How To Be A Dragon Kap. 19 - 25

How To Be A Dragon Kap. 19 - 25

23.09.2017 10:50

2. Fortsetzung zu How To Be A Dragon


Kapitel 19 - Fliegen

Ich starre auf das dunkle Meer hinaus. Es erscheint mir tief und unergründlich, wie es da so im Mondlicht glänzt und dabei keinen Blick in seine Tiefe zulässt. Das Wasser ist so tief schwarz wie der Himmel selbst, bis auf die helle Reflexion des nicht ganz vollen Mondes.
Es ist der gleiche Anblick wie auf Fallow, und doch zugleich völlig anders.
In dieser Nacht habe ich nur wenig Schlaf gefunden. Es geht mir einfach zu viel durch den Kopf.
Wenn ich einen klaren Kopf hätte, würde ich vielleicht auch wieder darauf kommen, was mir im Moment partout nicht einfallen will.
Vielleicht wenn... Vielleicht bringt mich ein kleiner Flug auf andere Gedanken.
Ich stoße mich von der Klippe ab und gleite durch die Nacht.
Seit ich das Fliegen einigermaßen beherrsche, kann ich es auch genießen. Und, dass muss ich wohl oder übel zugeben, meine Flügel sind das beste an dieser Verwandlung.
Eine – ich weiß nicht wie ich es besser beschreiben soll – Energie durchflutet meinen Körper, jedes Mal wenn ich in der Luft bin.
Nicht so eine Energie wie in einer Schlacht, in der ich voll konzentriert bin und um mein Leben kämpfe.
Nein, es ist eine ganz andere. So etwas habe ich vorher noch nie gespürt.
Beim Fliegen geht es um Gefühl. Das Gefühl für den Wind, die dich umgebene Luft, als wäre man eins mit dem Himmel. Es geht nicht um Kontrolle, vielmehr geht es um das aufgeben jeglicher Kontrolle und los zulassen.
Fliegen ist … Freiheit.
Anders kann ich es beim besten Willen nicht beschreiben. Langsam verstehe ich, was es heißt ein Drache zu sein. Der Wind in meinen Flügeln und diese Energie machen es unvergleichlich.
Ich segle gemächlich über das Meer hinweg. Zu dieser frühen Stunde bin ich das einzige Lebewesen weit und breit zwischen dem bewölkten Nachthimmel und den rauen Wellen der See.
Plötzlich kommt der Mond hinter einer Wolke hervor und einer seiner Lichtstrahlen fällt auf einen Felsen im Meer. Ich stutze und bleibe in der Luft stehen. Es sieht beinahe so aus, als würde der Stein … glühen.
Keinen Augenblick später hat sich die nächste Wolke vor den Mond geschoben und der Fels ist nur noch ein gewöhnlicher Fels im weiten Ozean.
„Bei Thor!“ , rufe ich aus. Jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Der Stein! Der Stein im Wald, von dem ich dachte er würde glühen, hat wirklich geglüht. Das war der Auslöser!
„Wer ist Thor?“ , ertönt eine Stimme hinter mir. Erschrocken vollführe ich eine halbe Drehung in der Luft, bis mein Blick auf Wolkensturm fällt.
Ich mustere ihn, um herauszufinden ob dies ein Scherz sein soll, jedoch scheint er es Ernst zu meinen.
„Niemand.“ , antworte ich. Ich habe gerade keine Geduld einem Drachen zu erklären, wer der Donnergott ist. Ich habe den Auslöser gefunden!
Hinter dem mit der Antwort unzufrieden wirkendem Wolkensturm taucht ein vorwurfsvoll aussehender Schrecklicher Schrecken auf. „Wir haben dich gesucht, nachdem wir bemerkten, dass du nicht auf der Lichtung geschlafen hast.“
„Tut mir leid, ich musste meinen Kopf frei kriegen.“
Rhaos Mine wurde weicher und er nickt verständnisvoll. Dann stiehlt sich ein verschmitztes Grinsen auf sein Gesicht. „ Ich wette, ihr schafft es nicht, mich zu fangen.“ , behauptet der Schrecken. Er stößt sich von Wolkensturms Schulter ab, auf der er bis dahin gesessen hat, und stürmt davon. Wolkensturm und ich tauschen einen Blick und stürzen dem kleinen Drachen hinterher.

Nach einer wilden Jagd durch den Himmel haben Wolkensturm und ich es gemeinsam bewerkstelligt den überaus flinken Drachen ein zu kesseln.
Ich blicke nach Osten und halte mir geblendet eine Pfote vor mein Gesicht. Die Sonne geht schon wieder auf.
Was bedeutet es, dass dieser Stein der Auslöser war?
Bevor ich allerdings weiter darüber nachdenken kann, höre ich harsche Rufe von unten und kann gerade noch ausweichen, als etwas Großes, Schnelles an mir vorbei rauscht.
Unbemerkt von uns dreien, waren zwei Schiffe hinter einer Felsenformation hervorgekommen. Auf ihren Segeln thront die Abbildung eines Gronkels.
Ein weiteres Etwas kommt urplötzlich angeflogen. Auch Wolkensturms Warnung kommt zu spät. Ich kann nicht mehr ausweichen und werde getroffen.
Das Netz legt sich um meinen Körper und die Seile schneiden in meine Schuppen. Vor allem aber behindert es meine Flügel, sodass ich wie ein Stein auf die Schiffe zu falle.
Bemüht weiteren Netzen auszuweichen, stürzt Wolkensturm sich mit in die Tiefe. Kurz bekommt er Teile des Seils zufassen und mein Sturz wird abgefangen. Jedoch muss er Pfeilen ausweichen, welche die Wikinger unermüdlich in unsere Richtung schießen, und ich muss mit ansehen wie dem Sturmbrecher das Netz aus den Krallen gleitet.
Ich schreie auf, als ich erneut falle. Hart schlage ich auf dem Deck des Schiffes auf. Für einen Moment raubt es mir den Atem und ich schnappe nach Luft. Ich kämpfe gegen das Netz an, Panik macht sich in mir breit.
Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Wolkensturm versucht an mich heran zu kommen, doch er wird von den Wikingern des anderen Schiffes in Schach gehalten. Er hat keine Chance sich mir zu nähern.
Aufgeregt flattert Rhao mit einer unglaublichen Geschwindigkeit durch das Chaos aus Wikingern, Schwertern und Äxten, welches auf dem Deck herrscht, doch der kleine Schrecken kann nicht viel ausrichten.
Anschließend lenke ich meine Aufmerksamkeit auf die Wikinger um mich herum. Sie sehen noch recht erstaunt aus, manche ungläubig, einen Nachtschatten im Netz zu haben. Meine Gelegenheit! Ich knurre wütend und öffne mein Maul, im begriff einen Plasmablitz abzufeuern. Nichts, stelle ich überrascht fest, gar nichts passiert. Aber ich habe es doch schon mal geschafft. Leider will die Hitze in meinem Maul, die ich beim letzten Mal verspürt habe, einfach nicht eintreten. Warum funktioniert es nicht? Jetzt werde ich wirklich panisch und versuche mir einen Weg aus dem Netz zu kämpfen. Ohne Erfolg.
Nun haben sich auch die Wikinger aus ihrer Starre erholt und werfen sich auf mich. Ihre schweren Leiber drücken mich auf den Boden.
Neben den Geräuschen der Schlacht auf dem anderen Schiff, ist jetzt auch ein Poltern zu hören. Etwas wird an Deck geschafft und auf mich zu geschoben. Die Wikinger versperren mir die Sicht auf dieses Etwas. Erst als es vor mir steht und ein Wikinger zur Seite tritt, erkenne ich mit Schrecken den Gegenstand. Doch sosehr ich mich auch dagegen wehre, schließlich schaffen es die Wikinger doch mich in den Käfig zu verfrachten.
Das Netz wird von mir weggerissen und die Tür fällt mit einem Knall zu.
Schwer atmend sitze ich innerhalb des Käfigs, umrundet von gaffenden und höhnenden Wikingern und kann nichts dagegen tun.
Mein angsterfüllter Blick schweift zu Wolkensturm. Er speit Feuer auf das Deck des anderen Schiffes und greift erneut an.
Als er wieder etwas Abstand gewinnt, treffen sich unsere Blicke und seine Mine verfinstert sich, als er den Käfig sieht. Er fliegt höher, außerhalb der Reichweite von den Katapulten und bemerkt nicht, wie hinter ihm Männer in Stellung gehen. Als ich sehe, wie sie ihre Bögen spannen, ist es schon zu spät.
Wolkensturm war zu sehr auf den Käfig fixiert. Mit einem schmerzerfüllten Brüllen klappen seine Flügel ein und der mächtige Drache stürzt ab.
Ein schriller Schrei entfährt mir. „Neeiiin!“ Ich springe gegen das Gitter meines Gefängnisses. Mit weit aufgerissenen Augen muss ich mit ansehen, wie der schlaffe Körper auf dem Wasser aufschlägt und von den Wellen verschluckt wird. „Wolkensturm…“ Meine Stimme ist nun nicht mehr als ein Flüstern.
Die beiden Schiffe nehmen fahrt auf und alles was ich noch sehe, ist ein kleiner, flatternder Fleck, der verzweifelt über dem Wasser kreist.


