es nur ein einziger Stamm ist?“ Rhao nickt überzeugt mit seinem kleinen Kopf. „Alle Schiffe haben das gleiche Segel. Immer ist eine Darstellung eines Gronkels darauf.“ Meine Augen weiten sich und ich schüttle leicht, ungläubig den Kopf. Was wollen die denn hier? Was haben sie hier zu suchen? Energisch mache ich einen Schritt auf Rhao zu. „Wie viele Schiffe sind es?“ Wolkensturm und Rhao schauen mich irritiert an, dann antwortet der Schrecken: „Nun immer mal ein paar. Manchmal auch nur ein oder zwei. Du scheinst diesen Stamm zu kennen.“ , stellt er fest. „I-ch … bin ihnen mal … begegnet.“ , weiche ich aus. „Zeigst du mir, wo sie langsegeln?“ , bitte ich Rhao. Wolkensturm schaut mich immer noch sehr verwirrt an, doch Rhao schüttelt den Kopf. „Das ist zu gefährlich.“ „Bitte, Rhao.“ , versuche ich verzweifelt, jedoch bleibt der kleine Drache standhaft: „Nein.“
Langsam spaziere ich durch den nächtlichen Wald und lasse mir gemächlich alles durch den Kopf gehen. Rhao hat ganz recht den Stamm für gefährlich zu erachten. Ich kenne ihn nicht nur. Die Schiffe, die Rhao beschrieben hatte, gehören zu einem feindlichen Stamm. Es kommt zwar immer wieder mal vor, dass Wikinger zwischen einander ab und zu kleinere Kämpfe austragen, aber mit denen und meinem Stamm war es anders. Die Thursen sind grausam. Sture, riesenhafte Wikinger. Ich habe kein gutes Gefühl dabei, sie hier zu wissen. Aber noch eine andere Sache geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Etwas das Rhao gesagt hat. Das eine Verwandlung wie diese einen Auslöser braucht. Irgendwas dazu will mir einfach nicht mehr einfallen. Als würde es mir auf der Zunge liegen und ich bräuchte es nur auszusprechen. Aber ich komme schlicht weg nicht darauf. Ich knurre ungehalten. Damit schrecke ich eine Eule über mir auf. Mit einem schaurigen Schrei und unhörbaren Flügelschlägen gleitet sie in die Nacht davon.
Erschöpft schleppt er sich weiter in den Wald hinein. Sie dürfen ihn nicht erwischen. Er muss noch tiefer in den dunklen Wald. Am Ende seiner Kräfte kämpft er sich weiter durch das Unterholz. Immer wieder bleiben seine mit Schrammen und Wunden übersäten Flügel an Ästen und Bäumen hängen. Er ignoriert den Schmerz und läuft weiter. Diese verdammten Menschen! Denkt er sich und zuckt vor Schmerz zusammen, als ein kleiner Ast schmerzhaft in die tiefe Wunde an seiner Seite sticht. Doch trotz der vielen Wunden an seinem ganzen Körper muss er weiter. Einfach weiter, immer tiefer in den Wald. Sie dürfen ihn nicht erwischen. Diese verdammten Menschen. Was haben sie denn davon Drachen zu jagen? Wenn die Wikinger sie doch endlich mal in Ruhe lassen würden. Es gibt kein Grund für den ewigen Krieg, den die Menschen gegen die Drachen führen, und wenn es einen gab, dann haben ihn schon längst alle vergessen. Die Wikinger nehmen es einfach so hin. Es ist einfach so, es war schon immer so und es wird auch immer so sein. Pff, von wegen! Närrische Menschen! Es gab eine Zeit vor den Kämpfen. Wenige Drachen können davon erzählen und noch weniger können sich selbst daran erinnern. Doch warum es zum Krieg kam, weiß niemand mehr. Es ist jetzt auch egal. Es wird sich nicht ändern, nicht in näherer Zukunft. Wieder zuckt er zusammen, als sein Schwanz gegen einen Stein anstößt und ein tiefer Schnitt erneut anfängt zu bluten. Völlig erschöpft bleibt er stehen und schaut sich um. Er ist auf einer Lichtung angekommen. Hoffentlich ist er jetzt tief genug im Wald, sodass sie ihm nicht folgen. Stöhnend lässt er sich auf den Boden sinken. An einen Stein, mit merkwürdigen Rillen darin, die zu einer Art Sonne zusammenlaufen, gelehnt, schaut er zurück. Er hat eine Spur von Blut und abgefallenen schwarzen Schuppen hinterlassen. Noch immer bluten einige seiner Wunden, nicht wenige von den Schwertern hartnäckiger Menschen. Dickflüssig tropf sein Blut auf den Stein. Er spürt, dass nun bald sein Ende gekommen ist. Diese verdammten Menschen. Sie sollten mal selbst erfahren wie es ist ständig gejagt und angegriffen zu werden. Wie es ist kaum noch einen ruhigen Platz zu finden, in ständiger Angst von Feinden entdeckt zu werden und kaum noch ruhige Minuten zu haben. Die Rillen fangen bei seinen Gedanken leicht an, zu Glühen, doch der schwarze Drache bemerkt es nicht, er ist völlig in Gedanken. Früher war es besser. Er hatte eine Familie gehabt und war glücklich gewesen. Während er an seine Freunde und Familie denkt, schließt der Nachtschatten die Augen. Mit glücklichen Gedanken schläft er ein.
Viele, viele Jahre später...
Kapitel 1 - Drachenkampf
Der Tödliche Nadder fixiert mich und spreizt die Stacheln an seinem Schwanz kampflustig ab. Er macht eine peitschenartige Bewegung mit dem Schwanz und seine Stacheln fliegen zielgenau auf mich zu. Elegant weiche ich ihnen aus und springe zur Seite, sofort bereit einem weiteren Angriff auszuweichen. Doch der Nadder hat sich schon abgewandt und attackiert jetzt Lasse. „Heute geht es um eure Schnelligkeit!“, ruft Kjartan, unser Drachenkampftrainer, vom Rand der steinernen Arena. „Ihr müsst schneller sein als der Drache und wendiger, um nicht von seinen Stacheln getroffen zu werden.“ OK, schnell und wendig. Das kriege ich hin. Ich werfe einen kurzen Blick nach rechts, selbstverständlich ohne den Tödlichen Nadder aus den Augen zu lassen, zu meinen Freunden Lasse und Eona. Gerade schleicht sich Eona von hinten an den Drachen an, während der sich ganz auf Lasse konzentriert. Dummes Vieh, denn jetzt bekommt es einen Kampfstock seitlich auf die Nase geschlagen. „Sehr gut, Eona. Denkt immer daran: An den Nüstern sind die Drachen besonders schmerzempfindlich.“, lobt Kjartan, „und Svenja, steh nicht einfach nur so da rum!“ „Komm schon Svenja, oder macht der große Drache dir etwa Angst.“, neckt Lasse mich spielerisch. „Pass lieber auf, dass der Nadder dich nicht aufspießt.“, rufe ich zurück und mache den grüngeschuppten Drachen auf mich aufmerksam, um Eona die Chance zu geben sich wieder an ihn ran zu schleichen. Sie gibt dem Drachen wieder einen Schlag auf den Kopf und ist dann wieder so plötzlich aus dem Sichtfeld des Drachen verschwunden, wie sie gekommen ist. Noch verwirrt von Eonas Schlag bemerkt der Nadder nicht wie ich näher komme und mit meinem Schwert zum Schlag aushole. Im letzten Moment spring er dann doch noch zurück und mein Schlag geht ins Leere. Während ich weiter den Nadder angreife, bemerke ich aus dem Augenwinkel einen Wikinger, der am Rand der Arena aufgetaucht ist. „So macht für Heute Schluss. Treibt den Drachen wieder in seinen Käfig.“, ruft dieser jetzt. Lasse antwortet: „Geht klar, Häuptling.“ Mit einem kurzen Blick verständigen wir uns und kreisen den Nadder ein. Dieser weicht vor uns zurück, versucht aber noch uns mit seinen Stacheln zu treffen, denen ich gekonnt ausweiche. Schließlich haben wir den Drachen soweit zurück getrieben, dass Kjartan das Tor des Käfigs mithilfe eines Hebels schließen kann. Ich gehe rüber zu Eona. „Hey, guter Schlag eben.“, sage ich. „Das ging nur, weil du ihn abgelenkt hast.“, wies sie das Lob ab. „Wir sind halt ein gutes Team.“, meint Lasse, der dazu gekommen ist und wir drei klatschen ab. Gemeinsam spazieren wir aus der Arena. Draußen warten schon Kjartan und unser Häuptling Aslak der Furchtlose. „Sehr gutes Training, ihr drei!“, ruft Aslak, „Bei solchen Kriegern brauchen wir uns keine Sorgen wegen Drachenangriffen zu machen.“ Kjartan schlägt ihm freundschaftlich auf die Schulter: „ Deine Tochter ist wirklich sehr schnell und sie kann geschickt mit dem Schwert umgehen. Du kannst stolz auf sie sein.“ Genervt verdrehe ich die Augen. „Ich bin nicht die einzige, die gut kämpfen kann.“, sage ich und deute auf meine Freunde. Mein Vater lächelt: „Ich bin stolz auf euch drei, ihr habt große Fortschritte gemacht.“ Lasse und Eona nicken erfreut bei diesem Lob vom Häuptling. „Also dann bis Morgen, Kjartan.“, verabschieden wir uns und machen uns auf den Weg zurück zum Dorfplatz. „Svenja, ich möchte, dass du heute Abend noch Leevi in der Schmiede hilfst.“, ruft mein Vater mir hinter. Ich wende mich noch kurz um: „Ok, Papa.“, rufe ich, bevor ich laufend zu meinen Freunden aufschließe.