Kapitel 20 - Flucht

„Lasst mich raus!“ Ich springe blindwütig gegen das Gitter und knurre die umstehenden Wikinger an. Ich erreiche zumindest, dass einige der Thursen zurückweichen.
Als das nichts weiter bringt, betrachte ich die Tür genauer. Ich muss hier raus. Ich kann Wolkensturm noch helfen. Ich muss nur hier raus kommen.
Mein verzweifelter Versuch das Schloss mit meinen Drachenpfoten zu öffnen scheitert kläglich. Mit Händen würde ich diese Tür auf kriegen.
Wenn ich Hände hätte, wäre ich nicht in dieser Situation, meldet sich eine leise Stimme in meinem Hinterkopf. „Arrrrg.“ , brülle ich der Tür meinen Frust zu und schlage mit der einen Pfote gegen das Schloss.
In Begleitung von zwei Kriegern nähert sich ein wichtig aussehender Wikinger. Seine Rüstung ist edler als die der anderen und die aus Drachenschuppen bestehenden Schulterstücke deuten auf einen Thursen hin, der mehr zu sagen hat, vielleicht der Kapitän des Schiffes.
Mit einem Grinsen mustert er mich und umrundet den Käfig. Mit zu Schlitzen verengten Augen folge ich seinen Bewegungen. Ich komme hier nicht von alleine raus und sie werden mich ganz sicher auch nicht einfach so gehen lassen.
„Ich hätte nie gedacht mal selber einem Nachtschatten zu begegnen. Männer, heute ist wohl unser Glückstag!“ , ruft der Befehlshaber aus. Die Wikinger um ihn herum jubeln. Als er eine Hand hebt verstummt die Menge augenblicklich. „Bringt den Drachen runter und dann habt ihr euch alle eine Extra-Portion Rum verdient.“ Erneuter Jubel bricht aus.

Grob haben die Wikinger mich unter Deck gebracht. Mich in einen anderen Käfig gesteckt. Geräumiger zwar, aber das Gitter am Eingang erinnert mich daran, dass ich hier nicht weg kann; dass ich eingesperrt bin. Und dass ich Wolkensturm nicht helfen konnte. Ich will mir nicht eingestehen, dass es jetzt wohl auch zu spät ist.
Ich liege zusammen gerollt in einer Ecke. Den Kopf energielos auf meinen Pfoten gebetet und den Schwanz schützend um ich gelegt.
Unter Deck ist es dunkel. Nur vereinzelte Sonnenstrahlen dringen durch die schmalen Ritzen zwischen den Holzdielen der Decke.
Teilnahmslos beobachte ich den im Licht tanzenden Staub.
Die Wikinger haben mir sogar etwas Fisch hingeschmissen. Sie wollen wohl verhindern, dass ihre wertvolle Fracht verhungert. Der Fisch liegt immer noch unbeachtet am Eingang herum.
Ein Poltern im Nebenraum lässt mich hochschrecken. Beunruhigt rapple ich mich auf. Zwei Wikinger betreten den Raum mit den Zellen. Während sie näher kommen, knurre ich warnend. Nur weil ich mich gerade ziemlich hoffnungslos fühle, müssen die Thursen nicht denken, dass ich mich so schnell geschlagen gebe. Sie haben Wolkensturm auf dem Gewissen. Wenn ich ihm schon nicht helfen konnte, werde ich zumindest den Thursen das Leben so schwer wie möglich machen.
Die Reaktionen der Männer könnte unterschiedlicher nicht ausfallen: Der eine weicht verschreckt vor dem Gitter zurück. Der andere hebt missmutig seine Lanze und schlägt gegen die eisernen Gitterstäbe. „Sei still!“
Widerwillig verstumme ich, jedoch starre ich die beiden weiterhin zornig an.
„Pass lieber auf.“ , zögernd kommt der erste Wikinger wieder auf den Käfig zu. „Wir haben keine Ahnung ob er nicht doch … hier raus kommt. Ich meine, es ist ein Nachtschatten.“ Sichtbar verunsichert beobachtet er mich und hält ein gutes Stück Abstand zum Gitter.
„Er ist auch nur ein Drache.“ , widerspricht sein Kollege. „Der wird da nicht so schnell raus kommen.“ Und stapft zu dem einen Hocker an der Tür um sich darauf nieder zu lassen.
Der erste sieht nicht sonderlich beruhigt aus, hält aber auch nicht weiter dagegen, sondern lehnt sich gelangweilt gegen die Wand. „Warum müssen wir eigentlich hier auf den Drachen aufpassen? Wir machen die langweilige Arbeit, während alle anderen die letzten Vorbereitungen beenden.“
„Würdest du lieber Kisten schleppen?“ , fragt der andere Wikinger seinen Kameraden sarkastisch. Er fügt noch unfreundlich hinzu: „Hör auf zu meckern und sei endlich still.“
Ich runzle die Stirn. Über was reden die denn da? Vorbereitungen wofür? Ich schaue desinteressiert in der Gegend herum und tue so als würde ich die Wikinger außerhalb des Käfigs nicht beachten. Ich will nicht, dass sie mitbekommen, dass ich sie belausche. Leider bleiben sie still, bis auf ein missgelauntes Grummeln des einen, und unterhalten sich nicht mehr.
Auch den Rest des Tages reden sie nicht mehr viel miteinander.
Am Abend kommen zwei neue Wachen und lösen die beiden ab.
Ich drehe Runden durch den Käfig. Ich kann hier nicht länger bleiben. Ich muss etwas tun. Ich muss hier weg. Ich werde mich nicht auf Dauer einsperren lassen.
Ein Plan beginnt sich in meinem Kopf zu formen und nimmt Gestalt an. Das könnte funktionieren. Vielleicht habe ich doch eine Chance zu entkommen.
Mein Blick wandert zu den neuen Wachen, die schnarchend auf den Hockern an der Tür sitzen und fällt schließlich auf den Fisch an der Gittertür.
Ich habe zwar kein Appetit, dennoch schlinge ich sie hinunter.
Ich werde jede Energie brauchen, die ich kriegen kann.
Dann schleiche ich mich zur Rückwand der Zelle. Glücklicherweise ist sie aus Holz. Ich setze meine Kralle an und fange an Runen ein zu ritzen.
Die Thursen werden wohl kaum damit rechnen, dass Drachen schreiben könnten, auch nicht Nachtschatten.
Als ich fertig bin, lege ich mich an die Seite des Käfigs und atme tief durch. Jetzt kann ich nur noch warten.