Kapitel 2 – Willkommen auf Fallow
Beim Rückweg haben wir einen guten Ausblick auf unser kleines Dorf, da die Arena etwas höher gelegen ist. Wir leben in einem kleinen Dorf auf der Insel Fallow (Karte). Fallow liegt irgendwo im Nirgendwo und es gibt nur wenige Inseln in der Nähe, die aber größtenteils von Drachen bevölkert werden und ansonsten unbewohnt sind. Unser Dorf befindet sich an der südwestlichen Küste von Fallow inmitten von schroffen und zerklüfteten Felsen und Bergen. Durch diese wird unser Dorf ein wenig vor schlimmen Stürmen geschützt. Weiter im Westen befinden sich viele kleine Seen, perfekt zum Baden und es gibt sogar einen kleinen Wasserfall. Zwischen den kleinen Seen wächst ein lichter Wald mit viel Unterholz und großen Lichtungen, den wir den Sonnenwald nennen. Auch sonst ist Fallow eine sehr bewaldete Insel. Von unserem Dorf aus, zwischen den Felsen hindurch, erstreckt sich bis hin zum nördlichen Strand der Dunkelwald, ein dichter Laubwald. Vor allem in der Mitte der Insel wird dieser fast undurchdringlich. Deshalb ist es nicht leicht zu dem Nordstrand an der gegenüberliegenden Küste der Insel zu gelangen. Der Nordstrand ist so ziemlich der einzige Sandstrand von Fallow. Meistens endet die Insel eher in Klippen oder groben Felsen. So in Gedanken bemerke ich kaum, wie Eona mich etwas fragte. Erst als sie mich anstößt reagiere ich: „Mh? Was?“ – „Ich hab dich gerade gefragt, ob du noch mit zum Saphirsee kommst?“ wiederholt meine Freundin ihre Frage. „Ja, na klar“ antworte ich. Wir machen aus, uns gleich wieder am Dorfplatz zu treffen, nachdem wir unsere Sachen geholt haben. Zufrieden schlage ich den Weg zu der Häuptlingshütte ein, in der ich mit meinem Vater lebe. Schnell hole ich meine Sachen und laufe zum Dorfplatz zurück. Unser Dorf ist vielleicht klein, aber wir können uns gut gegen die Drachen behaupten. Am häufigsten greifen diese Ungeheuer unsere Fischerboote an und klauen den Fisch. Aber auch unser Dorf ist vor ihnen nicht sicher. Immer wieder haben wir mit ganzen Drachengruppen zu tun, die es auf die Vorräte abgesehen haben. Inzwischen bin ich am Dorfplatz angekommen und warte gemeinsam mit Lasse auf Eona. Zu dritt gehen wir dann schließlich durch den Wald in Richtung Osten. Dort liegt der Saphirsee. Ein schöner See mit wunderbar klarem Wasser, der von einem Wasserfall gespeist wird. Ich gehe gerne dorthin um einfach mal zu entspannen und dem Druck zu entkommen, den man als zukünftige Stammesführerin hat. Alle erwarten von einem, sehr gut in allem zu sein und manchmal brauche ich einfach eine Auszeit davon. Und dafür ist der Saphirsee perfekt.
Quatschend gehen wir durch den dichten Wald, auf dem Weg zum See albern wir herum. Als ich dann durch die Bäume am Rand der Lichtung trete, auf welcher der Saphirsee liegt, bin ich mal wieder von der Schönheit dieses Ortes verzaubert. Vor mir liegt eine saftig grüne Lichtung mit vielen Blumen. Ein Paar Bäume stehen dort und spenden Schatten. Dahinter rauscht der Wasserfall von einem schroffen Felsen in den See, der in der Sonne schimmert wie ein geschliffener Saphir. Hinter mir treten meine Freunde in die Sonne auf der Lichtung und die Luft wird von unseren Stimmen erfüllt. Lachend rennen wir auf den See zu und springen in das kühle Nass. Kaum bin ich wieder aufgetaucht, ruft Lasse: „Hey Svenja!“ und spritzt mir eine Ladung Wasser ins Gesicht. Bevor ich noch etwas sagen kann, bin ich schon in eine wilde Wasserschlacht verwickelt.
Später liegen ich und Eona auf den flachen Felsen am Ufer und lassen uns von der Sonne trocknen. Lasse sitzt auf einem Stein neben uns und lässt die Beine baumeln. Nach einer Weile werden die Strahlen der Sonne spürbar kraftloser und ich schaue verträumt in den Himmel. Die Sonne senkt sich schon auf die Baumkronen und die Wolken werden in den verschiedensten Rottönen angestrahlt. Nicht mehr lange und die Sonne versinkt hinter dem Horizont und es wird dunkel. Plötzlich schrecke ich hoch und springe rasch von dem Felsen. Ich hatte die Bitte meines Vaters vergessen! „Was ist denn, Svenja?“ fragt Eona verwirrt. Beim Rennen Richtung Wald rufe ich noch über meine Schulter: „Ich muss zur Schmiede. Hab ich vergessen.“ Und mit diesen Worten tauche ich in den Schatten des Waldes ein und schlage den schnellsten Weg zum Dorf ein. Währenddessen wird es Zusehens dunkler. Völlig außer Atem komme ich schließlich an der Schmiede an.
Kapitel 3 – Drachenangriff
„Du bist spät“, merkt unser Schied an, ohne auf zu schauen. „T’schuldigung, ich habe ein wenig die Zeit vergessen.“, entschuldige ich mich bei Leevi und greife mir einen Eimer, um ihn mit kaltem Wasser zu befüllen. Ich stelle ihn neben den Amboss, an dem Leevi gerade beschäftigt ist. Einen Moment schaue ich ihm noch zu, wie er ein Stück Metall, welches einmal ein Schwert werden soll, mit dem Hammer bearbeitet, bevor ich mich an meine Arbeit mache. Nach einer ganzen Weile – draußen ist es mittlerweile schon stockdunkel geworden – kommt Leevi zu mir. „Ich glaube für heute ist die Arbeit erledigt. Danke für deine Hilfe.“ „Gerne doch“, antworte ich ihm, während ich noch schnell ein paar Sachen wegräume, und verschwinde dann in die Dunkelheit. Langsam mache ich mich auf den Weg nach Hause. So spät sind kaum noch Wikinger unterwegs und so gelange ich, ohne noch jemanden anzutreffen, zu unserer Hütte. Leise öffne ich die Tür. Mein Vater sitzt in Gedanken versunken und mit dem Rücken zur Tür am Tisch, vor ihm eine Landkarte. Ich entscheide mich, ihn nicht noch zu stören und husche schnell die Treppe zum oberen Teil unsere Hütte hoch, wo die beiden Schlafzimmer sind. Erschöpf lege ich mich auf mein Bett und bin schon bald eingeschlafen.
Am nächsten Morgen werde ich von warmen Sonnenstrahlen, die durch mein Fenster scheinen, geweckt. Gähnend sehe ich in den Himmel; die Sonne ist schon vor einer ganzen Weile aufgegangen. Vom Dorfplatz her höre ich aufgeregte Stimmen. Vielleicht sind die Fischerboote wieder da, schießt es mir durch den Kopf. Schnell schnappe ich mir meine Sachen. Neugierig trete ich durch unsere Haustür und schaue auf den großen Platz in der Mitte des Dorfes. Ein paar Wikinger sind noch da, aber die meisten scheinen zum Hafen gegangen zu sein. Eilig mache ich mich auch auf den Weg zu den Stegen. Entweder hat ein Händler bei uns angelegt oder es sind wirklich die Fischerboote. Mein Vater war jedenfalls schon weg, als ich schnell gefrühstückt habe. Am Hafen angekommen, bestätigt sich meine Vermutung: Unsere Fischerboote sind wieder da, an Bord jede Menge Fisch – und Tyr. Jedes Mal wenn die Fischerboote auslaufen, was ungefähr alle zwei Monate geschieht, kommt einer von uns Teenagern mit und hilft den Erwachsenen. Nicht nur beim Fischfang, auch falls Drachen die Boote angreifen und die gefangenen Fisch stehlen wollen. Und dieses Mal ist Tyr mitgefahren. Eona steht schon an einem Steg und winkt mir zu. Ich gehe auf sie zu und beobachte wie das erste Boot anlegt. Lasse ist auch schon da und hilft mit die Fischerboote zu vertäuen. Plötzlich ertönt ein durchdringender Schrei. Erschrocken drehe ich mich um. Eine Schar Drachen kreisen am Himmel! „Drachenangriff!“ ertönt der Warnruf eines Wikingers und keine Sekunde später stürzt der erste Drache auf unsere Schiffe zu. Ich ziehe mein Schwert und mache mich Kampfbereit. Die Drachen sind dieses Mal clever vorgegangen. Sie haben gewartet, bis wir beschäftigt sind mit dem Abladen der Schiffe, um uns in diesem Moment anzugreifen. Mit meinem Schwert wehre ich die Klauen eines Nadders ab, bevor er sich ein paar Fische neben mir schnappt. Wütend muss ich mit ansehen, wie die Bestie mit ihrer Beute entkommt. Immer mehr Drachen stürzen auf unseren Fang zu und schnappen sich die Fische. Wir geben unser Bestes, doch wir können unmöglich alle von den Schiffen abhalten. Glücklicherweise kommen nun auch die restlichen Wikinger aus dem Dorf angerannt und der Kampf wird wieder etwas ausgeglichener. Auf einmal sehe ich eine Bewegung aus den Augenwinkeln, die meine Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Ich drehe mich um, in Erwartung einem angreifenden Drachen gegenüber zu stehen, doch ich sehe rein gar nichts. Verwirrt blicke ich in die Richtung, aus der ich die Bewegung gesehen habe. Da ist nichts. Aber ich hab da doch etwas gesehen. „Vorsicht, Svenja!“ höre ich Eona schreien und gleichzeitig nehme ich einen Luftzug von großen Flügeln wahr. Ich drehe mich schnell um, doch das Geräusch schlagender Flügel ist bereits so nah, dass ich nicht mehr reagieren kann. Plötzlich werde ich von einem Körper umgeworfen. Ich lande hart auf dem Steg und schlage mit dem Kopf auf. Dann wird alles schwarz.