Am nächsten Morgen erwache ich aus einem unruhigen Schlaf. Gerade rechtzeitig. Die Sonne geht auf. Die Dämmerung weicht rot-orangenem Licht, welches durch das Deck strahlt.
Es ist soweit. Wachwechsel.
Ich schließe die Augen und tue so als würde ich noch tief und fest schlafen.
Ich höre die schweren Schritte der Wikinger. Ich höre die sich entfernenden Schritte der vorherigen Wachen und ich höre die nahenden Schritte anderer Wachen. Ich höre auch wie die Schritte des einen stocken und dann ganz in meiner Nähe stehen bleiben.
„Da ist etwas in die Wand eingeritzt worden.“ , ertönt nun eine Stimme.
„Der Drache hat halt an den Wänden gekratzt, na und?“ , ist nun eine andere Stimme zu hören.
„Es sieht aber nicht aus wie irgendwelche einfachen Kratzer.“ , hält der erste dagegen an, „Mehr wie … wie Runen.“ „Was?“ , fragt sein Kollege verwirrt. „Das muss ich mir genauer ansehen. Pass du auf den Nachtschatten auf.“
Am knatschenden Geräusch der Tür erkenne ich, dass mein Plan dabei ist, auf zu gehen. Die Wikinger betreten den Käfig.
Vorsichtig öffne ich meine Augen einen Spalt weit. Der eine Wikinger hält seine Lanze auf mich gerichtet, während der andere sich der Wand nähert. Er ließt vor: „Hier steht: Ihr werdet es bereuen.“ Überrascht wendet sich der Wikinger mit der Lanze auch der Wand zu.
Diesen Moment der Unachtsamkeit nutze ich aus und schnappe mir den Stab der Waffe mit meinem Maul.
Ich werfe meinen Kopf zu Seite und der Mann, welcher zu spät reagiert hat und die Lanze noch immer festhält, verliert sein Gleichgewicht.
Durch den Tumult aufmerksam geworden, dreht sich der an der Wand um, jedoch nicht rechtzeitig genug um mich daran zu hindern aus der Zelle zu springen.
Vor den verdutzten Gesichtern der beiden Wikinger schlage ich die Tür zur Zelle ins Schloss.
In Hochstimmung stürme ich durch die nächste Tür. Aufgrund der frühen Urzeit ist, genau wie ich gehofft hatte, auf dem Schiff nicht viel los. Nur einmal muss ich kurz innehalten um nicht entdeckt zu werden, als auf einem Gang jemand entlang läuft. Kurz darauf ist er jedoch schon wieder abgebogen und ich kann weiter. Irgendwo muss es hier doch nach oben führen.
Endlich habe ich die Treppe hinauf aufs Deck gefunden. Nur noch wenige Meter, dann kann ich meine Flügel ausbreiten und wegfliegen. Mich in die Lüfte schwingen und das Schiff weit hinter mir lassen. Ich erklimme die letzte Stufe und stürze durch den Ausgang nach draußen.


Kapitel 21 - Freiheit

Die gerade am Horizont aufgehende Sonne strahlt mir durch die Tür entgegen. Geblendet bleibe ich stehen und kneife die Augen zusammen. Soviel zum Überraschungsmoment.
Während sich meine Augen noch an den Helligkeitsunterschied gewöhnen, erkenne ich nur Schemen auf dem Deck, doch ich bin mir sicher die Wikinger sind nicht erfreut mich hier oben zu sehen. Ich nehme die Geräusche der Wikinger wahr, ebenso wie den salzigen Geruch des Meeres, der mit unendlicher Weite lockt.
Hektisch blinzle ich und versuche die Situation zu überblicken. Ich muss entkommen. Leider scheint meine Vermutung nicht auf das Deck zuzutreffen. Es ist um einiges belebter, als ich angenommen hatte.
Die Wikinger, welche mir am nächsten sind, ziehen ihre Schwerter und Äxte. Wenn ich hier weg will, sollte ich mich beeilen.
Ich springe über zwei Thursen hinweg und schlage mit den Flügeln. Während ich höher steige ist mein Blick starr auf mein Ziel gerichtet. Den weiten Ozean. Die Freiheit.
Dabei streift mein Blick die Wikinger auf dem zweiten Schiff, die mit gezücktem Bogen auf den richtigen Moment warten, mich vom Himmel zu holen.
Nicht mit mir. Entschlossen schlage ich kräftiger mit meinen Schwingen und mache mich bereit auszuweichen.
Die Wikinger heben ihre Bögen. In dem Moment höre ich von hinten ein Zischen in der Luft. Irritiert werfe ich meinen Kopf zur Seite. Die Wikinger in meinem Blickfeld zielen immer noch schussbereit auf mich. Bevor ich die Gefahr ausmachen kann, spüre ich einen stechenden Schmerz im Bein. Ich zucke zusammen, doch wenn sie denken, dass mich die kleine Pfeilwunde aufhalten wird, haben die mich mächtig unterschätzt.
Plötzlich verschwimmt das Bild vor meinen Augen. Mit einem Kopfschütteln versuche ich mich zu konzentrieren, nicht mehr weit und ich bin frei. Doch ich habe auf einmal Probleme meine Flügel zu koordinieren. Was ist los? Wild mit den Flügeln um mich schlagend verliere ich an Höhe.
Nein! Nicht wo ich kurz davor war. Was passiert hier?
Die letzten Meter falle ich quasi auf das Holz des Schiffes und finde mich umring von Wikingern wieder. Ich knurre und schlage nach dem Bein eines Gegners. Mit einem verwirrten Aufbrüllen stolpere ich nach vorne, als ich es verfehle.
Alles kommt mir verzerrt vor. Ich schaffe es nicht mich zu aufzurappeln, geschweige denn klar zu sehen.

Dann weiß ich nur noch, dass ich eingeschlafen sein muss. Aufgewacht bin ich in der Zelle unter Deck. Klasse, zurück im Käfig. Ich schließe resigniert meine Augen.
Was war das nur vorhin? Ich habe völlig die Orientierung verloren. Dieser Pfeil hat mich heftig umgehauen. Was war das bloß für ein Pfeil?
Trotz der vielen Fragen, die ich mir nicht beantworten kann, gähne ich breit.
Ich habe in der Nacht kaum geschlafen, mein Fluchtversuch hat an meinen Kräften gezerrt und ist zudem noch schief gegangen. Ich bin gerade einfach nur müde. Also bleibe ich liegen.
Ich habe keinen neuen Plan, keine Idee, die mir helfen könnte. Ich bin eingesperrt und ich bin alleine. Ich habe keine Chance hier weg zu kommen.

Ich öffne ein Auge und blicke zur Tür der Zelle. Er steht immer noch mit hinter dem Rücken verschränkten Armen vor dem Gitter und starrt mich an.
Ich schließe mein Auge wieder und brumme missmutig. Der Kapitän steht schon seit einigen Minuten so da. Es ist unangenehm angestarrt zu werden, als wäre ich nur irgendein Objekt. Aber genau das habe ich doch früher auch von Drachen gedacht. Dass es nur gedankenlose Bestien seien. Dass man sie einfach einsperren könnte. Sollte ich jemals auf Fallow zurückkehren, werde ich dafür sorgen, dass die Drachen der Arena ihre Freiheit zurück bekommen.
Ich schwaches Grinsen kann ich mir allerdings nicht verkneifen, als mir in den Sinn kommt, dass er sich wahrscheinlich gerade fragt, wie ein Drache Runen schreiben gelernt hat. Das wird für ihn wohl auch immer ein Rätsel bleiben.
Ich höre wie ein Wikinger auf seinen Befehlshaber zutritt.
„Anak, weitere Schiffe sind eingetroffen. Allerdings hat keines solch eine außergewöhnliche Ladung wie wir.“ Ein unverkennbarer Stolz schwingt in seiner Stimme mit.
„Was haben sie?“ , erkundigt sich Anak.
„Steine. Genug um jedes zweite Schiff der Flotten mit ausreichend Munition für die Katapulte zu versorgen.“ Ich horche innerlich auf. Es geht wieder um diese geheimnisvollen Vorbereitungen von denen die Wachen letzte Nacht gesprochen haben. Offenkundig ist es wohl ein Angriff, den sie vorbereiten. Und es klingt als wäre die Planung schon weit fortgeschritten. Ich mache meine Augen auf und schaue zu den beiden Wikingern.
Dieser Anak hat inzwischen aufgehört mich anzustarren. Nun hat er sich an den anderen Thursen gewandt. „Gut. Sag denen sie können die Fracht mit auf die übrigen Schiffe verteilen.“, gibt er den Befehl und mit einem Nicken entlässt er sein Gegenüber.
Anak steht noch einen Moment regungslos vor der Zelle, dreht sich dann aber um und verschwindet durch die Tür am Ende des Ganges. Sein Blick hat mich nur kurz gestreift, jedoch habe ich deutlich das siegessichere Glitzern in seinen Augen wahrnehmen können.

Die beiden darauffolgenden Tage ist nicht viel passiert. Die Besatzung des Schiffes schien zum Alltag über zu gehen und auch der Kapitän hat sich nicht mehr bei mir blicken lassen.
So eingesperrt, nichts zu tun als meinen Gedanken nachhängen ziehen sich die Stunden ewig in die länge und die Tage wollen einfach nicht vorbei gehen.
Schon früher - als ich noch ein Mensch war - war der Freiheitsdrang schon sehr ausgeprägt bei mir gewesen. Ich konnte kaum einen Tag im Haus verbringen, ohne Sehnsucht nach frischer Luft zu bekommen. Die Wellen des Meeres an die Klippen schlagen zu hören oder das Rauschen der Blätter im Wind war für mich essenziell.
Jetzt als Drache spüre ich es noch viel deutlicher. Wenn ich noch länger eingesperrt bin, drehe ich früher oder später durch.

Das Licht unter Deck schwindet langsam und weicht dem flackernden Lichtern der Fackeln. Normalerweise verstummen nun allmählich die Geräusche der Wikinger. Das Stapfen schwerer Stiefel auf dem Holz und die rauen Stimmen sollten langsam weniger werden, doch nicht heute. Dieser Umstand lässt mich nervös werden. Das heißt entweder sie rechnen damit, dass in der Nacht oder am Morgen irgendetwas passiert oder wir laufen bald in einen Hafen ein. Sollte das letztere der Fall sein, ist es wahrscheinlich der Heimathafen der Thursen.
Die Stimmen ebben die ganze Nacht über nicht ab. Am frühen Morgen mischen sich weitere Rufe hinzu. Andere, entferntere Stimmen.
Nach einiger Zeit verringert das Schiff die Geschwindigkeit und ich könnte wetten es läuft gerade in den Hafen ein. Dann werden sicher auch bald Wikingern kommen um ihre Fracht auszuladen, denke ich verächtlich.
Damit sollte ich Recht behalten und ich bin beinahe froh darüber, wieder in einen dieser mobilen Käfige gesteckt zu werden. Ich weiß nicht, wie lange ich es noch im Bauch des Schiffes ausgehalten hätte.


Kapitel 22 – Heimathafen der Feinde

Genussvoll sauge ich die frische Meerluft in meine Lungen. Ich recke den Kopf den warmen Strahlen der Sonne entgegen und wenn ich jetzt meine Augen schließe, könnte ich mir fast vorstellen wieder zu Hause zu sein. Ich würde auf einem Felsen am Saphirsee in der Sonne liegen, zusammen mit meinen Freunden.
Doch die Realität sieht anders aus. Sobald ich die Augen wieder öffne, bin ich eingesperrt auf einem feindlichen Schiff, gefangen in einem fremden Körper, weit weg von allem Vertrauten.
Ich werde von mehreren Männern auf das Deck des Schiffes geschoben. Leider hatte ich Recht, wir sind im Hafen der Thursen. Ich lasse mein Blick über die Umgebung schweifen und mir bleibt vor Entsetzen der Mund offen stehen. Was bei Odin…?
Mit Schrecken zähle ich mindestens zehn Schiffe im Hafen und in der Bucht drum herum. Am Horizont steht eine andere Flotte auf der einen Seite und etwa zwei weitere, mit je einer Handvoll Schiffen, stehen auf der anderen Seite in Position.
Beunruhigt muss ich zugeben, dass unsere Feinde eine beachtliche Streitmacht zusammengestellt haben. Sollten sie wirklich so viel Munition haben, wie behauptet wurde, möchte ich nicht in derjenigen Haut stecken, die sie planen anzugreifen.
Sie haben bequem die Mittel eine ganze Insel auseinander zu nehmen oder könnten mit Leichtigkeit eine Schar Flotten ausschalten. Ganz egal wen sie angreifen, diese werden wohl kaum eine Chance haben.
Aus den Augenwinkeln nehme ich ein Flattern wahr, wie von einem Vogel oder einem.… Schrecklichen Schrecken! Ich fahre herum und lasse den Blick über den Himmel schweifen. Ich schüttle den Kopf. Es ist nur Wunschdenken, welches mir so etwas vorgaukelt. So dumm ist kein Drache, freiwillig hier her zu kommen.
Ich senke den Kopf. Niemand wird kommen. Ich muss alleine einen Ausweg finden.
Um mich herum wird das Gemurmel von den anderen Schiffen lauter. Sie haben wohl entdeckt, was Kapitän Anak gefangen hat. Höchstwahrscheinlich hat auch keiner von ihnen je einen Nachtschatten gesehen, aber die Geschichten zu den mysteriösen Drachen kennt jeder.
Es scheint sich schnell auf den einzelnen Schiffen bis hin zum Hafen herum zu sprechen, denn schon als ich im Käfig auf den Steg gerollt werde, stehen viele Schaulustige an den Seiten und versuchen einen Blick auf das Innere des Käfigs zu erhaschen. Auf mich, um genau zu sein. Als wäre ich eine Attraktion.
Von den anderen Schiffen werden Kisten ausgeladen und von Deck gebracht. Aus vielen von ihnen ragen Pfeile und verschiedene Waffen. Viele Waffen.
Nun tritt Anak neben den Käfig und scheucht die Schaulustigen aus dem Weg und so schieben die Wikinger mich weiter in die Heimat der Thursen hinein.
Auf dem großen Platz mitten im Dorf läuft es nicht anders, auch hier herrscht reges Treiben und auch hier bleiben immer wieder Leute stehen, um mich anzustarren.
Die Wikinger, die en Käfig schieben, haben Probleme durch die Menschenmasse voran zu kommen. Von überall her höre ich überraschte oder ungläubige Ausrufe.
Ab und zu auch geflüsterte Gerüchte: „Ich hab gehört, auf dem Schiff kamen sie gerade so mit den Essen aus. Es ging wohl schon beängstigend zuneige, weil Nachtschatten jeden Tag mindestens zwei Körbe voll Fisch und ein ganzes Schaf gegessen hat.“ – „Während der Reise soll das Monster ausgebrochen sein. Einer der Wachen sagte, es hatte Hilfe von einer dunklen Macht, um zu fliehen.“ , wird ehrfurchtsvoll geflüstert als ich vorbeigerollt werde.
Anak schreitet mit vor Stolz geschwelter Brust voraus und bahnt sich einen Weg durch die Schaulustigen. Verächtlich denke ich, dass er sich aufführt als hätte er das gesamte Inselreich alleine erobert. Dieser aufgeblasene Mistkerl.
Ein Wikinger beeilt sich um besagten Mistkerl einzuholen und bemüht sich in gleicher Geschwindigkeit neben ihm her zu gehen, damit er mit seinem Kapitän reden kann. Er kommt kaum hinterher.
„Kapitän, vielleicht wäre es besser wenn wir den Drachen zudecken.“ , redet er auf den Kapitän ein und fällt währenddessen fast schon in Laufschritt. „Nein!“ , widerspricht Anak heftig, „Jeder soll sehen, was ich gefangen habe.“

Endlich verlassen wir den Dorfplatz und die Wachen schaffen es die Schaulustigen zurück zu halten. Die Wikinger schieben mich auf einen Eingang im Berg, welcher bedrohlich und dunkel über dem Dorf aufragt, zu. Dahinter verbirgt sich eine große, aber überschaubare Höhle.
Unwirsch stecken die Wikinger mich in eine Zelle. Eine weitere Zelle, wieder etwas anders, aber im Grunde genau wie die vorherigen. Ein Raum ohne Entkommen, mit Gitter als Tür, die mich daran hindert meine Freiheit zurück zu erlangen.
Ein tiefes Knurren dringt aus meiner Kehle, doch leider reicht die Wut offenbar weiterhin nicht aus, um mein Feuer zu entfachen. Das würde alles um so vieles einfacher machen.
Anak beachtet mich überhaupt nicht und wendet sich stattdessen einem beleibten, älteren Wikinger zu, der ein geradezu gigantisches Schlüsselbund in den Händen hält. Mit einem dieser Schlüssel hat er die Tür zu meiner Zelle abgeschossen.
Wenn ich raten müsste, würde ich sagen er ist so eine Art Kerkermeister.
Während ich mich weiter in der tristen Höhle umblicke und den Wikinger unauffällig mustere, erkundigt sich der Kapitän nach dem Häuptling der Thursen.
„Thrymr ist noch auf See. Es heißt er sei morgen zurück.“ , antwortet der Kerkermeister. Viel Aufmerksamkeit widmet er seinem Gegenüber allerdings nicht, er hat nur Augen für mich. Anders als die anderen starrt er mich jedoch nicht hasserfüllt oder ängstlich an, vielmehr funkeln Neugierde und Faszination in seinen Augen.
„Stimmt es, dass Nachtschatten ein violettes Feuer erzeugen?“ , erkundigt er sich bei Anak. „Oh, und ich habe gehört, sie könnten in völliger Dunkelheit sehen.“
Das wäre doch mal ziemlich cool, denke ich bei mir, doch der Kapitän macht lediglich eine wegwerfende Handbewegung. „Das ist wahrscheinlich einem Mythos entsprungen. Feuer gespuckt hat dieser hier jedenfalls nicht. Nicht mal ein Fünkchen.“
Mit diesen abfälligen Worten dreht Anak sich um und stapft aus der Höhle. Die Fragen des Kerkermeisters bleiben unbeantwortet.
In dem Loch, in das sie mich gesteckt haben, gibt es noch fünf weitere Zellen mit dicken Gittern davor, doch soweit ich es erkennen kann sind sie leer.
Eine zweite, scheinbar kleinere Höhle schließt sich in der Nähe des Eingangs an diese Höhle an. Ein Lichtschein dringt daraus hervor und ich bin mir ziemlich sicher, dass es keine weitere Zelle ist.
Auch der Kerkermeister, dessen Namen ich noch nicht kenne, lässt mich nun alleine und verschwindet in ebendieser Höhle.