Was ist passiert? Wieso tut mein Kopf so weh? Diese und noch mehr Fragen schwirren mir durch den Kopf, nachdem sich der Nebel in meinem Bewusstsein etwas gelichtet hat. Ich habe meine Augen immer noch geschlossen, doch ich höre immer noch den Kampflärm, allerdings wie aus weiter Ferne. Dann sind da noch Stimmen. Sie sind näher, aber ich kann sie gerade nicht wirklich zuordnen. Langsam kehren auch die Erinnerungen zurück. An den Drachen, der mich angriff und der Körper, der mich umgestoßen hatte. Blinzelnd öffne ich meine Augen. Das erste was ich sehe, ist der graue Himmel über mir. Dann taucht von der Seite ein Kopf auf. Kjartan! „Sie ist wach!.“, ruft er jemandem außerhalb meines Sichtfeldes zu. Stöhnend fasse ich mir an den Kopf. „Was ist passiert?“ Mein Kampflehrer hilft mir, mich aufzusetzen. „Ein Drache griff dich von hinten an. Eona hat dich gewarnt, aber du konntest nicht mehr reagieren. Sie hat dich zu Boden geworfen, bevor der Drache dich erreicht hatte.“ Eona! „Wo ist sie?“ Hektisch sehe ich mich auf dem Steg um. Einige Wikinger stehen herum, andere sind auf den Schiffen, in der Ferne kann ich noch die abziehenden Drachen erkennen. Der Kampf ist zu Ende. Sie sind mit dem Großteil unseres Fangs entkommen, wie ich an den wenigen Körben bemerke, die noch übrig sind. „Sie ist beim Heiler.“ Ich schaue Kjartan entsetzt an. Der Drache hatte sie erwischt. Eona hat sich über mich geworfen, nur deshalb ist sie nun verletzt. Sonst hätte es mich getroffen. Weil ich unaufmerksam war. Mitten im Kampf mit den Drachen, habe ich mich ablenken lassen! Mit Kjartans Hilfe stehe ich auf. Noch bin ich etwas wackelig auf den Beinen, doch ich mache mich auf den Weg zurück zum Dorfplatz, an dem auch die Hüte des Heilers liegt.
Kapitel 4 – Meine Schuld
Vorsichtig drücke ich die Tür zur Hütte des Heilers auf. Im Inneren ist es dämmrig und es riecht stark nach irgendwelchen Kräutern. Im hinteren Teil der Hütte steht ein Bett, auf dem eine Person sitzt. Daneben steht Whetu, der Heiler unseres Dorfes. „Komm doch rein.“, ruft Eona mir zu, die bemerkt hat, dass ich an der Tür zögerlich stehen geblieben bin. „Wie geht´s dir?“ frage ich beim Hineingehen. Ich grüße Whetu mit einem Nicken und setzte mich zu Eona auf das Bett. Schuldgefühle wallen in mir auf, als mein Blick auf ihren komplett bandagierten Oberschenkel fällt. Meine Schuld... „Es sind nur ein paar Kratzer“, versucht Eona mich zu beruhigen, die meinen Blick bemerkt hat. „Ziemlich tiefe Kratzer, wie du sie nennst.“, widerspricht Whetu, „Man könnte sie durchaus auch als Fleischwunden bezeichnen.“ Entsetzt schaue ich meine Freundin an. „Soo schlimm ist es nun auch wieder nicht.“, widerspricht sie. „Oh doch und deshalb bleibst du für die nächsten Tage hier. Die Wunden an deinem Bein und die Kratzer auf deinem Rücken sollen doch gut verheilen.“, verordnet unser Heiler. „Kein Kampftraining für die nächsten Tage.“ „Aber...“ „Kein Aber!“, sagt er bestimmt und verlässt mit diesen Worten den Raum. „Es ist gar nicht so schlimm, wie es sich jetzt vielleicht anhört.“, versucht Eona mich nochmals zu beruhigen. Ohne Erfolg. Ich bin keineswegs beruhigt. „Es tut mir so leid, ich hätte mich nicht ablenken lassen dürfen.“ „Svenja! Mir geht es gut. Mach dir keinen Kopf wegen mir. Außerdem hab ich dich ja umgeworfen.“ Und bist dann wegen mir verletzt worden, denke ich, doch sage es nicht laut.
Nachdem wir noch eine Weile geredet haben, verabschiede ich mich von ihr. Auf dem Dorfplatz, kommen mir Lasse und Tyr entgegen. Ich zwinge mich dazu, ein wenig zu lächeln. Ich freue mich, dass Tyr wieder da ist, aber ich bin gerade einfach nicht in der Stimmung zu lächeln. „Hey, wie geht es dir?“ begrüßt mich Lasse. „Alles Okay. Eona hat es schlimmer erwischt.“, antworte ich betreten. „Es ist nicht deine Schuld, Svenja.“ Achja? „Was macht ihr denn auch für Sachen, während ich weg bin.“, sagt Tyr gespielt vorwurfsvoll. Mein Lächeln wird ein bisschen breiter und etwas echter. „Schön, dass du wieder da bist.“ Schnell umarme ich ihn. Die beiden gehen weiter in Richtung der Hütte, aus der ich eben erst gekommen bin. Ich gehe in die entgegengesetzte Richtung. Ich brauche jetzt erst Mal ein bisschen Zeit für mich, zum Nachzudenken. Ich schlage den Weg in Richtung Wald ein. Vielleicht hat Lasse Recht. Eona wollte mir helfen. Das Gleiche würde ich auch jederzeit für sie tun. Und trotzdem hätte ich etwas machen müssen. Nicht nur da rum stehen. Ich hätte den Drachen bemerken müssen. Als ich die letzten Häuser des Dorfes hinter mir gelassen habe, wird mein Schritt schneller. Ich achte nicht auf den immer dichter werdenden Wald oder die Richtung in die ich gehe. Ich will einfach nur meinen Kopf frei bekommen. Ich versuche an etwas anderes zu denken, als an Eona. Doch das ist gar nicht so leicht. Ständig driften meine Gedanken wieder zu dem, was heute morgen passiert ist, ab. Egal an was ich denke, irgendwie komme ich immer wieder auf den einen Gedanken zurück. Ich werde schneller, bis ich anfange zu laufen. Doch meine Gedanken drehen sich weiterhin im Kreis. Also laufe ich weiter, bis ich irgendwann mitten im Wald stehen bleibe. Aber vor meinen kreisenden Gedanken kann ich nicht wegrennen. Ich hätte mich auf keinen Fall ablenken lassen dürfen. Nicht bei einem Angriff der Drachen. Als zukünftiges Stammesoberhaupt hätte ich konzentrierter sein müssen. Wütend ziehe ich mein Schwert und schlage dem erstbesten Baum einen Ast ab. Das tut so gut, dass gleich der nächste Baum, ein paar Schritte weiter, dran glauben muss.
Kapitel 5 - Verlaufen
Ich hole noch einmal mit dem Schwert aus und lege alle meine Wut in den Schlag. Dieser hackt dem Baum vor mir einen dicken Ast ab. Langsam lasse ich mein Schwert sinken und atme einmal tief durch. Die Wut ist verraucht und macht wieder Selbstvorwürfen Platz. Wegen mir ist Eona verletzt. Und warum? Weil ich mich von etwas ablenken lasse, das nicht existiert. Ich hätte den Drachen schon früher bemerken müssen, früher reagieren müssen. Ich hebe den Kopf und schaue mich um, in Erwartung lichten Wald um mich herum zu sehen. Aber der Wald um mich herum besteht aus hohen Bäumen, die eng aneinander stehen. Die Baumkronen verdecken den Himmel komplett und lassen nicht einmal ein bisschen Sonne den Waldboden erreichen. Zwischen den Bäumen ist es dämmrig und es wirkt schon fast bedrohlich. Verwirrt schaue ich mich um. Hier bin ich noch nie gewesen! Ich muss mich weiter vom Dorf entfernt haben, als ich dachte. Ich habe auch nicht auf die Richtung geachtet, in die ich gelaufen bin. Innerlich schlage ich mir gegen die Stirn. So viel zum konzentrierter sein... Ich drehe mich einmal um mich selbst, um mir ein Bild von meiner Umgebung zu machen. Ein Fehler, wie ich schnell merke. Nun weiß ich nur noch ungefähr von wo ich gekommen bin. Ich habe mich verlaufen. Ok, denk jetzt nach, bevor du noch etwas Dummes tust, ermahne ich mich. Aufmerksam schaue ich mich noch mal um. Der Wald kommt mir immer noch nicht bekannt vor. Vermutlich bin ich irgendwo in der Mitte der Insel, wo der Wald am dichtesten ist. Leider verdecken die Baumkronen den Himmel komplett, sodass ich kein Stück davon sehen kann, geschweige denn die Sonne, um mich zu orientieren. Ich entscheide mich in die Richtung zu gehen, aus der ich glaube gekommen zu sein. Schlimmsten Falls gehe ich in die falsche Richtung und lande irgendwo beim Nordstrand, doch von dort aus kenne ich mich dann wieder aus. Es dauert dann nur ein bisschen länger. Im besten Fall laufe ich nahezu direkt nach Hause.
Eine Weile später, ich laufe immer noch strikt gerade aus, hoffentlich ungefähr in die richtige Richtung, komme ich an einer kleinen Lichtung an. Ich kann nur einen Ausschnitt des Himmels erkennen, aber keine Sonne. Also muss es schon nach Mittag sein, schließe ich. Da mir der Blick in den Himmel nicht weiterhilft, schaue ich mich auf der Lichtung um. Vielleicht kommt mir etwas bekannt vor. Aber da ist nichts, an das ich mich erinnere. Am Rande der Lichtung entdecke ich einen merkwürdigen Stein, der meine Aufmerksamkeit erregt. Nicht etwa wegen seiner Größe, Form oder Färbung. In den Stein ist etwas eingeritzt. Gewellte Rillen, die im Kreis angeordnet sind und in der Mitte zusammenlaufen, wie eine Darstellung der Sonne. Fasziniert gehe ich auf den Stein zu, um die «Sonne» näher zu betrachten. Sanft fahre ich eine Rille mit meinem Finger nach. Plötzlich glühen die Rillen in einem blauen Licht auf. Erschrocken ziehe ich meine Hand weg und weiche einen Schritt zurück. Irritiert schaue ich in den Himmel. Vielleicht haben mir meine Augen einen Streich gespielt und es war nur ein Sonnenstrahl, der auf den Stein schien. Doch an dem Stück Himmel, der von hier aus zu sehen ist, sehe ich keine Strahlen der Sonne. Mein Blick fällt zurück auf den Stein. Er liegt genauso da, wie vorher. Kein Glühen. Ich muss es mir eingebildet haben, Steine glühen nicht einfach von alleine auf. Steine glühen nicht. Ich habe es mir eingebildet … oder?
Ich bin schon recht lange gelaufen, als sich der Wald endlich lichtet. Ich kann schon einzelne Flecken des Himmels durch das Blätterdach sehen, und diese werden auch immer größer. Bald müsste ich an den Waldrand kommen. Dann kann ich mich auch wieder orientieren, denn die Sonne sehe ich leider immer noch nicht. So habe ich keine andere Wahl als erst mal weiter zu gehen, bis der Wald endet. Bald ist es dann auch so weit. Die Bäume stehen jetzt nur noch vereinzelt und der Großteil des Himmels ist zu sehen. Die Sonne sehe ich zwar immer noch nicht, aber ich weiß wo sie ist. Sie ist auf der anderen Seite der Insel und sehr wahrscheinlich bereits dabei im Meer zu versinken, denn der Himmel ist vor mir bereits dunkel und über mir sind gerade noch ein paar Streifen Rot und Orange zu sehen. Jetzt weiß ich auch wo ich bin. Auf der östlichen Seite der Insel in der Nähe eines kleinen Sees, den ich gut kenne. Von hier aus dauert es nur noch ungefähr zwei Stunden, bis ich beim Dorf bin. Ich schaue noch mal in den merklich dunkler werdenden Himmel. In ein paar Minuten wird es richtig Dunkel sein. Ich sollte lieber hier die Nacht verbringen und dann morgen früh den Rest des Weges zurück laufen. Das wäre vermutlich besser, als wenn ich jetzt im Dunkeln, erschöpft wie ich bin, zurück gehe. Also schaue ich mich nach einem geeigneten Platz zum Schlafen um. Dort zwischen den Bäumen scheint es gut zu sein. Eine geschützte Stelle mit viel Gras und weichem Moos. Also schnalle ich mein Schwert vom Rücken und lege es auf dem Gras ab. Ich lasse mich daneben auf den Boden sinken und lege mich auf den Rücken. Erst jetzt merke ich richtig, wie erschöpft ich bin. Ich blicke hoch in den Himmel, aus dem gerade die letzten Streifen Rot und Orange verschwinden. Dann fallen mir die Augen zu.
Kapitel 6 – Verwandelt
Sanft werde ich von dem leisen Gezwitscher der Vögel geweckt. Blinzelnd öffne ich meine Augen und kneife sie geblendet zusammen. Ein Sonnenstrahl von der gerade aufgehenden Sonne hat sich einen Weg durch das Blätterdach über mir gebahnt. Mein Körper fühlt sich steif und ungelenk an, im Halbschlaf schiebe ich es auf den Umstand, dass ich die Nacht auf dem Boden geschlafen habe. Ich reibe mir mit einer Hand über die Augen und strecke mich, um wach zu werden. Plötzlich halte ich inne. Meine Hand hat sich merkwürdig glatt angefühlt. Ich reiße meine Augen auf und starre auf meine Hände. Oder auf die Stelle, wo meine Hände sein sollten. Doch anstatt auf zwei Hände, starre ich auf zwei schwarzgeschuppte Pfoten! Erschrocken versuche ich mich aufzusetzen, doch ich falle zurück nach vorne. Was…? Ein Blick nach hinten beantwortet meine Frage. Mein kompletter Körper ist mit mattschwarzen Schuppen bedeckt, mein Blick fällt auf einen Schwanz hinter mir und zu meinem Entsetzen entdecke ich auf meinem Rücken zwei große Flügel. Mein Herz rast und mein Atem geht unkontrolliert schnell. Panisch versuche ich einen klaren Gedanken zu fassen, eine Erklärung zu finden. Es muss ein Traum sein. Das hier kann nicht Wirklichkeit sein! Ich hebe einen Arm, um mich zu kneifen, doch mit Pfoten funktioniert es nicht. In meiner Verzweiflung fällt mir nichts Besseres ein, als mir in den Arm zu beißen. Es tut nicht so sehr weh, wie es sollte und füllt sich erschreckend real an. Meine Gedanken rasen, doch ein Gedanke sticht klar und deutlich hervor und ich würde ihn am liebsten aus meinem Kopf verbannen: dies ist kein Traum! Ich blicke noch einmal zurück. Probehalber hebe ich die Flügel. Ungläubig beobachte ich, wie die Flügel reagieren und ich sie wieder senke. Ich richte meinen Blick wieder nach vorne und er fällt auf einen Pfad zwischen den Bäumen. Dieser führt zu dem kleinen See hier in der Nähe und weil ich keine andere Idee habe, beschließe ich dort hin zu gehen. Ich mache einen Schritt nach vorne und… lande prompt auf der Nase. Ärgerlich richte ich mich wieder auf und mit dem Gedanken mich beruhigen zu müssen, atme ich erneut tief durch. Vorsichtig setze ich nun eine Hand… Pfote vor die andere. So komme ich zwar nur langsam voran, aber ich falle immerhin nicht mehr auf die Nase… naja wohl eher Schnauze. Nach ein paar Metern bekomme ich ein wenig Übung darin, mich auf diese Weise fortzubewegen und komme etwas schneller voran. Allerdings stoße ich mit den Flügeln auf diesem engen Pfad ständig gegen irgendwelche Büsche oder Bäume. Ich schnaube ärgerlich und bleibe stehen, um die Flügel so eng wie möglich auf meinem Rücken zusammen zu falten. Kurze Zeit später erreiche ich die Lichtung mit dem See. Kurz bevor ich mich in dem Wasser sehen kann, bleibe ich zögerlich stehen. Wenn ich es jetzt als Spiegelbild sehe, wird es real. Dann kann ich mich nicht mehr an die Hoffnung klammern, dies alles könnte nur ein Traum sein. Obwohl ich diesen Gedanken, schon längst verworfen habe, will ich die Hoffnung nicht aufgeben. Aber wenn ich jetzt ins Wasser schaue, muss ich akzeptieren, dass es Wirklichkeit ist. Wie auch immer es das werden konnte. Ich atme noch einmal tief durch und trete an das Ufer des kleinen Sees. Nur sanfte Wellen verzerren ein wenig mein Spiegelbild auf der Wasseroberfläche, als ich den Blick senke. Mein Spiegelbild zeigt einen Drachenkopf, anstatt meinem vertrauten Kopf mit meinen hellbraunen Haaren, die mir in Wellen über die Schultern fallen sollten. Und es ist nicht nur das Spiegelbild irgendeines Drachens. Wie ich befürchtet habe, stecke ich in der Gestalt eines Nachtschattens! Um nicht schon wieder durchzudrehen, konzentriere ich mich die nächsten Minuten erst mal nur auf meine Atmung. Einatmen und Ausatmen. Ein und Aus. Bis ich mich einigermaßen beruhigt habe. Doch auch beruhigt, fühle ich mich, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggerissen. Unruhig laufe ich am Ufer hin und her. Langsam wird mir das Ausmaß dieser Verwandlung bewusst. Ich bin nun in der Gestalt des meist gefürchtetsten und seltensten Drachen, der Wikingern bekannt ist. Sollte jemand aus meinem Dorf auch nur die Schuppe eines Nachtschattens auf dieser Insel finden, würden sie auf mich Jagd machen, wie auf jeden anderen Drachen auch. Nur dass ich ein Nachtschatten bin! Frustriert brülle ich auf und schlage mit einer Pfote in den Sand. Meine neuen Krallen hinterlassen vier Furchen am Ufer. Ich darf mich also unter keinen Umständen entdecken lassen. Ich muss Zeit gewinnen, um heraus zu finden, wie ich es wieder rückgängig machen kann.