Ich zerbreche mir den Kopf, um einen Ausweg zu finden aus dieser scheinbar aussichtslosen Lage. Irgendwas. Irgendetwas muss sich doch finden lassen, das mir helfen könnte zu fliehen.
Ich könnte das mit den Runen erneut probieren, doch ich bezweifle, dass Wikinger so blöd sind noch ein zweites Mal auf diesen Trick rein zu fallen. Zumal ich wohl kaum Runen in die Felswand ritzen könnte.
Wenn ich es irgendwie schaffen könnte mein Feuer wieder zu erwecken, könnte ich die Tür oder zumindest das Schloss wegschießen. Dann würde ich aus der Höhle stürmen und … höchstwahrscheinlich schon vom ganzen Wikingerstamm erwartet und wieder eingefangen werden.
Ich seufze und verwerfe diese Idee wieder. Ich brauche einen Plan, der weniger Aufsehen erregt und sich nicht auf so viele ’wenns’ stützt.
Vielleicht könnte ich an den Schlüsselbund vom Kerkermeister gelangen … aber dann bleibt das Problem, dass ich mit meinen klobigen Klauen keinen Schlüssel halten, geschweige denn ein Schloss aufschließen kann. Ich weiß nicht einmal welcher Schlüssel der richtige ist.
Ich grüble den ganzen Tag weiter, doch mir fällt partout nichts ein, was eine Chance hätte zu funktionieren.
Erschöpft lege ich mich schlafen. Auch draußen wird es jetzt dunkler. Meine Gedanken allerdings kommen noch lange nicht zur Ruhe.


Kapitel 23 - Fjell

Mit hochrotem Kopf stürmt Anak in die große Höhle. „Fjell!“, ruft er verärgert und kurz darauf erscheint der Kerkermeistert aus der kleineren Höhle. Man sieht ihm an, dass er mit aller Macht versucht, nicht genervt aufzustöhnen, als er den Kapitän erblickt.
Ich verkneife mir mit Mühe ein Lachen und grinse stattdessen, während ich sie beobachte. Den ganzen Vormittag geht das schon so. Anak kommt reingerauscht, keift den Kerkermeister an, von dem ich nun weiß, dass er Fjell heißt, und stapft dann wieder hinaus.
Um was genau es geht, weiß ich nicht, aber wenn es so weiter geht, werde ich es wohl noch herausfinden.
Seit Anak erfahren hat, dass der Häuptling wohl noch einen Tag länger braucht, ist er genervt. So viel hab ich schon mal herausgehört, mehr allerdings auch noch nicht.
Gerade macht Anak wütende Bewegungen mit seinen Armen und deutet energisch nach draußen.
Fjell erwidert etwas und lacht dann. Der alte Wikinger scheint die Situation wohl mit Humor zu nehmen. Aber das macht den Kapitän noch aufbrausender, jeden Falls deutet er erneut und mit Nachdruck auf den Höhleneingang und dann in meine Richtung.
Immerhin weiß ich jetzt, dass es um mich geht. Anak zieht unverrichteter Dinge ab und lässt einen halb genervt, halb belustigt wirkenden Kerkermeister zurück.
Dieser verdreht die Augen und blickt mit schwer einzuschätzender Miene in meine Richtung, aber ich meine immer noch eine gewisse Neugierde in seinem Blick zu erkennen.
Allerdings nur für einen Moment, dann dreht auch Fjell sich weg und geht entschlossenen Schrittes zum Eingang der großen Höhle. Den Eingang an sich kann ich nicht sehen, aber er redet dort wohl mit jemandem. Vielleicht eine der Wachen dort draußen.
Anschließend scheint wieder alles zur Tagesordnung überzugehen.
Bis der Kapitän noch einmal auftaucht, denke ich grinsend bei mir.

Überraschenderweise ist dies nicht mehr der Fall. Den Rest des Tages bleibt es ruhig, bis auf die gelegentlichen Besuche von Fjell. Gerade verschwindet er in seiner kleinen Höhle, nur um einen Augenblick später wieder heraus zu kommen. In der Hand hält er einen Beutel, der verdächtig nach Essen riecht.
Er lehnt sich an die Wand neben meinem Käfig und schaut mich geduldig an. Ein wenig misstrauisch blicke ich von der gegenüberliegenden Seite meines Gefängnisses zurück.
„Weißt du eigentlich, wie gefragt du bist?“ , Fjell lacht auf, „Auf einmal beneiden mich alle. Sie wollen alle mal einen Blick auf dich werfen. Ich musste schon die Wachen am Eingang verdoppeln, um sie daran zu hindern, einfach herein zu spazieren.“ Der Wikinger entfernt sich kurz und redet währenddessen weiter: „Anak ist ja schon den ganzen Tag so gereizt, seit ihm mittgeteilt wurde, dass der Häuptling später kommt. Jetzt muss er noch einen Tag warten bis er dich ihm präsentieren kann.“
Der alte Wikinger kommt mit einem Hocker wieder und setzt sich neben die Gittertür. Mit schief gelegtem Kopf sehe ich ihn an. „ Und jetzt lasse ich noch nicht mal jemand hier rein, damit sie dich bestaunen können. Ihm passt es überhaupt nicht, dass er hier nichts zu sagen hat.“
Ich bin ein wenig verwirrt. Warum erzählt er mir denn das alles? Ich mustere den Wikinger, welcher mit dem Rücken an den Fels gelehnt auf dem kleinen Hocker sitzt.
Ein trauriges Lächeln huscht über sein Gesicht. „Sonst beneidet mich niemand um meinen Job hier.“
Ein Seufzen entfährt dem Wikinger und dann greift er nach seinem Beutel. Daraus holt er eine Art Fischbrötchen hervor.
Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Seit einer gefühlten Ewigkeit habe ich kein Brot mehr gegessen. Genau genommen seit dem Tag, an dem ich mich verwandelt habe. Seitdem musste ich mich mit rohem Fisch begnügen. Nicht, dass ich etwas gegen Fisch hätte. Ich bin in einem Wikingerdorf aufgewachsen. Quasi mein halbes Leben lang habe ich mich von Fisch ernährt. Aber trotzdem sehne ich mich nun nach dem Brot auf der anderen Seite des Gitters. Nur ein kleines Stückchen…
Inzwischen ist von besagtem Brötchen nur noch die Hälfte übrig. Fjell stutz als er meinen Blick bemerkt, welcher starr auf das Brötchen in seinen Händen gerichtet ist.
Noch im Kauen schweift sein Blick von mir zu seinem Brötchen und zurück.
Mit einem ergebenen Seufzer murmelt er: „Anak würde mich sicher für dämlich erklären.“ und hält mir das Brötchen vertrauensvoll durch die Gitterstäbe hin.
Damit habe ich nicht gerechnet. Vorsichtig trete ich näher an das Gitter heran und nehme ihm das Brötchen mit meinem Maul aus der Hand.
Genüsslich lecke ich mir über mein Maul, nachdem ich das verdammt leckere Brötchen runtergeschluckt hatte. „Danke.“ , meine ich zu ihm, in dem Wissen, dass er nur ein leises Grummeln versteht.