Kapitel 7 – Entdeckungen
Nachdenklich gehe ich zurück ans Wasser. Als mein Schatten auf die Oberfläche des Wassers fällt, huscht ein Fisch in eine tiefere Stelle des Sees, in Sicherheit vor mir. Für menschliche Augen hätte dies nicht mehr als ein Schatten sein müssen, doch ich habe den Fisch ganz deutlich gesehen. Erst als nun mein Magen knurrt, bemerke ich, wie hungrig ich eigentlich bin. Zu irgendwas muss der Körper, in dem ich stecke, ja gut sein, überlege ich mir, und wenn nicht zum Fische fangen, zu was dann? Vorsichtig gehe ich am Ufer auf die Lauer und fahre mir mit meiner Zunge über die Lippen. Da stutze ich. Mit der Zunge habe ich nur Zahnfleisch gespürt, keine Zähen! Irritiert betrachte ich mein Spiegelbild im Wasser und wieder blickt mir der schwarze Kopf eines Nachtschattens mit eisblauen Augen entgegen. Ich ignoriere wie ungewohnt es ist, mich so zu sehen und öffne mein Maul. Ich habe wirklich keine Zähne! Da sind Nachtschatten die gefürchtetsten Drachen und haben noch nicht einmal Zähne!? Wie essen diese Viecher denn überhaupt? Wie soll ich etwas essen!? Ein genervtes Knurren entfährt mir. Dieser verdammte Drachenkörper! Plötzlich stoße ich mit meiner Zunge doch gegen Zähne und überrascht betrachte ich mich noch einmal im Wasser. Spitze, weiße Zahne blitzen mir entgegen und verblüfft beobachte ich, wie ich die Zähne wieder einziehe.
Nachdem ich unter ein paar Anfangsschwierigkeiten drei Fische aus dem See gefangen und verspeist habe, mache ich mich auf den Weg zurück zu dem Platz, wo ich die Nacht verbracht habe. Trotzdem ich nun fürs erste in diesem Körper feststecke, möchte ich mein Schwert nicht zurück lassen. Mal davon abgesehen, dass niemand eine Spur zu mir finden sollte, bedeutet mir mein Schwert einfach zu viel, um es einfach liegen zu lassen. Der Weg zurück ging nun, mit ein wenig Übung, sehr viel schneller und schon nach ein paar Minuten bin ich fast an der Stelle angekommen. Doch plötzlich höre ich Stimmen. Dass ich sie so früh bemerkt habe, verdanke ich sicherlich dem Drachengehör, dennoch hätte ich jetzt lieber meine vertrauten menschlichen Ohren wieder. Die Stimmen gehören Lasse und Tyr und sie kommen in meine Richtung, wie ich erschreckt bemerke. Offenbar suchen sie mich. Möglichst leise verstecke ich mich hinter einigen dichten Büschen am Rand des Pfades. „Warum sollte sie zum See gehen, ohne ihre Sachen mitzunehmen?“, fragt Lasse gerade, als sie in mein Blickfeld treten. Demonstrativ hebt er mein Schwert und lässt wieder es sinken. „Vielleicht ist sie nur kurz zum See gegangen, um sich zu waschen. Das Schwert wäre schon nicht weggelaufen.“, widerspricht Tyr, doch Lasse schaut ihn nur skeptisch an. Als die beiden mir näher kommen, ducke ich mich noch tiefer auf den Boden. Sie dürfen mich auf keinen Fall entdecken. So gerne ich auch gerade mit ihnen spreche würde, bezweifle ich, dass sie mich verstehen würden. Und selbst wenn, würden sie mir vermutlich keine Zeit für Erklärungen lassen. Außer einer weißen Stelle an meiner Schulter, die meinem halbmondförmigen Leberfleck gleicht, den ich an demselben Ort hatte, ähnelt nichts mehr dem Mädchen, das ich gestern noch war. Sie würden mich angreifen, bevor ich auch nur den Mund aufmachen könnte. Also trete ich lieber den Rückzug an. Langsam, einen Schritt nach dem anderen, krieche ich Rückwärts von meinen Freunden weg. Leider hatte ich die Rechnung ohne meinen neuen Schwanz gemacht: Ohne Vorwarnung schlägt er in einen kleinen, trockenen Busch hinter mir. Bei dem unüberhörbar lauten Rascheln halte ich entsetzt inne. Auch Lasse und Tyr bleiben ruckartig stehen und drehen sich in meine Richtung. Noch haben sie mich nicht entdeckt, aber so oder so werden sie mich sehen. Lasse hebt mein Schwert, bereit sich zu verteidigen und kommt langsam auf den Busch zu, hinter dem ich mich verstecke. Tyr geht achtsam in die Knie, ohne den Busch aus den Augen zu lassen und greift sich einen armdicken Stock zu seinen Füßen. Auch er nähert sich nun dem Gestrüpp. Durch einen kurzen Augenkontakt verständigen sie sich. Mir bleibt keine andere Wahl. Kurz bevor sie um den Busch herum stürmen, springe ich darüber hinweg und lande schräg hinter den beiden. Erschrocken drehen sie sich um und richten ihre Waffen auf mich. Ich hätte nie gedacht, dass wir je in so eine Situation geraten würden, in der sie mich wahrscheinlich ernsthaft angreifen wollen. Aber ich habe auch nie daran gedacht, dass so etwas mit mir passieren würde, also … Tja. Ich kann es ihnen ja auch nicht verübeln. An ihrer Stelle hätte ich dasselbe getan. Für wenige Sekunden sprachlos starren mich Tyr und Lasse an, ohne sich zu rühren. Ich allerdings, habe nicht vor zu warten, bis die beiden mich wirklich angreifen und schaue sie nur kurz wehmütig über meine Schulter hinweg an, bevor ich Richtung Westen davon laufe. Wieder in den Dunkelwald hinein.
Kapitel 8 – Wer fliegen will...
Nach einiger Zeit unterbreche ich meine Flucht und bleibe keuchend stehen. Sie werden nach mir suchen. Jeder aus dem Dorf wird sich im Wald auf die Suche nach einem Nachtschatten machen; auf die Suche nach mir! Ich könnte mich verstecken. Ich kenne viele, gut verborgene Platze auf dieser Insel. Doch auch der bestversteckte Ort wird irgendwann gefunden, man muss nur lange genug suchen. Bei jeder anderen Drachenart, würde man irgendwann aufhören, die Insel zu durchkämmen. Aber bei einem Nachtschatten werden sie so lange weitersuchen, bis sie mich gefunden haben oder sicher ist, dass ich nicht mehr auf Fallow bin. Doch genau das ist das Problem: ich kann hier nicht weg. Ich habe vielleicht Flügel, aber keine Ahnung wie ich sie benutze. Ich kann nicht fliegen! Und anders komme ich nicht von Fallow runter. Sie werden mich finden. Verzweifelt laufe ich nach dieser kurzen Pause weiter und schlage einen Weg in Richtung Odin Klippen ein. Ich habe teilweise einige Mühe durch die dicht beieinander stehenden Bäume zu gelangen, doch das wird auch den Dorfbewohnern Schwierigkeiten bereiten. Ich merke deutlich, wie mir das Laufen mit vier Beinen immer leichter fällt. Wenn ich das gelernt habe, überlege ich mir, könnte ich doch vielleicht auch das Fliegen lernen. Ich schaue mich kurz um, zur Orientierung und laufe dann weiter. In Gedanken rufe ich mir Bilder von fliegenden Drachen ins Gedächtnis. Ich bilde mir zwar nicht ein, dass fliegen so leicht zu erlernen ist, wie mit vier Beinen zu laufen, doch ich hege die Hoffnung es schaffen zu können. Ich bin an einer kleinen Lichtung angekommen, die in der Nähe der Westküste etwas nördlich der Adlerfelsen, sein müsste. Ich höre schon die Wellen an die steilen Klippen schlagen und merke überrascht, dass ich sogar bereits das Meerwasser riechen kann. Diese Lichtung ist von einigen Büschen umgeben und meiner Meinung nach ausreichend versteckt. Dann hätte ich vielleicht noch genug Zeit, um fliegen zu lernen und von der Insel zu fliehen. Bei dem Gedanken wird mein Herz schwer, aber ich habe keine Wahl, ich muss hier erst einmal verschwinden. Ich drehe meinen Kopf so, dass ich meine neuen Flügel betrachten kann. Die dünne Haut zwischen den filigranen Fingerknochen ist nicht mit Schuppen bedeckt und hat eine samtschwarze Färbung. Man könnte sie beinahe als schön bezeichnen, schießt mir durch den Kopf. Schnell streiche ich diesen Gedanken. Sie sind nicht schön. Ich bin ein Drache: das ist schrecklich! Versuchsweise breite ich nun die Flügel aus. Die Flügelmembran wirkt zwar zart, aber wie ich nun bemerke, ist sie sogar recht belastungsfähig. Aus Neugier fange ich leicht an mit den Flügeln zu schlagen. Schon bei den schwachen Schlägen spüre ich einen deutlichen Luftzug und Staub wird vom Boden aufgewirbelt. Ermutigt schlage ich etwas stärker mit ihnen und merke wie ich mit den Vorderbeinen leicht vom Boden abhebe. Schnell lerne ich, dass ich nicht einfach stumpf meine Flügel wieder hoch schlagen darf, sonst werde ich von der gleichen Kraft, die mich hochdrückt auch wieder nach unten gedrückt. Also probiere ich ein bisschen rum, bis ich die beste Technik gefunden habe: Die Flügel ausgebreitet nach unter schlagen und sie danach ein wenig anwinkeln, bevor ich sie wieder hebe, um die Bewegung zu wiederholen. Langsam und bedächtig führe ich diesen Bewegungsablauf immer wieder durch. Dabei muss ich an meine ersten Schwertkampfstunden denken. Kjartan hat mich die gleichen Übungen immer und immer wieder durchführen lassen. Ganz langsam, unzählige Male. Damals wurde ich schnell ungeduldig, ich habe ihn ständig gefragt, wann ich mal andere Übungen machen kann, und immer war die Antwort, diese Bewegungsabläufe müssten mir ins Blut übergehen. Ich verstand erst, was er meinte und wozu das Ganze gut war, als er mich unerwartet mit einem Übungsschwert angriff. Atomtisch werte ich den Angriff mit der einstudierten Bewegung ab. Es war zwar ermüdend, aber es zahlte sich aus. Nach einer Weile bewege ich meine Flügel schneller, aber immer noch darauf bedacht die Bewegung richtig auszuführen. Wieder hebt der Luftzug meinen Oberkörper in die Höhe. Langsam traue ich mir mehr zu und schlage stärker mit den Flügeln. Gerade als ich auch mit den Hinterbeinen nicht mehr den Boden berühre und das Gefühl habe, alles ganz gut im Griff zu haben, fegt eine starke Windböe vom Meer her durch die Bäume. Ich verliere das Gleichgewicht und purzele zu Boden. Fluchend rapple ich mich auf. Ich kann vielleicht die Bewegungen, aber das heißt noch lange nicht, dass ich fliegen kann. Zum fliegen gehört mehr dazu, wie ich gerade gemerkt habe. Ich überlege; ich muss lernen mit dem Wind klarzukommen und auch wie man lenkt, ansonsten kann ich meine Flucht vergessen. Auch sonst habe ich sicher noch viel zu lernen, bevor ich richtig fliegen kann. Ich schaue in den Himmel und bemerke, dass er schon merklich dunkler wird. Erschöpft lege ich mich an den Rand der Lichtung. Es war ein langer Tag. Bis jetzt hatte ich noch nicht wirklich die Zeit, über das Geschehene nachdenken zu können. Die Verwandlung zum Nachtschatten, die Flucht vor meinen Freunden. Vor allem letzteres macht mich fertig. Ich mache ihnen keine Vorwürfe, dass sie mich jagen. In ihren Augen bin ich nichts weiter als ein Drache; ein gefährlicher Drache. Doch dass macht es für mich nicht leichter. So ungerne ich auch von ihnen gefangen werden will, denke ich nicht, dass ich mich gegen sie verteidigen möchte, auch wenn sie mir keine Wahl lassen. Es sind die Leute mit denen ich aufgewachsen und mein ganzes Leben verbracht habe, meine Freunde, meine Familie. Was wenn ich sie verletze? Meine einzige Möglichkeit ist es, von hier zu verschwinden bevor sie mich finden. Gedankenverloren lege ich meinen Kopf auf meine Arme … Vorderbeine. Was ist, wenn ich keinen Weg finde, es Rückgängig zu machen? Was ist, wenn ich nicht mehr zurückkommen kann, sobald ich erst Fallow verlassen habe? Ich würde meinen Vater und meine Freunde nie wiedersehen. Ich würde für immer ein Drache sein müssen. Ich glaube ich hab einfach Angst, dass die Flucht von Fallow, eine Entscheidung ohne Rückkehr ist. Und niemand wird wissen, was wirklich mit mir passiert ist. Sehr wahrscheinlich, werden mich meine Freunde für Tod halten. Ich könnte mich nicht mal von meinem Vater verabschieden. Seufzend schließe ich meine Augen und schlafe trotz unruhiger Gedanken ein.
Ein Geräusch weckt mich. Verschlafen hebe ich meinen Kopf und lausche angestrengt. Es ist erst kurz vor dem Morgengrauen und selbst die Vögel schweigen noch. Durch meine Drachenohren, hat sich mein Gehört deutlich verbessert. Vielleicht ist es nur ein Tier gewesen, überlege ich. Doch plötzlich höre ich ein dumpfes Trampeln. Es sind Schritte! Mit panisch aufgerissenen Augen rapple ich mich auf. Ich muss hier weg. Überstürzt stürme ich los, ohne nachzudenken und lande gleich wieder auf dem Boden. Ich habe nicht an mein zusätzliches paar Beine gedacht. Knurrend rappele ich mich wieder auf, nur um eilig den Weg zur Klippe einzuschlagen. An dem steinigen, unbewaldeten Stück vor der abrupt abfallenden Küste bleibe ich stehen und schaue zurück. Ich höre sie näher kommen und kann sogar schon ab und zu eine Laterne zwischen den Bäumen aufblitzen sehen. Erst aus der Position der Gejagten fällt mir auf, wie dämlich es ist, einen Drachen wie einen Nachtschatten so zu jagen. Ein Drache hört es rechtzeitig und man hat nichts weiter erreicht, als ihn auf zu scheuchen. Zu meinem Glück haben wir uns nie Gedanken über die Perspektive eines Drachen gemacht. Ich wende meinen Blick auf den Ozean. Ich weiß nicht, ob ich schon wirklich fliegen kann. Schließlich habe ich überhaupt keine Übung. Ich weiß auch nicht ob ich bereit dazu bin. Aber ich muss mich jetzt entscheiden, ob ich fliehe, vielleicht für immer, oder mich fangen lasse. Zögernd trete ich näher an die Steilklippe. Die eigentliche Frage ist: kann ich den einzigen Ort verlassen, den ich je als Heimat gekannt habe, mein Zuhause? Wehmütig schaue ich zurück. Währenddessen werden die Stimmen hinter mir lauter und einzelne Wikinger tauchen schon am nur einige Meter entfernten Waldrand zwischen den Bäumen auf.