Am Horizont lässt sich schwacher Schemen erkennen. Er ist so oft hier gewesen. Er weiß, dass, wenn er noch näher kommt, zuerst die dunklen Klippen deutlich zusehen sein werden, danach der Wald und vielleicht der schmale Strand.
Doch gerade hat der Schreckliche Schrecken keinen Blick übrig für diese Details. Nicht jetzt.
Der Anblick seiner Insel lässt Rhaokinchim noch einmal seine letzten Kräfte mobilisieren. Er ist den ganzen Tag geflogen. Sie brauchte ihre Hilfe.
Nachdem er die letzten Tage zwei Schiffe von Wikingern bis zu ihrer Heimatinsel verfolgt hatte, hatte er die letzte Nacht unruhig geschlafen.
Die gesamte Strecke zurück hatte er in einem Bruchteil der Zeit geschafft. Er hatte sich vorher an die Geschwindigkeit der Schiffe anpassen müssen, um sie auf keinen Fall zu verlieren. Dieser Umstand hat es ihm allerdings auch erlaubt, zwischendurch Flugpausen einzulegen.
Was dem Schrecklichen Schrecken entgangen ist: Aufgrund einer dieser Pausen hatte er den Fluchtversuch seiner Freundin nicht mitbekommen.
Und trotz der Pausen ist er nun erschöpft. Doch er muss sich beeilen. Wer weiß, was Wikinger mit gefangenen Nachtschatten anstellen?
Als dann das offenbare Ziel der verfolgten Schiffe in Sicht kam, wollte Rhao lediglich sicher gehen. Er hatte sie weiterhin verfolgt, bis zum Morgen, an dem sie anlegten und ihre Fracht an Deck brachten. Im Schutz der Morgendämmerung hatte sich der kleine Drache bis nahe an die Schiffe heran gewagt.
Die Wikinger hatten ihr nichts Erkennbares angetan, und sie lebte noch. Wenn auch in einem Käfig umgeben von Menschen.
Bevor ihn doch noch jemand entdecken konnte, drehte der Schrecken ab, mit der festen Überzeugung zurückzukehren.


Kapitel 24 – nächtliche Überraschung

Meine Ohren zucken leicht, als sie das Geräusch leiser, tapsender Schritte erreicht. Dieses Geräusch hat mich mitten in der Nacht geweckt und ich versuche den Ursprung auszumachen, ohne mich merkbar zu bewegen. Ein erneutes Klappern ertönt, gefolgt von einem, nein, zwei Schatten am Eingang.
Misstrauisch ziehe ich mich weiter in den dunklen Bereich meiner Zelle zurück, wo die Schatten am tiefsten sind. Nun sind lediglich meine hellen Augen in der Dunkelheit auszumachen.
Aufmerksam lausche ich auf die Geräusche außerhalb meines Käfigs, welche sich nun der Zelle rechts von meiner nähern. Nach einem kurzen Stopp dort, schleichen die Gestalten weiter.
Ein „Schscht!“ aus eben dieser Richtung lässt mich aufhorchen und die Schatten tauchen vor dem Gitter meiner Zelle auf.
Überrascht hebe ich halbwegs den Kopf und trete behutsam aus der dunkelsten Ecke heraus in den Halbschatten vor den Eisenstangen.
Es sind nur zwei Kinder.
Diese zucken zusammen als sie mich erblicken und weichen beide einige Schritte zurück. Beruhigend grummeln nähere ich mich dem Gitter und wirklich; vorsichtigen Schrittes nähern die beiden sich erneut, bis der größere der beiden seinen Freund einen halben Schritt vor dem Gitter zurückhält.
„Warte, denk dran, was über diesen Drachen erzählt wird.“ , erinnert der größere. „Ja, aber er sieht so freundlich aus.“ , entgegnet der kleinere.
Ich senke den Kopf, um auf Augenhöhe mit den beiden Jungs zu sein und schnaube.
Der größere erschrickt, doch sein Freund, vielleicht ist es auch sein Bruder, bekommt leuchtende Augen.
Er sieht nicht so aus, als würde er die vermutlich wilden Geschichten über Nachtschatten wirklich glauben.
Mit einer Zuversicht, die ich dem kleinen Jungen nicht zugetraut hätte, überwindet er die letzte Distanz zu meinem Gitter und streckt seine Hand aus.
Ich lasse zu, dass er erst vorsichtig, dann immer mutiger meine Stirn berührt und mir über die Nase streichelt.
Ich versuche es zu unterdrücken, jedoch fängt meine Nase schrecklich an zu kribbeln und ich muss laut niesen.
Bei diesem Schreck macht der größere Junge sich beinahe in die Hose und wird ganz bleich, während der andere anfängt zu kichern.
Plötzlich wird er von einer strengen Stimme unterbrochen: „Weg von dem Käfig. Sofort!“ Fjell hat seine Arme ärgerlich auf die Hüften gestemmt und lässt keinen Zweifel daran, dass mit ihm gerade nicht zu scherzen ist.
Ertappt ziehen beide Jungen die Köpfe ein und treten von dem Gitter zurück.
„Ihr dürftet überhaupt nicht hier sein. Verschwindet, ab in eure Betten und wehe ich erwische euch noch einmal, wie ihr euch an meinen Wachen vorbei schleicht!“ , scheucht der Kerkermeister die beiden Einbrecher aus der Höhle.
Nach dem strengen Blick, mit welchem er die beiden bedacht hat, bezweifle ich keineswegs, dass sie seine Anweisung befolgen und direkt nach Hause laufen.
Statt sich über die kleinen Eindringlinge oder die nächtliche Störung zu ärgern, blickt er mich verwundert und nachdenklich an.
Wie lange hat er schon unbemerkt da gestanden, bevor er etwas gesagt hat? Hat er gesehen, wie nah ich den Jungen heran gelassen hab? Das würde seinen verwunderten Gesichtsausdruck erklären.
Fjell schüttelt jedoch nur leicht den Kopf und begibt sich anschließend zurück zu seiner kleinen Höhle.
Erst als die Schritte verklungen sind, lege ich mich wieder in den Schatten und schlafe weiter.

Trotz der nächtlichen Störung ist Fjell schon so früh auf wie die letzten Tage und nachdem er mir etwas zu essen gegeben hat, macht er sich auf zu seinem täglichen Rundgang. Es sind zwar keine weiteren Drachen da, soweit ich das beurteilen kann, aber ich vermute, dass Fjell auch für die menschlichen Gefangenen verantwortlich ist.
Vorher hat der Kerkermeister allerdings wieder mit mir geredet, unbeachtet dessen, dass ich nicht antworten kann und er nicht einmal weiß, dass ich ihn überhaupt verstehe.
So langsam kommt mir der Verdacht, dass der alte Wikinger einfach einsam ist und jemanden zum Reden braucht. Offensichtlich bin ich die Einzige, mit der er das kann.
Nichtsdestotrotz bin ich nicht beleidigt, weil das wahrscheinlich der einzige Grund dafür ist, schließlich behandelt Fjell mich sehr viel freundlicher als die übrigen Wikinger. Viel freundlicher als ich damals die gefangenen Drachen behandelt habe.
Ich senke beschämt den Kopf. Aus dieser neuen Perspektive kommt es mir unglaublich grausam vor. Dass ich diese Perspektive damals noch nicht hatte, ist keine Entschuldigung. Auch nicht, dass ich keine Ahnung von den Gründen unserer Feinde hatte; keine Ahnung von ihrer Sicht der Dinge.
Das sind alles nur armselige Ausreden, um sich dahinter zu verstecken. Die Wahrheit ist schlicht und einfach: ich habe, genauso wie all die anderen Wikinger, nicht darüber nachgedacht, habe nicht darüber nachdenken wollen, verbessere ich mich selbst. Ich hab es nie für möglich gehalten, dass die Drachen genauso fühlen wie wir; dass uns im Grunde nicht so viel unterscheidet und die Drachen uns eigentlich ebenbürtig sind.
Ich kann nur hoffen, dass ich irgendwann die Chance erhalte, etwas daran zu ändern. Ich bin mir sicher, wenn es sogar bei den Thursen einen gibt, der Drachen nicht sofort als Feind abtut, dass mein eigenes Dorf mit zuhören würde.