Kapitel 9 – Kampf ums Überleben
Zögerlich weiche ich ein paar Schritte von der Kante zurück. Jetzt oder nie. Ich nehme Anlauf und springe. Direkt über die Kante ins nichts. Mitten im Sprung kommen meine Zweifel zurück. Ich kann noch gar nicht fliegen. Während ich falle, starre ich mit weit aufgerissenen Augen dem schnell näherkommenden Wasser entgegen. Neben mir die schroffe Felswand der Klippe. Du musst etwas tun, schießt es mir durch den Kopf. Ruckartig breite ich meine neuen Flügel aus. So wird auch der Fall schlagartig abgebremst und mein Kopf wird nach vorne geschleudert, während ich über das Meer hinweg segle. Ungläubig fange ich an zu lachen. Ich hab es geschafft. Ich fliege. Eine Böe reißt mich buchstäblich aus der Feierstimmung. Unsanft werde ich zur Seite gedrückt, jedoch kann ich mein Gleichgewicht wieder finden und schaffe es, mich in der Luft zu halten. Hinter mir höre ich wütende Schreie und Stimmen, die trotz des Windes noch bis zu mir dringen. Eine Stimme erkenne ich klar und deutlich: Es ist mein Vater. Ich zwinge mich, nicht zurück zu schauen, und schlage versuchsweise ein wenig mit den Flügeln. Sogleich werde ich ein wenig schneller und vergrößere den Abstand zu der Insel hinter mir. Meinem Zuhause. Ich bin zwar jetzt außerhalb der Reichweite meiner Freunde, allerdings liegt der schwierige Teil erst noch vor mir, wie ich schnell merke. Ich halte direkt auf die Odin Klippen zu und das nur wenige Meter über dem Meeresspiegel. Wenn ich nicht schleunigst lerne wie man lenkt, bin ich geliefert. Probeweise verlagere ich mein Gewicht nach rechts. Das Ergebnis ist, dass ich leicht nach rechts abdrifte. Nicht das, was ich mir vorgestellt hatte, jedoch ein Anfang. An dem ersten aufragenden Felsen komme ich dadurch gerade noch so vorbei, doch beim Darauffolgenden sieht es nicht gut aus. Schnell verlagere ich mein Gewicht auf die andere Seite, allerdings richtet es nicht viel aus und ich krache gegen den Stein. Im letzten Moment, bevor in mal wieder in die Tiefe falle, kralle ich meine Klauen in den Fels. Unkontrolliert schlag ich mit den Flügeln, um den Halt nicht zu verlieren, jedoch ohne dadurch etwas auszurichten. Mit großer Kraftanstrengung ziehe ich mich hoch und über die Kante. Auf der kleinen Fläche, die der Fels bietet, verschnaufe ich kurz. Hinter mir höre ich weiterhin die verärgerten Stimmen der Wikinger meines Dorfes. Ich widerstehe dem Drang mich einfach hier hinzulegen, die Augen zu schließen und mir zu wünschen ich wäre wieder bei mir zu Hause im Dorf. Als Mensch. Wie es sein sollte. Doch das bringt auch nichts. Stattdessen werfe ich lediglich einen Blick zurück. Wann ich meine Insel wohl wiedersehen werde? Doch erst mal wende ich mich nach Westen. In dieser Richtung müsste ganz in der Nähe eine kleinere, unbewohnte Insel sein. Ich kann jetzt nicht zurückkehren. Nicht so. Mit flatternden Flügelschlägen steige ich in die Luft und fliege unbedarft über die Odin Klippen hinweg. Dabei merke ich, wie ich meine Höhe variieren kann. Stärkere Flügelschläge schneller hintereinander lassen mich höher steigen. Wie ich wieder runter komm, kann ich mir auch so denken. Bei jedem Flügelschlag aufs Meer hinaus, spüre ich regelrecht, wie ich mich immer weiter von meinem Leben entferne. Ich starre traurig, aber auch wütend auf den Horizont. Auf eine ungewisse Zukunft. Mein vertrautes Zuhause mit einem Platz, wo ich hingehöre, wurde gegen ein Leben als Drache ausgewechselt. Schnaubend schlage ich in die Luft. Dabei gerate ich aus dem Gleichgewicht, was ich durch einen Schlenker ausgleichen muss.
Schon nach kurzer Zeit, in der Fallow allerdings schon weit hinter mir zurück geblieben ist, merke ich, dass Fliegen weit anstrengender ist, als ich es mir vorgestellt hatte. Auch meine fehlende Übung macht sich langsam bemerkbar. Meine Flügelschläge werden unregelmäßiger und ich verliere rasch an Höhe. Ein Gedanke schießt mir in den Kopf: Wenn ich hier abstürze und im Wasser lande, werde ich auch keine Kraft mehr haben, um schwimmend die Insel zu erreichen und ich werde ertrinken. Gerade in diesem Moment taucht in weiter Ferne ein dunkler Punkt am Horizont auf. Die Insel! Ich sammle noch einmal meine Kräfte und lege mehr Energie in meine Flügelschläge. Ich muss diese Insel erreichen! Doch trotzdem komme ich schnell an das Ende meiner Kräfte, lange bevor ich auch nur in die Nähe des rettenden Ufers kommen konnte. Mit einem Platschen lande ich im kalten Meerwasser. Jedoch spüre ich kaum etwas von der Kälte. Wohl ein Vorteil der offensichtlich dickeren Drachenhaut, wie ich zugeben muss. Eine Welle schlägt über meinem Kopf zusammen und überspült mich mit Wasser. Mit meinen Beinen wild strampelnd halte ich mich über Wasser und schnappe nach Luft. Wieder eine Welle und meine schwindenden Kräfte sorgen dafür, dass ich unter Wasser gedrückt werde. Plötzlich taucht neben mir ein Kopf aus den Tiefen des Meeres auf. Ein wirklich riesiger Kopf. Ich schrecke zurück, während die Gestalt an mir vorbei gleitet gefolgt von einem langen Hals. Ein Drache! Er wird mich fressen, schreit mein Verstand und langsam gerate ich in Panik. Immer noch unter Wasser die Luft anhaltend, arbeite ich mich zurück an die Oberfläche. Dort angekommen habe ich keine Zeit lange durchzuatmen, denn neben mit taucht wieder das große grüngeschuppte Horn des Drachen auf. Mit Sauerstoff lässt es sich gleich viel besser nachdenken, jedoch habe ich keine bessere Idee, als den Drachen versuchen zu vertreiben. Ich sterbe doch lieber ertrinkend, als für einen Drachen als Mahlzeit zu Enden. Also schlage ich nach dem Kopf des Drachen, der gerade wieder neben mir ankommt. Ich erreiche ihn kaum und meine Krallen könne dadurch keinen großen Schaden angerichtet haben. Doch tatsächlich dreht dieser ab und ich sehe zum ersten Mal das wahre Ausmaß des gegnerischen Drachenkörpers. Allerdings nicht für lange, denn schon versinke ich wieder im Wasser. Unter Wasser entdecke ich schemenhaft, wie sich der riesige Drache entfernt. Immer noch den Schrecken in den Gliedern, konzentriere ich mich wieder auf mein eigentliches Ziel: die Insel zu erreichen. Als mein Kopf zwischen zwei Wellen aus dem Wasser ragt, sehe ich sie deutlich am Horizont. Ich versuche in diese Richtung zu schwimmen, werde jedoch regelmäßig wieder unter Wasser gedrückt. So werde ich nicht mehr lange durchhalten. Vor Erschöpfung am ganzen Körper zitternd, vielleicht liegt es auch an der Kälte, sinke ich zwischen meinen Schwimmzügen immer tiefer. Ich schaffe es nicht zur Insel. Ich werde ertrinken. Keine Chance, dass ich die Insel doch noch erreiche. Völlig erschöpft und hoffnungslos höre ich auf zu schwimmen; höre auf gegen das Unvermeidliche anzukämpfen. Ein letztes Mal schnappe ich nach Luft, dann werde ich von einer weiteren Welle überspült und sinke in das tiefe Blau. Irgendwie friedlich, denke ich mir, als ich in die weite Tiefe blicke. Plötzlich werde ich zurückgezogen. Ich höre das flatternde Geräusch von Flügeln, doch ich nehme alles nur verschwommen war. Ich huste Wasser, dann wird die Welt um mich herum schwarz.
Kapitel 10 - Verloren
Das Erste, was ich wahrnehme, als ich langsam wieder zu mir komme, ist der feste Boden, auf dem ich liege. Ich versuche mich zu erinnern, was passiert ist, allerdings kommen die Erinnerungen nur nach und nach zurück. Ich weiß noch, dass ich am Ertrinken war, bevor ich das Bewusstsein verloren habe. Aber warum bin ich dann nicht tot? Bin ich tot? Nun scheinen auch meine anderen Sinne zu erwachen. Entferntes Rauschen ordne ich Wellen zu, die am Strand brechen, das Kreischen über mir, Möwen. Auch den salzigen Geruch des Meeres kann ich erkennen. Darunter mischt sich ein leicht fischiges Aroma. Ich hab seit dem Morgen, an dem ich mich verwandelte, nichts mehr gegessen. Knurrend erinnert mich auch mein Magen daran. Also ich bin nicht tot, schließe ich. Aber warum nicht? Irritiert öffne ich nun meine Augen. Wie vermutet liege ich nicht unweit des Meeres auf einer flachen Felsküste mit runden, abgeschliffenen Felsen. Wenige Meter entfernt, befindet sich ein kleiner Haufen Fisch. Ich blicke um mich. Dies ist die Insel, die ursprünglich mein Ziel gewesen ist. Doch wer hat mich hier hergebracht? Hat derjenige die Fische gefangen? Plötzlich fällt ein Schatten auf mich und vor mir landet ein großer Drache mit leuchtend orangen Schuppen. Hastig rapple ich mich auf und bereite mich auf einen Angriff vor. Der Riesenhafte Albtraum ist groß für seine Art und weißt damit etwa das Doppelte meiner Größe auf. Immer noch berechnend und bereit einen Angriff abzuwehrend, beobachte ich ihn abmessend. Doch mein Gegenüber deutet nichts dergleichen an. Stattdessen fügt er einige Fische aus seinem Maul dem vorhandenen Haufen hinzu. Weiterhin bereit bei jedweder Gefahr ab zuhauen, schaue ich ihm verwundert zu. Belustigt schaut der Drache zurück. „Hier, die sind für dich“, fängt er an und deutet auf den Haufen. Verwundert starre ich ihn an. Ich hatte keine Ahnung, dass Drachen miteinander sprechen. Noch weniger hatte ich gedacht, dass ich es verstehen könnte. „Du bist doch sicher hungrig. Du hattest Glück, dass mir dieser Glutkessel bescheid gegeben hat. Ich hätte dich fast nicht mehr rechtzeitig gefunden.“ Verblüffung macht sich in mir breit. Er hat mich gerettet? Ein Drache? Ich hatte immer gedacht, Drachen kümmern sich nur um sich selbst. „Hey, ist alles in Ordnung?“ Er blickt mich forschend an. „Der Glutkessel sagte schon, du wärest ziemlich durcheinander. Er sagte auch, du hättest nach ihn geschlagen, aber warum solltest du das tun? Das ergäbe keinen Sinn. Auf mich machst du einen recht vernünftigen Eindruck.“ Da hatte ich nicht einmal eine Ahnung, dass Drachen sprechen und nun hört dieser hier nicht mehr auf damit. „Was hattest du eigentlich so dicht bei dieser Insel zu suchen? Du kommst nicht von hier, stimmt’s? Denn dann wüsstest du, dass auf dieser Insel Wikinger leben.“ So hatte ich mir ein Zusammentreffen mit einem Riesenhaften Albtraum nicht ansatzweise vorgestellt. Während dieser weiter redet, schiebt er mir einen großen Teil des Haufens zu. Ohne ihm weiter zuzuhören, beiße ich genüsslich in den ersten Fisch. Wer hätte gedacht, dass roher Fisch so lecker sein kann? Trotz meiner Nervosität wegen des Drachens, obwohl dieser einfach neben mir seine Fische frisst, kann ich mein Mahl genießen. Gesättigt verschlinge ich den letzten Fisch. „Ich hab ja schon öfters gehört, dass Nachtschatten wortkarg sein sollen, aber du scheinst gerade so als hättest du deine Zunge verloren.“ „Danke für die Rettung und den Fisch“, bedanke ich mich reserviert und wende mich ab, um im Wald zu verschwinden. „Keine Ursache“, ruft der Albtraum mir verstimmt hinterher.
Während ich durch den Wald laufe, erlaube ich mir noch nicht an zu Hause zu denken. Stattdessen schweifen meine Gedanken zu diesem Drachen von vorhin. Mir ist bewusst, dass ich mich ziemlich unhöflich verhalten habe, aber ist nur ein Drache. Drachen retten einen nicht einfach selbstlos. Wahrscheinlich hatte er irgendwelche Hintergedanken. Ganz sicher hatte er die. Wieso sonst hätte er mich, eine absolute Fremde, retten sollen? Über mir türmen sich Wolken zu einem grauen Ungetüm auf und ein heftiger Wind pfeift durch die Bäume. Ein Blick in den Himmel verrät mir, dass es wohl bald anfangen wird zu regnen. Ich sollte mir schleunigst einen Unterschlüpf suchen. Über dem Wald ragt ein großer Felsen in den nun immer dunkler werdenden Himmel. Vielleicht gibt es darin schützende Höhlen, überlege ich. Schnell mache ich mich auf den Weg in diese Richtung.
Skeptisch betrachte ich die kleine Höhle vor mir. Sie ist gerade so groß genug, dass ich als Drache rein passen könnte, aber wirklich gemütlich sieht sie nicht aus. Ich werfe einen Blick in den Himmel. Noch hat es nicht angefangen zu regnen, also beschließe ich weiter zu suchen. Nach einiger Zeit werde ich fündig. Zwar liegt die Höhle ein paar Meter über dem Boden, aber mit dem kleinen Vorsprung am Eingang der Felshöhle, sollte es mir möglich sein, hoch zu klettern. Mit einem Sprung bin ich, sogar besser als erwartet, schon beinahe am Vorsprung angelangt. Ich kralle mich in eine schmale Rille und ziehe mich auf das flache Stück. Die Höhle wirkt geräumig und reicht nicht so tief in den Fels, dass sich dort unbemerkt jemand aufhalten könnte. Auch wegen des Regens muss ich mir erst mal keine Sorgen machen. Der Eingang ist recht klein im Gegensatz zum Rest der Höhle, allerdings immer noch größer als die erste Höhle, die ich fand. Halbwegs zufrieden trete ich in den Schatten der Höhle. Gerade rechtzeitig, denn mit einem mächtigen Donnern öffnet Thor die Himmelschleusen und in Strömen ergießt sich der Regen außerhalb meines Unterschlupfes auf die Erde. Langsam komme ich nach der Aufregung der letzten Tage zur Ruhe und lege mich auf den kalten Höhlenboden. Begleitet vom beständigen Rauschen des Regens denke ich nach. Das Wetter passt zu meiner trüben Stimmung. Ich bin alleine. Wirklich alleine. Mein ganzes Leben lang wusste ich immer genau, was ich zu hatte. Jetzt hab ich keine Ahnung wie es weitergehen soll. Ich hab alles verloren. Meine Insel. Meine Freunde. Meine Familie. Mein ganzes Leben, gefühlte Welten entfernt. Eine einsame Träne rollt meine Wange hinab.
Verzweifelt umklammert sie den Griff des Schwertes. In der Hütte ist es still, bis die Tür vorsichtig aufgestoßen wird und zwei Wikinger hineintreten. „Ihr habt sie nicht gefunden, stimmt’s?“, fragt das Wikingermädchen, welches noch immer regungslos auf dem Bett sitzt. Nun hebt sie ihren Blick. Traurig schütteln die beiden Jungen die Köpfe. „Es sind immer noch Suchtrupps im Wald. Wir werden sie finden.“ Doch der Zweifel in seiner Stimme, straft seinen Worten Lüge. Das Mädchen steht mit Mühe auf und humpelt ein paar Schritte auf ihre Freunde zu. Entschlossen verkündet sie: „Ich werde euch helfen. Sie ist auch meine Freundin.“ Sanft schiebt einer der Jungen sie zurück zum Bett. „Du musst dich ausruhen. Du kannst ja kaum laufen.“ „Aber... ich kann hier nicht einfach tatenlos rumsitzen. Ich...“, versucht sie zu wiedersprechen, verstummt jedoch mitten im Satz. „Ihr habt ja recht“, lenkt sie kurz darauf ein, „Ich wäre so auch keine große Hilfe.“ Traurig setzt sich das Wikingermädchen zurück auf ihr Bett. Ihre Freunde erwidern nichts und ein bedrückendes Schweigen erfüllt die Hütte. Sie kennen die Gedanken, die keiner von ihnen wagt, auszusprechen. Man hat die Sachen ihrer Freundin, nicht unweit eines Nachtschattens, verlassen vorgefunden. Und obwohl man seit Tagen den Wald durchkämt, wurde kein Anzeichen eines Kampfes oder ihren Verbleib gefunden. Nachdem die beiden Jungen die Hütte verlassen haben, tritt das Wikingermädchen humpelnd ans Fenster und blickt auf das Meer. Dunkel und bedrohlich ragen graue Regenwolken am Horizont über dem aufgewühlten Meer auf. „Wo bist du nur, Svenja?“, flüstert sie in den aufkommenden Sturm. Während sie so auf das Wasser hinausblickt, entgeht ihr das kleine Holzboot, welches halb verdeckt hinter einer Küstenbiegung das Dorf beobachtet.
Dornengift (Sturmschneid ) hat hier angefangen und ist dann weiter nach Berk geflogen.
Nebelauge, Silberschwinge und Schneeklaue sind von der Insel der Nacht angekommen und machen rast auf einer kleinen Insel. Dort ruhen sich die drei erstmal aus und am nächsten morgen geht Schneeklaue die Insel erkunden. Sie findet einen kleinen See mit einem Wasserfall in dem sie anfängt zu spielen. Dabei bemerkt sie nicht wie sie von zwei Jungen, aus dem Dorf dieser Insel, beobachtet wurde. Einer von ihnen holt Verstärkung um den Drachen einzufangen, während der andere erstmal da bleibt um den Nachtschatten weiter im Auge zu behalten. Schneeklaue bemerkt ihn, ruft aber noch nicht um Hilfe da sie neugierig auf den Jungen ist. Dem Jungen fällt auf, dass dieser Drache kein bisschen aggressiv oder so ist. Doch dann kommt die Verstärkung aus dem Dorf und Schneeklaue wird eingefangen. Nebelauge kommt ihr zu Hilfe und kann sie retten.
Username: Schattentigerin Name des Drachen:Xatina Rasse: Quatzol Geschlecht: weiblich Alter:ca 1 Jahr
Aussehen: sie sieht ihrem Vater Shadrian sehr ähnlich und hat ebenso wie er blaues Gefieder, sie hat jedoch die grünen Augen von ihrer Mutter geerbt. Zusätzlich ist sie für einen weiblichen Quatzol recht groß *Äußerliche Besonderheiten: ------ Hast du einen Reiter?:nein Willst du einen Reiter?: (insider info: sie bekommt in teil 3 der triologie jemanden) Wie gut versteht ihr euch mit Menschen?: 8 Wo liegen die Stärken: kämpfen, fliegen Und wo die Schwächen: Diplomatie, Feuer speien Charakter in Stichpunkten: Sie ist ehrgeizig, kampf und abenteuerlustig, frech, manchmal patzig und sehr wild. Kampftechniken: MIt Krallen Zähnen und was sie sonst noch gerade so zur Verfügung hat ....
Familie:
-Vater: Shadrian -Mutter: Faye -Geschwister: Volteer und Laila -Junge: keine -Gefährt(e/in): keiner -Freunde: ihre Geschwister, Hicks, Ohnezahn, Amy -Feinde: noch keine
Softskills:
Trage 1-10 ein! Nicht nur 10!! Mindesten zwei 2 oder 1. (Gesamtpunktzahl darf 85 nicht überschreiten!)