In diesem Moment tritt Fjell wieder in die Höhle, und er ist diesmal nicht alleine.
In seiner Begleitung befinden sich Anak und ein Wikinger, der sogar noch größer ist als der hünenhafte Kapitän. Er hat dunkle, struppige Haare, die ungebändigt unter seinem grobgeschmiedeten Helm mit den zwei schwarzen Hörnern hervorschauen. Sein weiter Bart hingegen ist kunstvoll geflochten und umrahmt sein grimmig lächelndes Gesicht.
Ich weiche in den Schatten meiner Zelle zurück, ja drücke mich regelrecht in die noch vorhandene Dunkelheit.
Ich weiß, wer das ist und wenn auch nur die Hälfte der Geschichten wahr sind, die auf Fallow über ihn erzählt werden, ist mit diesem Wikinger alles andere als zu Spaßen.
Dieser Wikinger ist Thrymr der Gewaltige, der Häuptling der Thursen.


Kapitel 25 - Kampf

„Wo ist jetzt dieser Wunderdrache, den du mir versprochen hast, Anak?“ , donnert die tiefe, raue stimme des Häuptlings durch die Höhle.
Sofort vernehme ich die unterwürfige Antwort des Kapitäns: „Der Nachtschatten ist gleich dort drüben.“ „Dass es sich wirklich um einen Nachtschatten handelt, wie du behauptest, glaube ich erst, wenn ich ihn sehe.“ , entgegnet der Häuptling der Thursen grimmig.
Nun taucht Anak am Gitter meiner Zelle auf und macht eine einladende Geste mit seinen Armen.
Leider schwindet der Schatten, in dem ich mich schon jetzt nur noch schwerlich verbergen kann, durch das Voranschreiten des Tages. Immer mehr Sonnenlicht dringt von draußen herein.
Neben dem Kapitän erscheint die riesenhafte Gestalt von Thrymr. Dahinter kann ich Fjell ausmachen, welcher keineswegs glücklich über den Besuch aussieht.
Ich lasse eine unangenehme Musterung über mich ergehen, was für eine Wahl habe ich denn auch, und verkneife mir ein Knurren, weil ich fürchte, meine Stimme könnte vor Angst brechen. Denn genau das habe ich, Angst.
Angst vor dem Wikinger in dessen Gewalt ich mich befinde. Und hier drin bin ich ohnmächtig mich zu wehren. Statt eines Knurren, versuche ich ihn mit meinem Blick zu erdolchen.
„Ganz schön mickrig für den gefürchtetsten Drachen der bekannten Welt.“ Er wirft mir einen abfälligen Blick zu.
„Lass dich nicht von seinem Aussehen täuschen.“ , beeilt Anak sich, ihn zu beschwichtigen, „Wären meine Männer nicht so bemerkenswert ausgebildet, hätte dieser Drache uns trotz Drachenwurz-Pfeilen einige Schwierigkeiten bereiten können.“
Das war, meines Erachtens, maßlos übertrieben. Sowohl die Ausbildung seiner Wikinger, als auch mich betreffend.
Ich habe keine Zweifel, dass ein richtiger Nachtschatten sie vor die Pforten von Helheim verfrachtet hätte, doch ich habe mich gerade erst an diesen Körper gewöhnt. Ich bin ungeübt im Fliegen, oder im Kämpfen auf vier Beinen. Weder beherrsche ich meine Flügel richtig, noch mein Feuer.
Sie hätten keine Chance gegen einen echten Nachtschatten gehabt.
Noch immer unbeeindruckt tritt Thrymr näher an das Gitter heran. „Was speit diese Bestie für ein Feuer?“
Ich versuche mich nicht weiter einschüchtern zu lassen und halte dem finsteren Blick des Wikingers auf der anderen Seite des Tors stand.
Währenddessen beißt Anak sich nervös auf die Lippe. Kein Wunder, er hat mein Feuer noch nicht gesehen, damit hat er keine befriedigende Antwort für seinen Häuptling.
„Nun?“ , fragt dieser jetzt, seine Geduld sichtlich strapaziert, als Anak weiterhin nicht auf seine Frage geantwortet hat.
„Also, eh … wir wissen es nicht. Er hat sein Feuer nicht gezeigt. Es durchaus möglich, dass er überhaupt nicht die Fähigkeit dafür besitzt.“ , gibt der Kapitän vorsichtig zu.
„Dann nützt mir der Drache nichts.“, beschließt Thrymr und ist drauf und dran sich um zu drehen.
„Warte.“ , Anak stellt sich vor seinen Häuptling, im Begriff diesen am Gehen zu hindern und schlägt vor: „Wie wäre es mit einer Art Testkampf? Der Nachtschatten gegen fünf meiner besten Männer. Dann siehst du, was der Drache drauf hat.“
Mit starrem Blick schaut das Oberhaupt der Thursen an dem Kapitän vorbei, er scheint zu überlegen.
„Ich richte es ein, dass sie gleich heute Nachmittag bereit sind.“ , startet Anak einen weiteren Versuch es dem Häuptling doch noch recht zu machen.
„Nein.“
Ich atme durch. Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass ich den Atem angehalten hatte.
„Der Kampf wird gleich jetzt stattfinden.“ , ergänzt Thrymr und gibt Anak ein Handzeichen. „Sorg dafür, dass deine Männer kampfbereit hier sind.“
„Natürlich, Häuptling.“ , beinahe sieht es so aus als wolle er sich noch verbeugen, dann macht er ich eilig auf den Weg, den Befehlen folge zu leisten.
Fjell, der während des Gesprächs still an der Seite stand, schaut dem Kapitän unzufrieden hinterher.
„Glaubst du, es ist eine gute Idee die Männer in einen solch unnötig riskanten Kampf zu schicken? Vor allem, da doch der Angriff kurz bevor steht.“ , versucht der Kerkermeister seinen Häuptling zur Vernunft zu bringen.
„Wenn der Drache das hält, was sein Ruf, der der Nachtschatten, verspricht, ist er weitaus mehr wert, als die paar Männer.“
Nachdem er mich mit einem durchdringenden Blick bedacht hat, dreht er sich zu Fjell um. „Wenn nicht, habe ich immer noch ausreichend Männer, um den Plan wie vorgesehen durch zu führen.“
Fjell nickt bedauernd, aber ergeben und begleitet Thrymr zum Eingang der Höhle.
Ob ich bereit bin fragt niemand. Es interessiert sie nicht. Für den Häuptling scheine ich nur eine weitere Schachfigur in seinem Spiel zu sein. Aber offensichtlich bin ich nicht die Einzige, dessen Schicksal ihn nicht im Mindesten interessiert.
Die Wikinger, die gegen mich antreten sollen, betreten in diesem Moment die Höhle, angeführt von ihrem stolz voranschreitenden Kapitän.
Entschlossen stellen sich die fünf Wikinger vor ihrem Häuptling auf. Jeder von ihnen scheint stark wie ein Bär und mit je einer Waffe und einem Schild ausgestattet.
Angespannt beobachte ich was draußen vor sich geht. Alles in mir sträubt sich dagegen dieses Spiel mit zu spielen. Ich will und werde mich nicht als Waffe für ihren Angriff missbrauchen lassen.
Allerdings fürchte ich, wenn ich dieses Spiel verweigere und nicht kämpfe, verliere ich meinen Nutzen für den Häuptling und wenn ich für ihn nutzlos bin…
Ich schüttle den Kopf. darüber kann ich mir jetzt keine Gedanken machen. Fjell hat bereits das große Gitter, welches die Gefängnishöhle abriegelt und sie vom Eingang und der kleinen Höhle trennt, geschlossen. Er, Anak und der Häuptling stehen dahinter, während die anderen fünf Wikinger drinnen Aufstellung beziehen.
Dann heißt es jetzt wohl kämpfen. Vielleicht bietet sich daraus sogar eine Möglichkeit für mich zur Flucht. Bei Odin, ich hoffe es.
Selbst wenn ich das Spiel mitspiele und gegen die Wikinger kämpfe, kann ich nicht sicher sein, ob dem Häuptling das reicht. Ich weiß nicht, wie ich mein Feuer einsetzte und fliegen kann ich in dieser vergleichsweise doch engen Höhle auch nicht.
Ich senke entschlossen den Kopf, meine Augen zu schlitzen verengt.
Aber ich weiß, wie ich als Wikinger kämpfen würde. Ich weiß mit dem Schwert umzugehen.
Ich weiß vielleicht nicht, wie ich als Drache kämpfe, aber dafür weiß ich wie die Wikinger kämpfen werden.
Und das kann ich zu meinem Vorteil nutzen.
Ich muss nur ein bisschen erfinderisch sein.
Ich bin sicher hundert Mal im Training gegen meine Freunde, Kjartan oder meinen Vater angetreten. Und noch öfter habe ich selbst gegen Drachen gekämpft. Ich kann meine Gegner in die Irre führen. Taktiken anwenden, die sie bei einem Drachen nicht erwarten würden.
Ich linse hinüber zu meinen Gegnern, und stelle mich kampfbereit auf. Ja, den werde ich es zeigen.
Anak scheint es für nötig zu halten, noch wahrscheinlich großgemeinte, motivierende Worte zu sagen. Dafür schreitet er mit weiten Schritten hinter dem Gitter auf und ab.
Ich achte nicht weiter auf ihn. Ich mustere die Wikinger innerhalb der großen Höhle genauer. Zwei von ihnen sind mit Schwertern, weitere zwei mit Äxten und der Letzte mit einer Keule bewaffnet.
Sie sind stark, aber aufgrund ihrer Größe dürften sie nicht besonders schnell oder wendig sein.
Den Größten sollte ich, wenn es geht, zuerst ausschalten, wenn es sein muss auch erst mal nur temporär.
Nun schein es Thrymr zu viel zu werden, er unterbricht Anak: „Schluss jetzt, mit dem Gerede. Sie sind hier um zu kämpfen. Zeig mir was der Drache draufhat!“
Anak wirkt beleidigt, doch seine Männer marschieren auf die Mitte der Höhle zu. Einer von ihnen peilt meinen Käfig an. Er hat den Schlüssel.
Mit wachsam umherhuschenden Augen ducke ich mich in Kampfposition und warte angespannt darauf, dass das Gitter sich öffnet.
Auch die vier Männer in der Mitte machen sich bereit.
Mit einem Knartschen schwingt die Gittertür auf, und begleitet von meinem wütenden Brüllen, stürze mich auf die Wikinger. Ich springe ab und halte auf den größten Wikinger zu. Dieser zieht seinen Schild hoch und hebt seine Axt. Auch die beiden Männer links und rechts neben ihm heben ihre Waffen, bereit mich zu treffen, sobald ich landen würde.
Kurz bevor ich jedoch in die Reichweite ihrer Waffen gelange schlage ich einmal kräftig mit den Flügeln und lande hinter ihnen, anstatt direkt bei ihnen.
Noch bevor sie sich überrascht umdrehen können, mache ich eine Drehung und habe dem Großen meinen Schwanz ins Gesicht gefegt. Benebelt geht dieser zu Boden.
Wütend laufen die anderen beiden auf mich zu, während der vierte mich offenbar einzukreisen versucht.
Ich wende mich dem Wikinger links von mir zu und öffne mein Maul. Dabei mache ich ein zischendes Geräusch und hohle tief Luft. Mein Gegner fällt darauf rein und zieht schützend seinen Schild hoch. Dadurch sieht er mich zu spät kommen und findet sich auf dem Boden wieder.
Ich schlage ihm mit einer Pfote das Schwert aus der Hand und sorge mit einem Schwanzschlag dafür, dass es erst am Rande der Höhle zum liegen kommt.
Nun muss ich allerdings dem anderen Schwert von rechts ausweichen und springe von dem Wikinger runter, im Begriff mehr Platz zwischen mir und den beiden noch stehenden Wikingern zu schaffen. Leider habe ich dabei den fünften Mann, der das Gitter geöffnet hat, völlig vergessen, auf den ich nun direkt zugesprungen bin.
Nur mit Mühe und Not kann ich seiner Keule ausweichen.
Mit einem Flügelschlag bringe ich mich auf Abstand.
Ohne zu zögern attackiere ich den Neudazugekommenen. Ich ducke mich unter seiner geschwungenen Keule hindurch und lasse meine Krallen auf ihn niederfahren. Erst im letzten Moment schafft er es seinen Schild zwischen sich und meine Kralle zu bringen.
Ich lasse von ihm ab. Immerhin ein paar Kratzer auf seinen Armen konnte ich hinterlassen.
Sogleich beanspruchen die zwei anderen Wikinger mit einem koordinierten Angriff meine Aufmerksamkeit. Leider scheint es nicht lange bei der geringen Gegnerzahl zu bleiben. Der Große fängt bereits an, sich aufzurappeln und greift nach seiner Waffe.
Doch gerade habe ich keine Zeit mir um ihn Gedanken zu machen.
Die zwei Wikinger stürmen von links und rechts auf mich zu. Ich springe in die Luft gerade in dem Moment, in dem der eine seine Axt schwingt. Er kann den Schwung nicht mehr stoppen und er trifft den Schild seines Kameraden und sie bleibt darin stecken.
Ich lande direkt auf ihren Rücken und zusammen fallen sie unter meinem Gewicht zu Boden.
Jetzt kann ich mich dem großen Wikinger zuwenden. Dieser steht nun wieder kampfbereit und scheint mich seinerseits zu beobachten.
Zwischen uns steht noch der Wikinger, den ich umgeworfen hatte, trotzdem stürme ich direkt auf den Großen zu, an dem anderen vorbei.
Als ich neben ihm bin, ramme ich ihm meinen Flügel in den Bauch und renne weiter. Bei dem Größten angekommen hebe ich meine Klaue, doch er schlägt mir seinen Schild seitlich gegen den Kopf. Den Schlag habe ich nicht kommen gesehen und weiche jaulend zurück. Wütender als zuvor stürme ich erneut auf ihn zu.
Ich täusche einen Sprung an, doch zu meinem Leidwesen fällt er nicht darauf rein. Nach einem kräftigen Tritt von ihm lande ich auf der Seite. Ich stemme mich hoch und mit großen Sätzen umrunde ich den Wikinger knurrend. Sich nicht schnell genug mitdrehend, schaffe ich es ihn von der Seite anzugreifen und verbeiße mich in seiner Schulter. Er versucht mich abzuschütteln, kann mich jedoch nicht mit seiner Axt erreichen.
Schließlich lasse ich locker und gebe ihm eine Kopfnuss. Bewusstlos sackt er in sich zusammen. Endlich einer weniger.
Keuchend blicke ich mich um.
Inzwischen haben sich die zwei Wikinger wieder aufgerappelt. Der eine ohne Axt, der andere nun ohne Schild.
Der, den ich in den Bauch geschlagen habe, schleicht sich von hinten um mich herum.
Ich gebe vor ihn nicht zu bemerken, während ich die beiden vor mir anfauche.
Leider habe ich den vierten hinter mir wirklich nicht bemerkt, bis ich das Schwert an meiner Seite spüre.
Ich brülle auf vor Schmerz. Mein Versuch, nach dem Angreifer zu schlagen, schlägt fehl und ich knicke ein. Mühsam richte ich mich wieder auf und schaue mich keuchend um.
Eingekreist von meinen Feinden habe ich keine Gelegenheit nach der Wunde zu sehen, jedoch spüre ich deutlich, wie mein Blut warm und dickflüssig hinausrinnt.
Die Wikinger machen sich bereit für einen weiteren Angriff. Schwer atmend, aber entschlossen fauchend stehe ich ihnen gegenüber.
Zu meiner Verwunderung ertönt die Stimme des Häuptlings: „Es reicht. Ich habe genug gesehen.“
Die Wikinger schauen irritiert zum großen Tor, weichen aber folgsam von mir zurück.
Erleichtert, aber weiterhin aufmerksam gebe ich meine angespannte Haltung auf und widme mich meiner Wunde.
Ein recht sauberer Schnitt an der Seite meines Brustkorbes, knapp unterhalb meines Flügelansatzes.
Nicht besonders tief, trotzdem dringt viel Blut heraus. Behutsam fahre ich mit der Zunge darüber.
„Wir wollen ja nicht, dass sich unser Wunderdrache weiter verletzt, nicht wahr?“ , höre ich das Oberhaupt der Thursen sagen.
Ich hebe misstrauisch den Kopf. Er ist doch sicher nicht an meinem Befinden interessiert.
Der Häuptling fährt fort: „Wenn er uns helfen soll, brauche ich ihn bei voller Stärke. Also,“ , er richtet sich an Anak, „finde einen Weg den Drachen bei dem Angriff einzusetzen. Ansonsten eignen sich seine Schuppen sicher hervorragend für einen neuen Lederumhang.“
Mit diesen Worten dreht Thrymr sich um und verlässt die Höhle mit stapfenden Schritten, welche als Echo von den Wänden nachhallen.


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